1. Zustellungsarten
2015 wurde in R. 126 EPÜ sowie in den R. 125 (2) EPÜ und R. 133 (1) EPÜ der Begriff "Post" durch "Postdienste" bzw. "Postdiensteanbieter" ersetzt. Damit steht es dem Amt frei, jeden Postdiensteanbieter zu wählen, den es für die Zustellung geeignet erachtet.
Angesichts der niedrigen Rücklaufquote von Lieferscheinen und des erheblichen Verwaltungsaufwands, der mit ihrer Bearbeitung verbunden ist, wurde R. 126(1) EPÜ geändert durch den Verwaltungsratsbeschluss CA/D 2/19 (ABl. 2019, A31), um die Verpflichtung zur Zustellung per Einschreiben mit Rückschein abzuschaffen. Entscheidungen, die eine Beschwerdefrist oder eine Frist für einen Antrag auf Überprüfung in Lauf setzen, Ladungen und Bescheide oder andere Mitteilungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, müssen stattdessen durch eingeschriebenen Brief zugestellt werden, sofern dies nicht elektronisch geschieht. Die geänderte R. 126(1) EPÜ ist am 1. November 2019 in Kraft treten.
In T 1693/13 hatte das Amt schon vor dem Inkrafttreten der geänderten R. 126 EPÜ die Entscheidung per UPS-Kurierdienst zugestellt. Die Kammer entschied daher, dass die Beschwerdeführerin davon ausgehen konnte, dass der UPS-Kurierdienst als Post im Sinne der R. 126 EPÜ a. F. betrachtet wurde und in Bezug auf die Berechnung der Beschwerdefrist gemäß R. 126 EPÜ a. F. zwischen einer per Post versandten Entscheidung und einer per UPS-Kurierdienst versandten Entscheidung kein Unterschied gemacht werde. In G 1/14 (ABl. 2016, A95) vertrat die Große Beschwerdekammer dagegen die Ansicht, dass R. 126 (1) EPÜ a. F. ausschließlich für die Zustellung durch die Post mittels "eingeschriebenen Brief mit Rückschein" galt und nicht für eine Zustellung auf einem anderen Weg (im vorliegenden Fall per UPS). S. auch Kapitel V.B.2.3.3.
In J 9/96 stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass die Zustellung eines Bescheids, der gemäß R. 78 (2) EPÜ 1973 (zum 1.1.1999 entfallen) als gewöhnlicher Brief aufgegeben wurde, mit der Aufgabe zur Post als bewirkt anzusehen ist. Erreicht der Bescheid den Empfänger jedoch nicht und wird nicht an das EPA zurückgeschickt, so kann die Zustellungsfiktion nur dann aufrechterhalten werden, wenn das EPA nachweisen kann, dass es den Bescheid ordnungsgemäß aufgegeben hat (s. auch J 27/97 und J 32/97). Zur Frage der Beweislastverteilung und Risikosphären bei Zustellungsmängeln s. dieses Kapitel III.S.4.
In T 1596/14 hielt die Kammer in einem obiter dictum fest, dass es keinerlei Beweis oder Indiz dafür gab, dass die angebliche Ungleichbehandlung der Parteien durch die an verschiedenen Tagen erfolgte Zustellung derselben Entscheidung den Interessen einer Partei abträglich gewesen wäre. Es ergaben sich keinerlei Konsequenzen für die Zulässigkeit der Beschwerden oder für den ordnungsgemäßen Verlauf des anschließenden Beschwerdeverfahrens. Die Kammer stellte fest, dass das EPÜ keine besondere Sanktion oder Abhilfe für diese Situation vorsieht; sie konnte in dem Vorschlag des Beschwerdeführers I, die Entscheidung mit einem neuen gemeinsamen Zustellungsdatum nochmals zu versenden, schwerlich eine Lösung erkennen, da die Parteien ja bereits über die jeweils gegnerischen Argumente im Bilde waren.