4.3.6 Im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassenes Vorbringen – fehlerhafte Ermessensausübung – Artikel 12 (6) Satz 1 VOBK 2020
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
In T 726/20 wies die Kammer das Argument des Beschwerdeführers zurück, wonach die Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, den in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 nicht zuzulassen, fehlerhaft sei. Die Einspruchsabteilung hatte den Antrag nicht zugelassen, da er verspätet eingereicht worden war und auf einem zuvor nicht von den Ansprüchen abgedeckten Gegenstand beruhte. Nach Auffassung der Kammer entsprachen diese Gründe der Rechtsprechung (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Aufl, IV.C.5.1.4, insbesondere T 2415/13), wonach Ansprüche in der mündlichen Verhandlung nur derart geändert werden dürfen, dass dem Einsprechenden die Befassung damit in der mündlichen Verhandlung zugemutet werden kann. So solle allen Beteiligten wie auch der Einspruchsabteilung ermöglicht werden, den Fall angemessen vorzubereiten, und die Fairness und Effizienz des Verfahrens gewahrt werden.
In T 1617/20 erklärte die Kammer, dass es zu einer inkonsistenten Vorgehensweise führt, wenn die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2, die beide in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht worden waren, nach unterschiedlichen Kriterien getroffen wird. Zudem verstößt die Berufung auf das Kriterium der Prima-facie-Gewährbarkeit, um in der mündlichen Verhandlung zum ersten Mal ein Merkmal des verspätet eingereichten Antrags zu beanstanden, das auch schon in höherrangigen Anträgen vorkam und bis dahin nie beanstandet worden war, gegen die Grundsätze der Fairness und des Vertrauensschutzes. Aus diesen Gründen hob die Kammer die Nichtzulassungsentscheidung der Einspruchsabteilung auf (Art. 12 (6) VOBK 2020).
Die Kammer in T 435/20 wies darauf hin, dass die Einspruchsabteilung, indem sie die verspätet eingereichten Dokumente D64 bis D80 einschließlich neuer Beweismittel zum Verfahren zugelassen hatte, nicht jedoch die in unmittelbarer Erwiderung darauf eingereichten Dokumente D81 bis D90, gegen die Grundsätze der Fairness und der Gleichbehandlung der Beteiligten verstoßen hatte. Die Kammer erklärte zudem, dass die Einspruchsabteilung nicht allein mit der bloßen Tatsache, dass ihre vorläufige Einschätzung zugunsten eines Beteiligten ausgefallen war, begründen kann, dass sie keine weiteren Dokumente dieses Beteiligten zulässt, obwohl diese vor dem durch die Einspruchsabteilung gemäß R. 116 (1) EPÜ festgelegten Zeitpunkt für die Vorlage von Schriftsätzen eingereicht worden waren.