4.4.6 Ermessen nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 – neue Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel
In T 1203/16 reichte der Beschwerdeführer (Einsprechende) in Reaktion auf die vorläufige Einschätzung der Kammer einen neuen Einwand wegen mangelnder Offenbarung und eine neue Angriffslinie gegen die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des erteilten Patents basierend auf einem bereits im Einspruchsverfahren berücksichtigten Dokument ein. Zudem reichte der Beschwerdeführer fünf Tage vor der mündlichen Verhandlung ein neues Dokument ein und argumentierte gegen die Neuheit des Gegenstands des erteilten Anspruchs 1. Als Rechtfertigung für diese späten Änderungen an seinem Vorbringen führte der Beschwerdeführer (Einsprechende) lediglich an, dass die neuen Angriffslinien relevant seien, um die Patentierbarkeit des angefochtenen Patents zu beurteilen und um die Aufrechterhaltung eines Patents zu verhindern, das die nötigen Erfordernisse des EPÜ nicht erfülle. Die Kammer betonte, dass eine solche Rechtfertigung nicht ausreichend war, da dies in Einspruchsverfahren aus Sicht des Einsprechenden immer der Fall sei. Diese neuen Angriffslinien hätten davor eingebracht werden können und müssen. Darüber hinaus befand die Kammer, dass es dem Leitprinzip der Verfahrensordnung, wonach in Beschwerdeverfahren das Vorbringen der Beteiligten sehr frühzeitig vollständig sein sollte, in jeder Hinsicht zuwiderläuft, wenn mit der Vorlage weiterer Beweismittel und Angriffslinien abgewartet wird, bis die vorläufige Einschätzung der Kammer nach Art. 15 (1) VOBK 2007 vorliegt. Zudem würde, sollte das neue Dokument zugelassen werden, die notwendige Verlegung Art. 15 (6) VOBK 2020 zuwiderlaufen. Die Kammer entschied daher in Ausübung ihres Ermessens, die neuen Angriffslinien und das entsprechende Dokument nach Art. 12 (4) VOBK 2007, Art. 13 (1) VOBK 2020 sowie Art. 13 (1) und (3) VOBK 2007 nicht ins Verfahren zuzulassen.