5. Begründetheit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
In J 5/94 wurde entschieden, dass die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags auch nach Fristablauf noch ergänzt werden könne, sofern die Ergänzung eine Vervollständigung des fristgemäßen Vorbringens darstelle, also das ursprüngliche Wiedereinsetzungsbegehren nicht auf eine neue Basis gestellt werde (s. auch J 19/05, T 585/08, J 15/10, T 592/11).
In T 324/90 (ABl. 1993, 33) stellte die Kammer fest, dass die Beweismittel zur Stützung der Tatsachenbehauptungen auch noch nach Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Art. 122 (2) EPÜ 1973 eingereicht werden können. Nur die Gründe und Tatsachen sind innerhalb dieser Frist anzugeben. Auch in T 261/07 gestattete die Kammer dem Patentinhaber, der zunächst nach bestem Wissen alle maßgeblichen Tatsachen dargelegt hatte, anschließend weitere sachdienliche Beweismittel vorzubringen.
In J 5/11 befand die Juristische Kammer, dass ein Antragsteller, der seinen Antrag im erstinstanzlichen Verfahren – insbesondere nach einer entsprechenden Aufforderung – nicht angemessen begründet hat, dieses Versäumnis in der Regel nicht wieder gutmachen kann, indem er mit der Beschwerdebegründung zusätzliche Beweismittel einreicht. Die Hauptaufgabe der Kammern sei zwar, über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung des Amts zu befinden (s. J 18/98), dies bedeute aber nicht, dass neue Beweismittel, die bei der Beschwerde zum ersten Mal vorgelegt werden, automatisch unzulässig seien. Ein strikter Ausschluss aller neuen Beweismittel von der Beschwerde könnte in einigen Fällen zu Ungerechtigkeit und unfairer Behandlung führen und wäre mit den Grundsätzen des in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Verfahrensrechts nicht vereinbar (vgl. Art. 125 EPÜ).
In J 18/98 hatte die Eingangsstelle den Antrag des Anmelders auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt. Die Juristische Kammer folgerte aus der ständigen Rechtsprechung zu Art. 122 (3) EPÜ 1973, dass erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgetragene Tatsachen nicht berücksichtigt werden könnten. Die Aufgabe des Beschwerdeverfahrens bestehe nämlich nur darin, ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer früheren Entscheidung der erstinstanzlichen Stelle zu fällen (T 34/90, ABl. 1992, 454).
In T 257/07 stellte die Kammer fest, dass der Beschwerdeführer erst ein Jahr nach dem Wegfall des Hindernisses bestimmte frühere Aussagen klargestellt und neue, zuvor unerwähnte Tatsachen vorgebracht habe, insbesondere in Bezug auf das System für die Akten- und Fristenverwaltung. Dieses Versäumnis könne nicht durch das Vorbringen neuer Tatsachen wieder gutgemacht werden, weil nach der Rechtsprechung nur "solche Beweismittel zugelassen werden, die zur Klärung der im Wiedereinsetzungsantrag dargelegten Sachverhalte dienen" (J 2/86, ABl. 1987, 362; T 261/07; s. auch T 742/11, T 2274/11, J 6/14).
In J 16/11 führte die Juristische Kammer aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern Tatsachen, die zum ersten Mal im Beschwerdeverfahren vorgebracht werden, grundsätzlich nicht berücksichtigt werden sollten (s. J 18/98, T 257/07). Im vorliegenden Fall hatte die Kammer den Beschwerdeführer in ihrer Mitteilung darüber informiert, dass die derzeit aktenkundigen Beweismittel nicht überzeugend genug erschienen, und ihm ausnahmsweise die Gelegenheit gegeben, sein Vorbringen in diesem späten Verfahrensstadium zu vertiefen. Anstatt von Beweismitteln reichte der Vertreter jedoch eine Erklärung unter Eid des Beschwerdeführers selbst ein. Da diese neue Eingabe die bereits vorliegenden Fakten nicht ergänzte, sondern eine neue Sachlage darstellte, mussten diese Tatsachen und Beweismittel außer Acht gelassen werden.