2.2. Grenzen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes
In T 1644/10 hatte das Europäische Patentamt eine unrichtige Patentschrift B1 veröffentlicht, die später in einer B9 Schrift korrigiert wurde. Der Beschwerdeführer vertraute auf die Richtigkeit der bekannt gemachten Patentschrift B1, und im Vertrauen darauf verabsäumte er es, rechtzeitig Einspruch einzulegen. Die Kammer befand, dass die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes im Inter-partes-Verfahren bei Versäumung der Einspruchsfrist einer Interessenabwägung unterliege. Das Vertrauen des Patentinhabers auf die Bestands- bzw. Rechtskraft des Erteilungsbeschlusses ist nicht grundsätzlich dem Vertrauen des Einsprechenden auf die Richtigkeit des Inhalts der veröffentlichten Patentschrift untergeordnet. Dies würde dem Gebot der prozessualen Gleichbehandlung der Parteien widersprechen. Im vorliegenden Fall konnte sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Versäumung der Einspruchsfrist nicht auf die Anwendung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes berufen.
In T 595/11 hatte der Beschwerdeführer der Beschwerdeschrift einen Abbuchungsauftrag für eine ermäßigte Beschwerdegebühr beigefügt. Das Amt machte den Beschwerdeführer erst vier Jahre nach Ablauf der Beschwerdefrist erstmals auf ein damit verbundenes Problem aufmerksam. Die Kammer bejahte, dass der Beschwerdeführer hier tatsächlich davon ausgehen konnte, dass die Zahlung ordnungsgemäß war. Die Kammer wog die berechtigten Interessen aller Parteien ab und kam zu dem Schluss, dass der ursprüngliche Fehler schwerwiegende und unbillige Folgen hätte haben können, weil das Amt ihn nicht bemerkt hatte. Sie hielt es daher für billig, das Versäumnis des Amts dadurch wettzumachen, dass der Fehler soweit möglich behoben werden durfte. Eine nachteilige Auswirkung für eine Partei war zwar nicht mehr zu verhindern, doch die Möglichkeit eines realen, aber an sich nicht unbedingt entscheidenden Rückschlags für eine Partei (hier das Ausbleiben eines unmittelbaren Erfolgs) war einem sicheren entscheidenden Rechtsverlust für eine andere Partei vorzuziehen (s. auch T 1037/11, T 2554/11, T 707/12).