10. Sekundäre Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit
Die Einfachheit eines Lösungsvorschlags auf einem wirtschaftlich bedeutenden und stark bearbeiteten Fachgebiet kann ein Anzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit sein. Die Schwierigkeit, eine einfache Lösung ohne Qualitätsverluste zu entwickeln, kann daher von erfinderischer Leistung zeugen (T 106/84, ABl. 1985, 132; T 9/86, ABl. 1988, 12; s. auch T 229/85, ABl. 1987, 237; T 44/87; T 528/89; T 73/95). Dieses setzt dennoch voraus, dass die vorgeschlagene Lösung im Stand der Technik nicht bereits angedeutet worden ist (T 712/92).
In T 29/87 vertrat die Kammer die Auffassung, dass eine "einfache" Lösung ein Indiz für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit sein kann, wenn die im Stand der Technik offenbarten Verfahren alle umständlich, teuer, zeitaufwendig usw., also mit gewissen Nachteilen behaftet sind und – obwohl die zu lösende Aufgabe offenbar nicht neu und durch komplexere Prozesse bereits lösbar ist – dem Stand der Technik eine überraschend "einfache" Lösung hinzufügt wird.
In T 234/91 wurde darauf hingewiesen, dass die Erfahrung in den konstruktiven Ingenieurswissenschaften zeige, dass es bei gleicher oder sogar verbesserter Wirkung – in der vorliegenden Sache die Erhöhung der Betriebssicherheit – oft viel schwieriger sei, eine einfache Lösung zu erkennen und zu realisieren als komplizierte Ausgestaltungen. Im Hinblick auf die Vielzahl der in der Fachliteratur vorgeschlagenen Lösungen kam die Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass die Verbesserung durch die im Streitpatent vorgeschlagene einfache konstruktive Maßnahme nicht naheliegend war (s. auch T 330/87).
In T 349/95 war zu beachten, dass es sich zwar um eine einfache Gestaltung in einer einfachen Vorrichtung handelte, die jedoch eine erhebliche und überraschende Funktionsverbesserung bewirkte. Nach Ansicht der Kammer begründeten diese überraschende Verbesserung und die Tatsache, dass im Stand der Technik kein klarer Hinweis auf die Lösung gegeben war, die erfinderische Tätigkeit der beanspruchten Lösung.
Ein anderer Aspekt wurde in T 113/82 (ABl. 1984, 10) behandelt. Um vom bekannten Stand der Technik zu der Erfindung zu gelangen, benötigte man eine Reihe von Schritten. Die Kammer führte aus, dass dies als Anzeichen für das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit gewertet werden könne; dies treffe zumal dann zu, wenn der entscheidende letzte Schritt, so einfach er auf den ersten Blick erscheinen möge, nicht nachweislich aus dem Stand der Technik bekannt oder daraus ableitbar gewesen sei (s. auch T 315/87 vom 13. September 1989 date: 1989-09-13; T 508/88; T 424/89; T 394/90).