6.5.6 Feststellung des technischen Charakters
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In T 1177/97 war Anspruch 1 auf ein Verfahren zur Übersetzung zwischen natürlichen Sprachen gerichtet; dementsprechend wurden darin verschiedene sprachwissenschaftliche Fachwörter verwendet und sprachliche Aspekte des Übersetzungsprozesses behandelt. Die Kammer warf die Frage auf, ob derartige sprachwissenschaftliche Begriffe und Verfahren überhaupt Bestandteil einer technischen Erfindung sein können. Sie verwies auf die Rechtsprechung des EPA, die zahlreiche Beispiele dafür enthielt, dass auch die Automatisierung derartiger Verfahren nicht das Fehlen des technischen Charakters wettmachen kann (z. B. T 52/85). Andererseits wurden kodierte Informationen in einzelnen Fällen als patentfähiger Gegenstand angesehen u. a. in T 163/85 (ABl. 1990, 379), T 769/92 (ABl. 1995, 525) und T 1194/97 (ABl. 2000, 525). Wie die Kammer bekräftigte, ist es nach dieser Rechtsprechung offenbar unstrittig, dass die Verwendung einer Information in einem technischen System oder ihre diesbezügliche Verwendbarkeit der Information selbst technischen Charakter verleihen kann, insoweit als diese die Eigenschaften des technischen Systems widerspiegelt, z. B. dadurch, dass sie besonders formatiert und/oder verarbeitet ist. Eine derartige Information kann, wenn sie in dem technischen System verwendet oder verarbeitet wird, Bestandteil der technischen Lösung einer technischen Aufgabe sein und somit zur Grundlage für einen technischen Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik werden.
Was den technischen Charakter betrifft, unterstrich die Kammer, dass es unerheblich sein sollte, ob die Information von einem herkömmlichen Computer oder einem anderen herkömmlichen Informationsverarbeitungsgerät verwendet oder verarbeitet wurde, denn der Umstand, dass ein solches Gerät ein gängiger Artikel des täglichen Gebrauchs geworden ist, beraubt ihn nicht seines technischen Charakters, ebenso wie ein Hammer weiterhin als technisches Werkzeug zu gelten hat, auch wenn sein Gebrauch seit Jahrtausenden bekannt ist. Die Kammer gelangte mithin zu dem Schluss, dass sprachwissenschaftliche Informationen und Verfahren grundsätzlich einen technischen Charakter erlangen können, wenn sie in einem Computersystem verwendet werden und zum Bestandteil der Lösung einer technischen Aufgabe werden. Die Umsetzung einer Funktion in einem Computersystem schließt stets – zumindest implizit – technische Überlegungen ein und kommt im Wesentlichen einer Funktionsausweitung eines technischen Systems gleich. In ähnlicher Weise erfordert die Umsetzung der sprachwissenschaftlichen Informationen und Verfahren in einem computergestützten Übersetzungsverfahren technische Überlegungen und ordnet somit an sich nichttechnischen Dingen wie Wörterbüchern, Wortentsprechungen oder der Übersetzung zusammengesetzter Ausdrücke in einen gleichbedeutenden Begriff einen technischen Aspekt zu. Merkmale oder Aspekte des Verfahrens, die nur Besonderheiten des Gebiets der Sprachwissenschaft widerspiegeln, sind jedoch bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Acht zu lassen.
In T 115/85 (ABl. 1990, 30) ging es um ein Verfahren zur optischen Darstellung einer aus mehreren Wörtern bestehenden Meldung aus einem Satz vorgegebener Meldungen, wobei jede Meldung ein konkretes Ereignis betraf, das in einer Ein-/Ausgabe-Vorrichtung einer Textverarbeitungsanlage vorkommen konnte, die außerdem eine Tastatur, eine Anzeige und einen Speicher umfasste. Die Kammer stellte fest, dass die automatische visuelle Anzeige der in einer Vorrichtung oder Anlage herrschenden Bedingungen in der Regel eine technische Aufgabe darstellt. Die Anmeldung schlug vor, ein solches technisches Problem durch den Einsatz eines Computerprogramms und bestimmter in einem Speicher enthaltener Tabellen zu lösen. Die Kammer wandte die in der Entscheidung T 208/84 entwickelten Grundsätze an und stellte fest, dass eine Erfindung, die nach den herkömmlichen Patentierbarkeitskriterien patentierbar wäre, nicht allein deshalb vom Schutz ausgeschlossen werden sollte, weil zu ihrer Ausführung moderne technische Mittel etwa in Form eines Computerprogramms eingesetzt würden. Daraus dürfe jedoch nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass ein Computerprogramm in jedem Fall als technisches Mittel zu betrachten sei. Die Kammer gelangte zu der Schlussfolgerung, dass der hier in funktionellen Merkmalen ausgedrückte Gegenstand des Anspruchs nicht aufgrund des Art. 52 (2) c) und (3) EPÜ 1973 vom Patentschutz ausgeschlossen sei (s. auch T 790/92).