1.9. Zwischenverallgemeinerungen
In der Entscheidung T 1408/04 war im geänderten Anspruch 1 aus der weiten Bandbreite an für die Ober- und die Unterschicht infrage kommenden Strukturen, die unter den Anspruch 1 in der erteilten Fassung fielen, eine spezifische Auswahl getroffen worden. Zur Vermeidung einer Zwischenverallgemeinerung (d. h. einer nicht offenbarten Kombination von ausgewählten Merkmalen, die irgendwo zwischen einer ursprünglichen breiten Offenbarung und einer beschränkteren spezifischen Offenbarung liege) müssten alle unabdingbaren Merkmale der speziellen Auswahl in den Anspruch aufgenommen werden. Die Auswahl gehe vorliegend auf die Zeichnungen zurück, in denen indessen auch eine besondere (wenn auch weit verbreitete) Art der Verbindung von Ober- und Unterschicht dargestellt sei. Diese besondere Verbindung fehle im Anspruch jedoch. Daher liege eine Zwischenverallgemeinerung vor. Zitiert z. B. in T 163/13.
In T 448/16 betonte die Kammer, dass die Idee des hinzugefügten Merkmals f zumindest implizit in der Stammanmeldung als eine Lehre offenbart sein musste, die der Fachmann sofort als so deutlich und eigenständig erkennen würde, dass sie isoliert in den Anspruch 1 eingefügt werden konnte. Die Kammer glaubte nicht, dass der Fachmann das betreffende Merkmal ohne vorherige Kenntnis dessen, wonach er suchte, sofort als deutlichen und eigenständigen Aspekt der Ausführungsform identifizieren würde, von der es isoliert wurde.
In T 1365/16 befand die Kammer, dass die Frage, ob und wie der Fachmann die Ausführungsform der Abbildung 8 verallgemeinern würde, weder inhärent noch implizit aus der Offenbarung in der eingereichten Fassung hervorging, sondern (wenn überhaupt) Fragen des Naheliegens betraf. Dies war jedoch keine ausreichende Grundlage für die Vereinbarkeit mit Art. 123 (2) EPÜ (G 2/10, ABl. 2012, 376). Nach Auffassung der Kammer waren insbesondere die Erwägungen aus T 1538/12 (zu allgemeinen Aussagen am Ende der Beschreibung, die es dem fachkundigen Leser überließen, herauszufinden, welche Merkmalskombinationen aus den detaillierten Ausführungsbeispielen zusammen beansprucht werden könnten) für die allgemeine Aussage entsprechend anzuwenden, dass die Erfindung ebenfalls für symmetrische Schlüsselvereinbarungsprotokolle genutzt werden konnte.
Zu weiteren Beispielen für unzulässige Zwischenverallgemeinerungen s. T 1004/01 (zusammengefasst im Kapitel II.E.1.5.2 "Festlegung eines Bereichs durch Isolierung eines Werts aus einem Beispiel"), T 166/04 (Merkmal weggelassen, obwohl seine Funktion als wesentlich für das Erreichen des gewünschten Ergebnisses dargestellt wurde), T 191/04 (kein Hinweis für den fachkundigen Leser, dass der beanspruchte Roboter ohne Vorliegen eines weiteren Merkmals mit einer Melkbox verbunden werden konnte), T 200/04 (kein Hinweis in der Beschreibung, dass die – im Vergleich zu den Beispielen – im Anspruch weggelassenen Merkmale nicht wesentlich waren), T 1164/04 (isoliertes Merkmal nur in Kombination mit anderen Merkmalen offenbart), T 911/06 (Weglassen eines Merkmals, das in der Anmeldung durchgängig als für eine bestimmte Funktion notwendig dargestellt wird), T 273/10 (kein Hinweis in der Anmeldung in der eingereichten Fassung, dass die weggelassenen Merkmale unnötig oder fakultativ waren oder dass sie durch andere technisch äquivalente Mittel ersetzt werden konnten), T 775/17 (isoliertes Merkmal war untrennbar mit den anderen im entsprechenden Beispiel definierten Merkmalen verknüpft).