7.3. Rücknahme der Beschwerde
Verfahrenserklärungen können mit der Maßgabe abgegeben werden, dass bestimmte Bedingungen erfüllt sind, solange ein Verfahren bereits anhängig ist (J 16/94, T 854/02) und diese Bedingungen keine Tatsachen außerhalb des Verfahrens betreffen (T 502/02). Während also eine bedingte Beschwerde nicht möglich ist, ist die bedingte Rücknahme einer Beschwerde unter Umständen zulässig (T 6/92, T 304/99). Die Rücknahme einer Beschwerde kann aber nur wirksam werden, wenn die Beschwerde noch anhängig ist (T 1402/13 vom 25. Februar 2016 date: 2016-02-25).
Hat ein Beschwerdeführer seine Beschwerde eindeutig zurückgenommen, so kann das Beschwerdeverfahren ohne schriftliche begründete Entscheidung abgeschlossen werden, auch wenn der Beschwerdeführer mit der Zurücknahmeerklärung einen eindeutig unzulässigen Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr eingereicht hat (T 1142/04).
- T 419/21
Zusammenfassung
In T 419/21 erklärte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) die Rücknahme der Beschwerde mit folgender Bedingung: "...namens und in Vertretung der Beschwerdeführenden (sic) Anmelderin wird die vorliegende Beschwerde T 0419/21- 3.5.02 zurückgenommen, sofern nicht
- die Jahresgebühr für das sechste (6.) Jahr (= EPA-Gebühren-Code 036) sowie
- die Zuschlagsgebühr zur Jahresgebühr für das sechste (6.) Jahr (= EPA-Gebühren-Code 096) wirksam entrichtet sind."
Die Kammer erläuterte, dass die Beschwerdeführerin das Beschwerdeverfahren nicht rechtswirksam durch die Erklärung der Beschwerderücknahme beendet hatte, da diese unter einer unzulässigen Bedingung erfolgte und nicht eindeutig war. Generell sei nämlich anerkannt, dass Verfahrenserklärungen, von denen abhängt, ob ein Verfahren einzuleiten oder fortzusetzen ist, im Interesse der Rechtssicherheit nicht an Bedingungen geknüpft sein dürfen, wenn dadurch offen bliebe, ob das Europäische Patentamt das Verfahren fortsetzen kann. Dies gelte insbesondere, wenn Dritte über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde nach Art. 106 (1) Satz 2 EPÜ im Unklaren bleiben würden. Sinn und Zweck einer Beschwerderücknahme sei es zudem, das Beschwerdeverfahren unmittelbar und ohne weiteren Prüfungsaufwand der Kammer zu beenden. Im Gegenzug werde der Beschwerdeführerin die entrichtete Beschwerdegebühr nach R. 103 EPÜ ganz oder teilweise erstattet. Dem würde es nach Ansicht der Kammer zuwiderlaufen, wenn sie aufgrund der bedingten Erklärung erst prüfen müsste, ob für die für eine bedingte Rücknahmeerklärung maßgeblichen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände eingetreten sind. Es wäre auch nicht gerechtfertigt, eine etwaige unzureichende Abstimmung zwischen Anmelder und Mandanten und die daraus resultierende Unklarheit über erfolgte Gebührenzahlungen auf das Beschwerdeverfahren zu übertragen und die nicht erfüllten Abstimmungs- und Prüfungspflichten auf die Beschwerdekammer zu verlagern, um die Erstattung der Beschwerdegebühr zu ermöglichen. Dadurch würde die Kammer mit Prüfungspflichten belastet, die in den originären Verantwortungsbereich des Anmelders fallen, und es würde ohne rechtfertigenden Grund eine unklare Rechtssituation zu Lasten Dritter geschaffen. Auch im Falle der von der Beschwerdeführerin angeführten Gebührenzahlung durch Dritte bestehe insoweit kein schutzwürdiges Interesse des Anmelders, da die Zahlung von Gebühren originär in seinen Verantwortungsbereich falle. Unterlasse es der Anmelder, selbst oder durch seine Vertreter entsprechende Zahlungen (rechtzeitig) zu veranlassen, so könne er entweder auf Zahlungen durch Dritte vertrauen oder seine Beschwerde (unbedingt und eindeutig) zurücknehmen, um die Beschwerdegebühr erstattet zu bekommen.
Eine bedingte Beschwerderücknahme sei demnach rechtlich nicht wirksam, wenn dadurch zunächst offenbleibt, ob das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden kann.
Ungeachtet der grundsätzlichen Problematik einer bedingten Beschwerderücknahme war die Rücknahmeerklärung der Beschwerdeführerin vorliegend nach Auffassung der Kammer auch deshalb nicht wirksam, weil sie unklar war. Die Abgabe einer verfahrensbeendenden Erklärung unter einer Bedingung, die nicht eindeutig ist, könne keine Rechtswirkungen entfalten. Die Beschwerdeführerin hatte ihre Rücknahmeerklärung an die wirksame Entrichtung der 6. Jahresgebühr und der Zuschlagsgebühr geknüpft. Die Formulierung "wirksam entrichtet sind" war jedoch unklar, denn, so die Kammer, es war nicht eindeutig erkennbar, ob die Rücknahmeerklärung unter der Bedingung stehen sollte, dass die Gebühren nicht bereits vor Eingang des Schriftsatzes vom 31. Januar 2023 gezahlt worden waren, oder ob auch eine Zahlung nach Eingang dieses Schriftsatzes, aber vor Ablauf der in R. 51 (2) EPÜ geregelten Frist, der Rücknahme entgegenstehen sollte. Zudem war auch nicht eindeutig erkennbar, ob allein auf die tatsächliche fristgerechte Einzahlung abgestellt werden sollte oder auf eine verfahrensabschließende Feststellung der (Un-)Wirksamkeit in einem Verfahren nach R. 112 (2) EPÜ, Art. 122 EPÜ oder Art. 7 (3) und (4) GebO.
Und schließlich war die Erklärung der Beschwerderücknahme nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht wirksam, weil sie unter einer Bedingung erfolgt war, die nicht rein innerprozessualer Art war. Die Kammer bestätigte die Rechtsprechung, wonach die Erklärung der Beschwerderücknahme unter einer Bedingung, die es erforderlich macht, Fragen zu prüfen, die nicht Bestandteil des eigentlichen Beschwerdeverfahrens sind, nicht wirksam ist.