4.1.2 Technische Wirkung von der technischen Lehre der Anmeldungsunterlagen umfasst und tatsächlich nachgewiesen/erzielt
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
In T 116/18 vom 28. Juli 2023 stellte die Kammer fest, dass bei der Entscheidung, ob eine behauptete technische Wirkung für die erfinderische Tätigkeit herangezogen werden kann, die von der Großen Beschwerdekammer in Nr. 2 der Entscheidungsformel von G 2/21 definierten Erfordernisse anzuwenden seien, und nicht einfach beliebige, in der bisherigen Plausibilitätsrechtsprechung entwickelte Grundsätze. Unter Auslegung der in G 2/21 dargelegten Rechtsgrundsätze kam die Kammer zu dem Schluss, dass Nr. 2 der Entscheidungsformel zwei gesonderte Erfordernisse enthalte, die beide erfüllt sein müssten, damit eine technische Wirkung geltend gemacht werden könne: die Wirkung müsse i) "von der technischen Lehre umfasst" und ii) "von derselben ursprünglich offenbarten Erfindung verkörpert" werden (s. auch T 1989/19). Zur Erfüllung des Erfordernisses i), so die Kammer, "müsse die behauptete technische Wirkung zusammen mit dem beanspruchten Gegenstand nur konzeptuell von der breitesten technischen Lehre der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung umfasst sein". Erfordernis ii) sei erfüllt, "es sei denn, der Fachmann, ausgehend vom allgemeinen Fachwissen am Anmeldetag und auf der Grundlage der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, hätte berechtigte Gründe zu bezweifeln, dass sich die behauptete technische Wirkung mit dem beanspruchten Gegenstand erzielen lässt." Die Kammer kam zu dem Schluss, dass zur Erfüllung des Erfordernisses ii) ein experimenteller Nachweis der behaupteten technischen Wirkung oder eine positive verbale Erklärung in der Anmeldung in der eingereichten Fassung nicht unbedingt notwendig sei.
In T 1203/19 war zwischen den Beteiligten strittig, ob die mit den Unterscheidungsmerkmalen nach Anspruch 13 (onkolytisches Adenovirus) verbundene technische Wirkung der ursprünglich eingereichten Anmeldung zu entnehmen war. Die Kammer befand, dass die von Dokument (6) ausgehende zu lösende technische Aufgabe die Bereitstellung eines onkolytischen Adenovirus mit verbesserter antitumoraler Wirksamkeit ist. Wie das nachveröffentlichte Dokument (21) zeigt, weist ein Adenovirus mit Merkmalen des Anspruchs 13 (VCN-01) eine verbesserte antitumorale Aktivität gegenüber dem in Dokument (6) beschriebenen Adenovirus auf. Folglich wird die Aufgabe durch das onkolytische Adenovirus des Anspruchs 13 gelöst.
In T 2465/19 erklärte die Kammer mit Verweis auf den Leitsatz II der G 2/21, dass die technische Wirkung einer Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik in der Anmeldung nicht ausdrücklich genannt werden muss, solange sie aus der ursprünglichen Anmeldung herleitbar ist, insbesondere weil der nächstliegende Stand der Technik dem Anmelder bei der Abfassung vielleicht noch gar nicht bekannt war (s. auch die frühere Rechtsprechung, u. a. T 861/08, T 716/08).
In T 681/21 unterschied sich die Formulierung der technischen Wirkung von der im Patent angegebenen. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die behauptete synergistische Wirkung vom Fachmann nicht als von der technischen Lehre der Anmeldung in der eingereichten Fassung umfasst angesehen worden wäre und unberücksichtigt bleiben müsse.
In T 1446/21 stellte die Kammer fest, dass ein Fachmann nicht zu dem Schluss gelangen würde, dass die angeblich verbesserten Schäumeigenschaften von der technischen Lehre umfasst und von derselben ursprünglich offenbarten Erfindung verkörpert würden. Somit könne sich der Beschwerdegegner im vorliegenden Fall nicht auf verbesserte Schäumeigenschaften stützen, wobei es sich ohnehin lediglich um eine unbegründete Behauptung handle, die durch keinerlei Beweismittel gestützt sei.
Viele der Entscheidungen, die die Frage der Stützung auf eine behauptete technische Wirkung bei der Beurteilung, ob der beanspruchte Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit aufweist, behandeln, befassen sich auch mit nachveröffentlichten Beweismitteln und der Frage, ob die technische Aufgabe glaubhaft/tatsächlich gelöst wurde und welche Rolle nachveröffentlichte Beweismittel dabei spielen könnten. Der Großteil der Rechtsprechung betreffend die Stützung auf eine technische Wirkung zum Nachweis erfinderischer Tätigkeit ist in Kapitel I.D.4.3.3. "Nachveröffentlichte Beweismittel und Stützung auf eine behauptete technische Wirkung zum Nachweis erfinderischer Tätigkeit ("Plausibilität")" dargelegt.
- T 1994/22
Zusammenfassung
In T 1994/22 the respondent (patent proprietor) inter alia had relied on post-published data D32 and submitted that Form II (according to claim 1 of the main request) as claimed had an improved photostability over Form III (comparative).
The respondent relied on the statements made in T 116/18 as regards G 2/21 and submitted that referring to the provision of a novel crystal of compound A (selexipag) and to a pharmaceutical product of "high quality for which constant effect can always be shown and a form which is handled easily industrially", the skilled person would have understood that the effect of improved photostability was implied by or at least related to the technical problem initially suggested in the originally filed application. Therefore, requirement (i) [in T 116/18], as encompassed by the technical teaching, was met. Furthermore, the respondent claimed the skilled person would not have had any legitimate reason to doubt that the improved photostability could be achieved with the claimed polymorphic form of selexipag. Therefore, requirement (ii) [in T 116/18], as embodied by the same originally disclosed invention, was also met in the present case.
In line with T 116/18, the board in the present case acknowledged that the mere fact that photostability or improved photostability was not contained in terms of a positive verbal statement in the application as filed and that the application as filed did not contain any data as regards photostability, as such, did not imply that the effect of improved photostability could not be relied on in terms of G 2/21 or T 116/18.
However, the board did not consider such a sweeping statement regarding "high quality" and "easy industrial handleability", which covers a plethora of potential advantageous properties, to encompass photostability, let alone improved photostability. If such a sweeping statement were sufficient, a reference to high quality would be sufficient to invoke whatever technical effect as being encompassed by an application as filed in the sense of G 2/21. This would essentially render the first criterion of order no. 2 of G 2/21 meaningless. In the present case, the application as filed was in fact directed to particle size, residual solvent content and amount of impurities, properties which are entirely unrelated to photostability. Therefore, based on these properties, having the common general knowledge in mind, the skilled person would by no means have recognised that (improved) photostability was relevant to the claimed subject-matter. Going from these specific properties to the effect of photostability would also clearly change the nature of the invention, contrary to what is required by T 116/18. Hence, the board found the effect of photostability was not encompassed by the teaching of the application as filed.
Furthermore, even if it were wrongly concluded in the respondent's favour that the technical teaching of the application as filed were to encompass photostability in the sense of T 116/18, it would not do so "together with the claimed subject-matter", as required by this decision.
The respondent submitted during the oral proceedings that the present case was also in line with T 1989/19 and that it was not a requirement that the application as filed disclosed improved photostability. In that case, the board held that once the criterion of the derivability of a technical effect in the sense of G 2/21 was fulfilled, this applied equally to the improvement in this effect. The board agreed with the view expressed in T 1989/19; however in the present case, photostability was not encompassed and thus not derivable from the teaching of the application as filed in the sense of G 2/21. Furthermore, unlike in T 1989/19, the application as filed in the present case referred to three polymorphic forms in equal terms, and the present case was not one in which the purported improvement was asserted to be present for the subject-matter of the application as filed over the subject-matter disclosed in the prior art.
It followed that improved photostability of Form II as demonstrated in D32 could not be taken into account in the assessment of the technical effects achieved by the distinguishing feature.