4.2.2 Zweite und dritte Stufe des Konvergenzansatzes: Änderungen des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 (1) und (2) VOBK 2020
Im Ex-parte-Fall T 1775/18 argumentierte der Beschwerdeführer, dass die Einführung eines Merkmals aus einem abhängigen Anspruch in einen unabhängigen Anspruch keine Änderung seines Vorbringens war, was gemäß Art. 13 (2) VOBK 2020 das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erfordert, für die stichhaltige Gründe aufgezeigt werden müssen. Eine solche Änderung komme nicht überraschend, da abhängige Ansprüche dazu bestimmt seien, Rückzugspositionen zu definieren. Zudem sei der betreffende abhängige Anspruch Teil der angefochtenen Entscheidung, da er von der Prüfungsabteilung in einem obiter dictum erörtert worden sei. Die Kammer stimmte dem nicht zu. Auch wenn es zutreffe, dass abhängige Ansprüche Rückzugspositionen für bestimmte Zwecke definierten, könnten sie in Verfahren des EPA nicht mit Hilfsanträgen gleichgesetzt werden. Art. 113 (2) EPÜ verlange, dass sich das EPA bei der Entscheidung über eine Anmeldung an die vom Anmelder vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat. Dies bedeute, so die Kammer, dass es in der Verantwortung des Anmelders liege, eine (geänderte) Fassung der Anmeldungsunterlagen vorzulegen, die voll und ganz den Anforderungen des EPÜ entspreche. Im Interesse der Verfahrenseffizienz setze die VOBK Grenzen dafür, wann solche Änderungen in Beschwerdeverfahren noch eingereicht werden können.
T 312/19 betraf einen neuen Hilfsantrag (6bis), der während der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde und mit dem der Gegenstand von zwei Hilfsanträgen kombiniert wurde. Die Kammer wies das Argument des Beschwerdegegners (Patentinhabers) zurück, der neue Antrag füge der Diskussion nichts Neues hinzu, der erörterte Gegenstand sei bereits Bestandteil seines Beschwerdevorbringens, lediglich nicht ein und desselben Antrags, und er habe, indem er nicht alle erdenklichen Kombinationen der unabhängigen Ansprüche eingereicht habe, die Vorlage einer erdrückenden Zahl von Anträgen vermieden. Die Kammer befand allerdings, dass der neue Hilfsantrag eine Änderung des Beschwerdevorbringens des Beschwerdegegners darstellte, da der Antrag bis zur mündlichen Verhandlung zu keiner Zeit Teil des Beschwerdeverfahrens war. Die Kammer wies zudem darauf hin, dass in dem neuen Antrag zwei unabhängige Ansprüche von zwei verschiedenen Anträgen kombiniert wurden und dieser somit eine neue Rückfallposition des Beschwerdegegners darstellte.