9.2.11 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf mathematische Algorithmen beziehen
In T 1177/97 befand die Kammer, dass die Verwendung einer Information in einem technischen System (oder ihre Eignung dafür) der Information selbst insofern technischen Charakter verleihen kann, als die Information die Eigenschaften des technischen Systems widerspiegelt, weil sie z. B. speziell formatiert oder verarbeitet wird. Eine solche Information kann bei Verwendung in oder Verarbeitung durch das technische System Teil einer technischen Lösung für eine technische Aufgabe sein und die Grundlage für einen technischen Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik bilden. Linguistische Informationen und Verfahren können somit grundsätzlich einen technischen Charakter erlangen, wenn sie in einem Computersystem verwendet werden und zum Bestandteil der Lösung einer technischen Aufgabe werden.
Allerdings erzeugen Verfahren zur Klassifizierung von Texten an sich weder eine relevante technische Wirkung noch liefern sie eine technische Lösung für eine technische Aufgabe (T 233/09, T 1316/09 und T 1358/09).
In T 1358/09 wurde ein Verfahren zur Klassifizierung von Textdokumenten in Anspruch 1 hauptsächlich durch einen abstrakten mathematischen Algorithmus definiert. Die Kammer stellte fest, dass die Klassifizierung von Textdokumenten sicherlich zweckmäßig ist, da sie helfen kann, Textdokumente mit einem relevanten kognitiven Inhalt aufzufinden, doch taugt dies nach Ansicht der Kammer nicht als technischer Zweck. Ob zwei Textdokumente hinsichtlich ihres Inhalts zur selben "Klasse" von Dokumenten gehören, ist keine technische Frage. Dieselbe Auffassung ist auch in der Entscheidung T 1316/09 vertreten worden, in der festgestellt wurde, dass Verfahren zur Klassifizierung von Texten an sich weder eine relevante technische Wirkung erzeugen noch eine technische Lösung für eine technische Aufgabe bereitstellen (so auch T 233/09). Die Kammer in T 1358/09 wies darauf hin, dass nicht alle die Effizienz betreffenden Aspekte eines Algorithmus per definitionem irrelevant für die Frage sind, ob der Algorithmus einen technischen Beitrag leistet. Die angestellten technischen Überlegungen müssen jedoch über das bloße Ermitteln eines Algorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen (s. G 3/08 date: 2010-05-12, ABl. 2011, 10; s. auch T 2418/12, T 22/12). So entschied die Kammer in T 22/12 auch, dass die Klassifizierung von Emails als Spam nicht technisch sei. In T 2363/16 befand die Kammer unter Verweis auf T 22/12, dass die Klassifikationskriterien für das Blockieren von E-Mails vom Nutzer des Systems anhand nichttechnischer Überlegungen dazu festgelegt wurden, welche E-Mails er nicht erhalten wollte.
In T 817/16 befand die Kammer, dass die bloße speichereffiziente Zuweisung einer Punktzahl zu einem Dokument für eine Suchmaschine keine technische Wirkung darstellt, auch wenn die Punktzahl irgendwie auf der Häufigkeit und dem Umfang von Änderungen in dem Dokument basiert. Der Beschwerdeführer hatte argumentiert, dass die Vergabe guter Punktzahlen die Suchergebnisse verbessere und dass damit die Zahl der Suchanfragen reduziert und somit Ressourcen eingespart werden könnten. In der Entscheidung T 306/10 wurde ein ähnliches Argument im Kontext von Empfehlungsmaschinen behandelt. Dort befand die Kammer, dass eine Reduzierung der Zahl von Suchanfragen und die entsprechende Einsparung von Ressourcen nicht als technische Wirkung der (verbesserten) Empfehlungen zählt, weil sie von der subjektiven Auswahl des Nutzers abhingen. Die Kammer verwies auch auf die Entscheidung T 1741/08, der zufolge eine Wirkungskette nicht als Nachweis einer technischen Wirkung gelten kann, wenn ein Verbindungsglied in der Kette nicht technischer (sondern z. B. psychologischer) Art ist.