3.4. Unmittelbare Rechtsverluste nach dem EPÜ

Nach Art. 122 (1) EPÜ ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur möglich, wenn zuvor als unmittelbare Folge der Versäumung einer Frist gegenüber dem EPA ein Rechtsverlust eingetreten ist.

In J 1/80 (ABl. 1980, 289) hatte der Anmelder es unterlassen, innerhalb der in R. 38 (3) EPÜ 1973 vorgesehenen Frist von sechzehn Monaten eine beglaubigte Abschrift der Prioritätsunterlagen einzureichen. Die Juristische Kammer befand, dass nach dem Übereinkommen erst bei Ablauf dieser Frist ein Mangel vorliege. Der Mangel könne erst nach Ablauf dieser Frist festgestellt werden, und dem Anmelder müsse Gelegenheit gegeben werden, ihn innerhalb einer weiteren Frist zu beseitigen (Art. 91(2), R. 41(1), 84 EPÜ 1973). Ein Rechtsverlust trete nur dann ein, wenn der Anmelder von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch mache.

Im Sinne des Vertrauensschutzes für die Nutzer des europäischen Patentsystems befand die Juristische Kammer in J 23/14, dass entgegen dem Wortlaut von Art. 86 (1) EPÜ 2000 und R. 51 EPÜ (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung) eine Patentanmeldung im Einklang mit der vor T 1402/13 vom 31. Mai 2016 date: 2016-05-31 herrschenden Rechtsprechung erst als zurückgenommen gilt, wenn die in R. 51 (2) EPÜ verankerte sechsmonatige Nachfrist für die Entrichtung der Jahresgebühr mit Zuschlagsgebühr abgelaufen ist. S. auch J 7/16.

In T 1403/16 befand die Kammer, dass eine der Grundvoraussetzungen für die Anwendung von Art. 122 (1) EPÜ im vorliegenden Fall nicht erfüllt war, nämlich, dass das Fristversäumnis direkt zu einem Rechtsverlust führte. Reagiert im Einspruchsverfahren ein Beteiligter nicht rechtzeitig auf eine Mitteilung der Einspruchsabteilung, tritt nicht von Rechts wegen automatisch ein Rechtsverlust ein. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass nach Art. 101 (1) EPÜ eine Wiedereinsetzung nicht möglich sei, wenn eine in einer Mitteilung festgesetzte Frist versäumt wird. Diese Schlussfolgerung gelte gleichermaßen für die Frist gemäß R. 84 (1) EPÜ.