1.5.1 Festlegung eines Bereichs durch Kombination von Endpunkten offenbarter Bereiche
In T 1170/02 befand die Kammer (unter Verweis auf T 187/91, ABl. 1994, 572), dass eine Kombination der Untergrenze des allgemeinen Bereichs mit der Untergrenze des bevorzugten Bereichs, durch die der bevorzugte Bereich ausgeschlossen wird, nicht unter die in T 2/81 (ABl. 1982, 394) entwickelten Grundsätze fällt. In einem solchen Fall empfiehlt sich die Frage, ob ein fachkundiger Leser der Stammanmeldung ernsthaft erwägen würde, im Bereich der Teilanmeldung zu arbeiten, oder ob er vielmehr durch die Stammanmeldung in der eingereichten Fassung oder durch sein allgemeines Fachwissen dazu veranlasst würde, diese Möglichkeit auszuschließen (unter Verweis auf T 187/91, ABl. 1994, 572). Nach Ansicht der Kammer würde der Fachmann angesichts der Angaben in der Stammanmeldung ernsthaft erwägen, auch jenseits der Untergrenze des bevorzugten Bereichs zu arbeiten. Unter diesen Umständen konnte der Bereich unmittelbar und eindeutig aus der Stammanmeldung in der eingereichten Fassung abgeleitet werden und stimmt mit dieser überein. S. auch T 1389/08 und T 205/13.
Auch in T 1389/08 befand die Kammer, dass der fachkundige Leser ernsthaft erwägen würde, den gesamten offenbarten Bereich einschließlich des weniger geeigneten Bereichs zu nutzen. Der fachkundige Leser würde weder durch die Stammanmeldung in der eingereichten Fassung noch durch sein allgemeines Fachwissen dazu veranlasst, die Möglichkeit auszuschließen, in diesem Bereich zu arbeiten.
In T 612/09 konnte sich die Kammer der Feststellung in T 1170/02 nicht anschließen, wonach die in T 2/81 (ABl. 1982, 394) entwickelten Grundsätze nicht auf Fälle anwendbar seien, in denen der Bereich aus der Kombination der Untergrenze des allgemeinen Bereichs mit der Untergrenze des bevorzugten Bereichs hervorgehe. Die Kammer in T 612/09 verwies auf den zweistufigen Ansatz in T 2/81: In einem ersten Schritt hatte die damalige Kammer festgestellt, dass die außerhalb des bevorzugten Gebiets liegenden beiden Teilbereiche (in T 612/09: 10 bis 25 mg/kg) des allgemeinen Bereichs (in T 612/09: 3 bis 75 mg/kg) dem Fachmann eindeutig und unmittelbar erkennbar waren. In einem zweiten Schritt hatte sie festgestellt, dass durch die Kombination des bevorzugten Bereichs mit dem oberen Teilbereich kein neuer Gegenstand eingeführt wird. Die Kammer in T 612/09 kam zu dem Schluss, dass nur der erste Schritt der Analyse aus T 2/81 erforderlich war, um unmittelbar und eindeutig zum beanspruchten Bereich zu gelangen. Tatsächlich waren die zwei Teilbereiche, die vor und nach dem engeren Bereich innerhalb des Ganzen lagen (eine Dosis von 3 bis 10 mg/kg und eine Dosis von 25 bis 75 mg/kg), dem Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart. S. auch T 2159/11. Die mit T 612/09 befasste Kammer konnte jedoch aus T 201/83 nicht ableiten, dass der Wert, auf dem der Unterbereich beruht, notwendigerweise in einem Beispiel offenbart sein muss.
Wie die Kammer in der Entscheidung T 113/19 erläuterte, bedeutete die Tatsache, dass das einzige Beispiel außerhalb des neuen beanspruchten Bereichs lag, nicht etwa, dass dieser Bereich nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung hergeleitet werden konnte (T 1389/08). Im vorliegenden Fall konnte der Fachmann der Anmeldung in der eingereichten Fassung entnehmen, dass die Zusammensetzungen, die (im Hinblick auf das betreffende Merkmal) mindestens einen der Untergrenze des allgemeinen Bereichs entsprechenden Wert aufwiesen, bereits die erforderliche Qualität hatten, dass aber die über der Obergrenze liegenden Zusammensetzungen noch besser waren. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass der beanspruchte Bereich, der sich auf eine ausreichende Qualität beschränkte und die bessere ausschloss, unmittelbar und eindeutig aus der Lehre der Anmeldung in der eingereichten Fassung hervorging.