2. Recht auf Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Einsprechende sind nicht berechtigt zur Beantragung der Wiedereinsetzung in die Zweimonatsfrist für die Einlegung einer Beschwerde nach Art. 108 Satz 1 EPÜ (s. T 210/89, ABl. 1991, 433; s. auch T 323/87, ABl. 1989, 343; T 128/87 date: 1988-06-03, ABl. 1989, 406; T 314/01; T 2454/11; T 1946/15); ebenso wenig sind sie berechtigt zur Beantragung der Wiedereinsetzung in die neunmonatige Frist zur Einlegung des Einspruchs und Entrichtung der Einspruchsgebühr nach Art. 99 (1) EPÜ (T 702/89, ABl. 1994, 472; T 748/93; T 2254/11).
In G 1/86 (ABl. 1987, 447) entschied die Große Beschwerdekammer jedoch, dass ein Einsprechender, der Beschwerdeführer ist, nach Art. 122 EPÜ wieder in den vorigen Stand eingesetzt werden kann, wenn er die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung gemäß Art. 108, 3. Satz EPÜ versäumt hat (ständige Rechtsprechung, s. T 335/06, T 1545/16). Die Gründe, die den Ausschluss des Einsprechenden von der Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist rechtfertigen – insbesondere das Interesse des Patentinhabers, nicht länger im Unklaren darüber gelassen zu werden, ob eine Beschwerde vorliegt –, dürfen nicht auf die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung ausgedehnt werden, weil ja dann das Beschwerdeverfahren bereits anhängig und die Rechtsunsicherheit somit nicht mehr gegeben ist. Die Große Beschwerdekammer wandte den in den EPÜ-Vertragsstaaten anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsatz an, wonach allen Beteiligten an einem Verfahren vor einem Gericht dieselben Verfahrensrechte eingeräumt werden müssen (er entspringt dem allgemeinen Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz). Dieser Grundsatz verbietet es, den Einsprechenden anders als den Patentinhaber zu behandeln, da dies zu einer für ihn unzumutbaren Diskriminierung führen würde.
In T 181/14 hatte der Beschwerdeführer (Einsprechende) Beschwerdeschrift und Beschwerdebegründung eingereicht, die Beschwerdegebühr jedoch nicht fristgerecht entrichtet. Er beantragte die Wiedereinsetzung in die Frist für die Entrichtung der Beschwerdegebühr. Die Kammer sah keinen Grund, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach Art. 122 (1) EPÜ nur auf Fälle anwendbar ist, in denen der Beschwerdeführer/Einsprechende die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung versäumt. Die verspätete Entrichtung der Beschwerdegebühr und die Nichteinreichung der Beschwerdebegründung werden im Hinblick auf die Wiedereinsetzung nicht ohne Grund unterschiedlich behandelt. Bei nicht fristgerechter Einreichung der Beschwerdebegründung kann der Einsprechende in den vorigen Stand eingesetzt werden, weil rechtswirksam Beschwerde eingelegt, d. h. ein Beschwerdeverfahren eingeleitet wurde. Wird dagegen die Beschwerdegebühr nicht fristgerecht entrichtet, gilt die Beschwerde als nicht eingelegt. Die Tatsache, dass im vorliegenden Fall der Patentinhaber auf die Beschwerdebegründung erwidert hatte, ändert nichts an der Schlussfolgerung der Kammer.