3.3. Zulässigkeitsbedingungen nach Artikel 134 (8) EPÜ
In G 3/99 (ABl. 2002, 347) befasste sich die Große Beschwerdekammer mit der Zulässigkeit eines gemeinsamen Einspruchs bzw. einer gemeinsamen Beschwerde. In ihrer Entscheidung stellte sie klar, dass ein gemeinsamer Einspruch abgesehen davon, dass er von mehr als einer Person eingelegt wird, dasselbe sei wie der Einspruch einer einzelnen Person, nämlich ein einziger Einspruch. Bei einem gemeinsamen Einspruch müsse es in jedem Fall einen gemeinsamen Vertreter geben (Art. 133 (4) und R. 100 EPÜ 1973 (R. 151 EPÜ), und nur dieser gemeinsame Vertreter sei befugt, im Einspruchsverfahren für die Gesamtheit aller gemeinsamen Einsprechenden aufzutreten.
Besteht die Partei der Einsprechenden aus mehreren Personen, so muß eine Beschwerde von dem gemeinsamen Vertreter gemäß R. 100 EPÜ 1973 eingelegt werden. Wird die Beschwerde von einer hierzu nicht berechtigten Person eingelegt, so betrachtet die Beschwerdekammer sie als nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und fordert den gemeinsamen Vertreter daher auf, sie innerhalb einer bestimmten Frist zu unterzeichnen. Die nichtberechtigte Person, die die Beschwerde eingelegt hat, wird von dieser Aufforderung in Kenntnis gesetzt. Scheidet der bisherige gemeinsame Vertreter aus dem Verfahren aus, so ist gemäß R. 100 EPÜ 1973 ein neuer gemeinsamer Vertreter zu bestimmen.
Zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers und im Interesse der Verfahrenseffizienz muß während des gesamten Verfahrens klar sein, wer der Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden bzw. der gemeinsamen Beschwerdeführer angehört. Beabsichtigt einer der gemeinsamen Einsprechenden oder der gemeinsamen Beschwerdeführer (oder der gemeinsame Vertreter), sich aus dem Verfahren zurückzuziehen, so muß das EPA durch den gemeinsamen Vertreter bzw. durch einen nach R. 100 (1) EPÜ 1973 bestimmten neuen gemeinsamen Vertreter entsprechend unterrichtet werden, damit der Rückzug aus dem Verfahren wirksam wird.
Ein Anwendungsbeispiel von G 3/99 findet sich in T 1154/06, wo sich die Frage stellte, ob bei mehreren Patentinhabern, von denen der erstgenannte keinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat des EPÜ hat, ein zugelassener Vertreter zu bestellen ist. Diese beiden Entscheidungen wurden in R 18/09 zitiert, der zufolge der Grundsatz, wonach mehrere Personen, die gemeinsam handeln, als einzige Beteiligte (als "Gruppenbeteiligte") zu behandeln sind, und das Erfordernis, wonach für eine solche Gruppenbeteiligte ein gemeinsamer Vertreter handeln muss, auch für Überprüfungsverfahren gelten.
In T 1654/13 wurde vorgebracht, dass die Beschwerde, die der gemeinsame Vertreter der beiden gemeinsamen Patentinhaber eingelegt hatte, als im Namen beider Patentinhaber eingelegt zu verstehen sei und diese gemeinsame Beschwerdeführer seien. Die in der Beschwerdeschrift verwendete Formulierung, die sich nur auf den ersten der beiden Patentinhaber, nämlich Unilever N.V., bezog, habe also nur den Antrag auf Ermäßigung der Beschwerdegebühr betroffen. Unter Berufung auf Art. 118 EPÜ und mit Verweis auf R 18/09 und T 1154/06 entschied die Kammer, dass es keinen Zweifel daran gebe, dass Unilever N.V. und Unilever PLC gemeinsame Beschwerdeführer seien. Sie ließ die Beschwerde zu.
In T 1366/04 hatte der erste der beiden gemeinsamen Patentinhaber Beschwerde eingelegt. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Erfordernisse des Art. 118 EPÜ erfüllt seien und die Identität der beiden Patentinhaber und ihre Stellung als Beschwerdeführer außer Frage stünden.
Anders verhiellt es sich im Fall T 418/07, wo der Beschwerdegegner (Patentinhaber) kurz vor der mündlichen Verhandlung zusätzlich zur ersten, ihn bereits vertretenden Sozietät eine zweite Sozietät bestellte und die Kammer bat, alle Mitteilungen an diese beiden gemeinsamen Vertreter zu schicken. In diesem Fall mehrerer Vertreter erklärte die Kammer, dass es einem Verfahrensbeteiligten zwar freistehe, so viele Vertreter zu bestellen, wie er möchte, sie aber nicht verpflichtet sei (genauso wenig wie irgendein anderer Beteiligter), Mitteilungen an mehr als einen Vertreter pro Beteiligtem zu senden. Wenn ein Beteiligter sich durch mehrere Vertreter vertreten lassen wolle, so habe er selbst Vorkehrungen zu treffen, damit alle die Mitteilungen erhielten, und könne nicht erwarten, dass die Kammer dies für ihn übernehme.
Siehe auch J 35/92 (Bestellung eines gemeinsamen zugelassenen Vertreters, Zurücknahme der Anmeldung), J 10/96 (gemeinsam bestellter zugelassener Vertreter legt sein Mandat im Laufe des Verfahrens nieder).