8. Der Fachmann
In T 1043/98 betraf das Patent einen aufblasbaren Gassack für ein Rückhaltesystem in Fahrzeugen, wobei ein Teil des Gassacks keulenförmig und der andere allgemein schmetterlingsförmig war. Der Beschwerdeführer war der Auffassung, dass der Fachmann ohne Weiteres zum beanspruchten Gassack kommen würde, indem er den ihm geläufigen Aufbau eines Tennisballs bzw. Baseballs übernehme. Damit stellte sich für die Beschwerdekammer die Frage der Übernahme von Merkmalen oder Lösungsprinzipien aus fachfremden Gegenständen, die aber als "Gegenstände des täglichen Lebens" anzusehen sind.
Schon in T 397/87 wies die Kammer darauf hin, dass es unverständlich sei, wieso ein Fachmann, der um die Lösung einer keineswegs trivialen Aufgabe bemüht war, von einfachen Vorbildern aus dem täglichen Leben, die keinen Bezug zur Aufgabe haben, zum erfindungsgemäßen Verfahren hingeführt worden sein sollte. Auch in T 349/96 war es für die Kammer nicht nachvollziehbar, wie die Tatsache, dass im täglichen Leben unterschiedliche Transportbehältnisse für Bierflaschen in Gebrauch sind, den Fachmann zu der Erfindung einer Spinn-/Spulmaschinenkombination mit einem integrierten Transport-System anregen soll, wenn dies nicht einmal die Vielzahl der zitierten Entgegenhaltungen aus dem einschlägigen Fachgebiet vermag (so auch T 234/91).
In T 234/96 hingegen folgte die Kammer der Ansicht der Prüfungsabteilung, dass der Fachmann bei der praktischen Durchführung der Motorisierung der Waschmittelschublade das Vorbild der zum Zeitpunkt der Anmeldung jedermann bekannten elektromotorisch auf Knopfdruck betätigbaren Disk-Schubladen von CD-Spielern vor Augen hatte und dadurch zum Gegenstand des Anspruchs 1 angeregt wurde. Die Tatsache, dass Waschmaschinen und CD-Spieler an sich Gegenstände unterschiedlicher Natur und Zielsetzung sind, kann nach Ansicht der Kammer den mit der Konstruktion von Waschmaschinen befassten Fachmann nicht davon abhalten, das grundsätzliche Prinzip der automatischen Schubladenbewegung an CD-Spielern auch bei einer Waschmittelschublade in Betracht zu ziehen.
Bei einem Vergleich der oben genannten Entscheidungen kam die Kammer in T 1043/98 zu dem Ergebnis, dass es bei der Beurteilung der Relevanz fachfremder "Gegenstände des täglichen Lebens" zur Frage der erfinderischen Tätigkeit maßgebend auf die Umstände des Einzelfalls ankomme. Die Kammer ging davon aus, dass es unter den für die Entwicklung der infrage kommenden Gassäcke zuständigen Fachleuten auch solche gibt, die Tennis oder Baseball spielen. Sie konnte sich jedoch nicht der Auffassung des Beschwerdeführers anschließen, dass ein Fachmann durch seine eventuellen Kenntnisse über die Ballkonstruktion eines Tennis- oder Baseballs bei der Lösung der Aufgabe leiten ließe. Der wesentliche Grund hierfür liege in der Tatsache, dass die angestrebte Form des Gassacks nicht kugelig sei, sondern deutlich davon abweichen solle. Es müsse daher als unwahrscheinlich gelten, dass der Fachmann ausgerechnet einen Gegenstand als gedankliche Grundlage seines Entwicklungskonzepts auswählen würde, der den Inbegriff einer Kugelform schlechthin verkörpere (s. dazu auch T 477/96; wobei die Kammer auch zu dem Ergebnis kam, dass die Erfahrung aus dem täglichen Leben für das technische Gebiet der Erfindung nicht relevant sei).