2.4. Ältere Rechte – Artikel 54 (3) EPÜ
In Art. 153 (5) EPÜ wird ausgeführt, dass die Euro-PCT-Anmeldung als europäische Patentanmeldung als Stand der Technik nach Art. 54 (3) EPÜ gilt, wenn die in Art. 153 (3) oder (4) EPÜ und in der Ausführungsordnung festgelegten Erfordernisse erfüllt sind.
Nach R. 165 EPÜ gilt eine Euro-PCT-Anmeldung als Stand der Technik nach Art. 54 (3) EPÜ, wenn die in Art. 153 (3) oder (4) EPÜ festgelegten Voraussetzungen (Veröffentlichung der internationalen Anmeldung oder ihrer Übersetzung) erfüllt sind und die Anmeldegebühr nach R. 159 (1) c) EPÜ entrichtet worden ist. Ist die Anmeldegebühr für die kollidierende Anmeldung bezahlt, gilt diese somit als Anmeldung nach Art. 54 (3) EPÜ EPÜ.
Nach dem früheren Art. 158 (2) EPÜ 1973 galt eine Euro-PCT-Anmeldung als Anmeldung nach Art. 54 (3) EPÜ EPÜ, sobald (gegebenenfalls) eine Übersetzung eingereicht und die nationale Gebühr entrichtet worden war.
In T 404/93 war die europäische Patentanmeldung mit Rücksicht auf eine ältere internationale Anmeldung, die erst nach dem Anmeldetag der europäischen Anmeldung veröffentlicht worden war, auf die Vertragsstaaten Italien (IT), Niederlande (NL) und Schweden (SE) beschränkt worden. Die Kammer stellte fest, dass in der älteren PCT-Anmeldung mehrere EPÜ-Vertragsstaaten, darunter auch IT, NL und SE, für ein europäisches Patent benannt waren. Da jedoch bei Eintritt der älteren Anmeldung in die europäische Phase keine Benennungsgebühren für IT, NL und SE entrichtet worden waren, entschied die Kammer, dass diese Anmeldung für IT, NL und SE nicht als Stand der Technik im Sinne des Art. 54 (3) EPÜ 1973 galt (s. auch T 623/93).
In T 622/91 beantragte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents für alle benannten Vertragsstaaten. Der Vertragsstaat Frankreich (FR) war sowohl in zwei älteren internationalen Anmeldungen als auch im europäischen Patent benannt. Die Kammer stellte fest, dass die Erfordernisse des Art. 158 (2) EPÜ 1973 (jetzt Art. 153 (3) und (4) EPÜ und R. 159 EPÜ) erfüllt waren, und vertrat die Auffassung, dass die internationalen Anmeldungen gemäß Art. 54 (3) und 158 (1) EPÜ 1973 (jetzt Art. 153 (5) EPÜ) als für das streitige Patent maßgeblicher Stand der Technik galten. Die Kammer wandte sich dann der Prüfung des Anspruchs 1 des Hauptantrags zu und stellte fest, dass die früheren Anmeldungen insoweit neuheitsschädlich seien, als FR benannt sei.
In T 1010/07 stellte die Kammer fest, dass E4, die zur Frage der erfinderischen Tätigkeit entgegengehalten wurde, eine Veröffentlichung nach Art. 158 (3) EPÜ 1973 war, d. h. die Veröffentlichung einer dem EPA unter Art. 158 (2) EPÜ 1973 zugeleiteten Übersetzung in einer Amtssprache (Englisch) von einer internationalen Anmeldung, die selbst nicht in einer Amtssprache (nämlich in Japanisch) veröffentlicht wurde. Im vorliegenden Fall wurde E4 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents veröffentlicht. Obwohl eine Übersetzung nach Art. 158 (2) EPÜ 1973 vom EPA nicht überprüft wird, wird davon ausgegangen, dass ihr Inhalt mit dem der veröffentlichten internationalen Anmeldung übereinstimmt, s. hierzu z. B. T 605/93. Nur sofern begründete Zweifel vorliegen, dass diese Annahme in einem bestimmten Fall nicht zutrifft, muss auf diese Frage, gegebenenfalls durch Vorlage von Beweisen, eingegangen werden. Somit gehörte E4 als inhaltlich identische Übersetzung zum Stand der Technik.