5.1.2 Einzelfälle
In T 547/88 wurde die erfinderische Tätigkeit bestritten. Obwohl die Kammer die Parteien gebeten hatte, in einem gemeinsamen Protokoll festzuhalten, welche Versuche unter welchen Bedingungen durchzuführen sind, stellten die Beteiligten jeweils eigene Versuche an und gelangten zu widersprüchlichen Ergebnissen. Anhand dieser Versuche konnte also nicht endgültig auf mangelnde erfinderische Tätigkeit erkannt werden. Die Kammer vertrat die Ansicht, da die Versuche zu widersprüchlichen Ergebnissen führten, sei – was die Relevanz der beanspruchten Merkmale für die zu lösende Aufgabe betreffe – im Zweifelsfalle zugunsten des Patentinhabers zu entscheiden. Abgesehen davon sei der Gegenstand der angefochtenen Ansprüche erfinderisch, weil er im Stand der Technik nicht nahegelegt werde. Das Patent wurde daher aufrechterhalten.
Die Beweislast liegt beim Patentinhaber dafür, dass das beanspruchte Verfahren zu den im Streitpatent angegebenen vorteilhaften Wirkungen führt. Da zusätzliche Beweise für die genannten vorteilhaften Wirkungen fehlten, konnten die behaupteten Wirkungen deshalb nicht bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden (vgl. T 97/00; s. auch T 1409/04).
Der Beschwerdeführer (Einsprechende) hat seine Behauptungen, eine Verbesserung sei nicht glaubwürdig, da nicht ausreichend bewiesen, seinerseits nicht durch Beweise in Form von Versuchen gestützt. Ohne einschlägige Vergleichsversuche konnten die Argumente des Beschwerdeführers die Kammer nicht überzeugen, sodass die Aufgabe als gelöst angesehen wurde. Die Aufgabe musste also nicht umformuliert werden (T 862/11). S. auch in diesem Kapitel III.G.4.2.2 "Tests und Versuche".
Die in einem erteilten Patent formulierte Aufgabe gilt als durch die beanspruchte Erfindung glaubhaft gelöst, wenn kein Grund zu einer gegenteiligen Annahme besteht. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht es in einem Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht aus, wenn der Einsprechende ein erteiltes Patent mit einer nicht belegten Behauptung angreift. Unter diesen Umständen ist der Einsprechende für seine Behauptung beweispflichtig oder muss zumindest Beweise vorlegen, die Zweifel am Erfolg der Lösung der Aufgabe aufkommen lassen (T 534/13 mit Verweis auf T 1797/09, Nr. 2.7 der Gründe).
In T 2320/16 hatte der Einsprechende mit Verweis auf T 415/11 behauptet, dass die Beweislast bezüglich des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes beim Beschwerdegegner (Patentinhaber) liege. Dem stimmte die Kammer nicht zu: Es reicht im Einspruchsverfahren nicht aus, wenn der Einsprechende ein erteiltes Patent mit einer nicht belegten Behauptung angreift. Der Beschwerdeführer (Einsprechende) hatte keine Beweismittel vorgelegt, die Zweifel entstehen ließen.
In T 1177/17 stellte sich die Frage, ob die beanspruchte indirekte antivirale Wirkung mittels NK-Zellstimulation allein durch 2-FL erreicht werden konnte, wie vom Beschwerdegegner (Patentinhaber) behauptet. Die Kammer verneinte dies, und die Akte enthielt keine Beweismittel. Der Beschwerdegegner untermauerte sein Vorbringen durch keine weiteren Beweismittel als die Daten in Beispiel 1 des Patents (eine Untersuchung an mit Influvac geimpften Mäusen). Er argumentierte vielmehr, die Beschwerdeführer (Einsprechenden) müssten demonstrieren, dass 2-FL nicht die beanspruchten antiviralen Wirkungen durch NK-Zellstimulation erzeuge. Nach Auffassung der Kammer war dieses Argument nicht haltbar, denn die vom Beschwerdegegner beanspruchten technischen Wirkungen waren nicht für den gesamten Umfang von Anspruch 1 des Hauptantrags plausibel.
In T 655/13 hatte die Prüfungsabteilung die Passage im Dokument D1 (technische Zeitschrift in Japanisch als Vorveröffentlichung), die das strittige Merkmal offenbarte, nicht genau angegeben und auch keine Übersetzung zumindest des angeführten längeren Abschnitts dieses japanischen Dokuments bereitgestellt. Die Kammer erinnerte daran, dass im Prüfungsverfahren bei Fragen der Patentierbarkeitserfordernisse die Beweislast – und folglich die Verpflichtung zum Darlegen der einschlägigen Tatsachen – zunächst bei der Prüfungsabteilung liegt, die Beweise und Tatsachen zur Stützung ihres Einwands vorbringen muss (s. T 578/06). In der Regel kann der Anmelder eine generelle Aussage der Prüfungsabteilung allgemein anfechten, die ihren Einwand dann genauer spezifizieren muss. Damit ein Anmelder eine faire Chance erhält, die Feststellungen der Prüfungsabteilung anzufechten, sollte diese in der Regel zumindest einmal angeben, wo im nächstliegenden Stand der Technik die einzelnen Merkmale des strittigen Anspruchs offenbart sind (s. z. B. das obiter dictum in T 70/02).
S. Kapitel I.D. "Erfinderische Tätigkeit".