5.13.1 Gerechtfertigte Reaktion auf Entscheidung der ersten Instanz
In T 238/92 betrachtete die Beschwerdekammer eine Druckschrift, die erstmals mit der Beschwerdebegründung vorgebracht worden war, nicht als "verspätet genannt", da sie zum erstmaligen Nachweis eines in der angefochtenen Entscheidung für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als wesentlich eingestuften Merkmals diente (s. auch T 117/92).
Auch in den folgenden Entscheidungen wurde die Einreichung von Dokumenten mit der Beschwerdebegründung als gerechtfertigte Reaktion auf die erstinstanzliche Entscheidung angesehen: T 666/09 (Vergleichsstudie), T 927/04 (Ergänzung der Beweiskette zu einer Vorbenutzung), T 815/14 (Geltendmachung einer neuen Vorbenutzung), T 113/12 (Dokument als Reaktion auf späte Anspruchsänderung im Einspruchsverfahren).
In T 101/87 differenzierte die Kammer danach, ob der Einsprechende weitere Entgegenhaltungen zu finden versucht, nachdem die Einspruchsabteilung die bisherigen nicht für ausreichend erachtet hat, um zu einem Widerruf oder einer Beschränkung des Patents zu kommen, oder ob er als Reaktion auf die substanzielle Änderung eines Patentanspruchs oder um Einwendungen der Einspruchsabteilung betreffend ein fehlendes Glied in einer Argumentationskette zu begegnen weitere Recherchen durchführt. Im letzten Fall kann neues Vorbringen als nicht verspätet bewertet werden.
In T 259/94 reichten die Beschwerdeführer zwei Jahre nach Einlegung der Beschwerde neue Beweismittel ein. Der Beschwerdegegner erhob keine Einwände gegen deren Einführung in das Beschwerdeverfahren. Die Kammer hielt sich gemäß dem Grundsatz "volenti non fit iniura" für befugt, verspätet vorgebrachte Beweismittel, gegen die der Beschwerdegegner (Patentinhaber) keine Einwände erhob, zum Beschwerdeverfahren zuzulassen.
In T 241/10 stellte die Kammer fest, dass eine Kammer nach Art. 12 (4) VOBK 2007 nicht befugt ist, ein mit der Beschwerdebegründung eingereichtes Dokument für unzulässig zu erklären, wenn es sich dabei um eine gerechtfertigte Reaktion auf die Einreichung geänderter Ansprüche durch den Patentinhaber kurz vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung handelt und vom Einsprechenden nicht vernünftigerweise erwartet werden konnte, das betreffende Dokument im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorzulegen (ähnlich T 980/09).