2.4. Änderungen nach Regel 137 (3) EPÜ
In T 182/88 (ABl. 1990, 287) und in T 166/86 (ABl. 1987, 372) entschieden die Kammer, dass der in einem späten Verfahrensstadium vorgelegte gesonderte Anspruchssatz unter den gegebenen Umständen zulässig war. Sie fügten hinzu, dass bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens der Gesichtspunkt der Benutzerfreundlichkeit des EPA keine Rolle spielen darf; die Bereitschaft, den Verfahrensbeteiligten entgegenzukommen, dürfe nicht mit ordnungsgemäßer Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens verwechselt werden. Sie waren zudem der Auffassung, wenn eine Entscheidung von der Ausübung eines Ermessens abhänge, sei diese Entscheidung zu begründen (s. auch T 183/89; T 755/96, ABl. 2000, 174).
In T 309/09 bezweifelte die Kammer, dass die Anzahl der Hilfsanträge im Allgemeinen ein richtiges Kriterium darstellt, mit dem die Zulassung von Anträgen gemäß R. 137 (3) EPÜ pauschal verweigert werden kann. Zwar mochte die Kammer nicht ausschließen, dass in Einzelfällen eine große Anzahl an Hilfsanträgen als Begründung dafür hinreichend sein könnte, keinen von ihnen zuzulassen. Diese Frage konnte jedoch offen bleiben, da jedenfalls sechs Hilfsanträge nicht ohne Weiteres als exzessiv anzusehen waren. Es konnte auch offen bleiben, ob dabei ihre mangelnde Konvergenz von Bedeutung war, da die angefochtene Entscheidung keinerlei ausdrückliche Einzelfallbetrachtungen enthielt, die diese Schlussfolgerung stützen konnten. Denn jedenfalls muss ein Konvergenzkriterium für jeden einzelnen Antrag separat bewertet werden. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass die Prüfungsabteilung zu einer Ermessensentscheidung berechtigt war und ihr Ermessen nach grundsätzlich im Sinne von G 7/93 richtigen Kriterien ausgeübt hatte, dass sie diese Ermessensentscheidung aber jedenfalls entgegen R. 111 (2) EPÜ in der angefochtenen Entscheidung nicht hinreichend begründet hatte. Eine Ermessensentscheidung darf nicht willkürlich erfolgen, und muss – wie alle beschwerdefähigen Entscheidungen – begründet sein.
In T 246/08 stellte die Kammer fest, dass die Befugnis der Prüfungsabteilung, Änderungen nach R. 137 (3) EPÜ zuzulassen, nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Ermessensbefugnis ist, die unter Berücksichtigung aller im jeweiligen Fall rechtserheblichen Faktoren und unter Abwägung insbesondere des Interesses des Anmelders an der Erlangung eines angemessenen Schutzes für seine Erfindung und des Interesses des EPA an einer effizienten und zügigen Erledigung des Prüfungsverfahrens auszuüben ist. Außerdem ist die Ermessensentscheidung zu begründen, da sie sonst willkürlich wäre. Folglich konnte die noch vor der Einreichung jeglicher Änderungen verweigerte Zustimmung zu Änderungen keine der Billigkeit entsprechende Ermessensausübung nach R. 137 (3) EPÜ darstellen. Dies stellte ipso facto einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, da ein Anmelder davon abgehalten werden konnte, eine Änderung vorzunehmen, die ihm billigerweise nicht hätte untersagt werden können. S. auch T 872/90.
In T 233/12 führte die Kammer aus, dass das Kriterium, dass ein geänderter Anspruchssatz prima facie nicht gewährbar ist, ein allgemein anerkannter Grundsatz ist, der (unter anderem) bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, ob einer Änderung nach R. 137 (3) EPÜ zugestimmt werden kann. Naturgemäß darf die Argumentation im Falle der prima facie festgestellten Nichtgewährbarkeit eines Anspruchs zwar kürzer sein als eine ausführlich begründete diesbezügliche Entscheidung, doch darf sie andererseits nicht so kurz sein, dass die Feststellung zu einer bloßen Behauptung wird. Der Umfang, in dem eine Prima-facie-Feststellung zu begründen ist, ist zudem einer der Parameter, die die Prüfungsabteilung – unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls – bei der Ausübung ihres Ermessens abzuwägen hat. Insbesondere, wenn ein Anmelder eine Änderung einreicht und begründet, warum die Änderung seiner Ansicht nach ein bestimmtes Erfordernis des EPÜ erfüllt, kann die Prüfungsabteilung nicht einfach das Gegenteil behaupten, ohne zu erläutern, warum das Argument des Anmelders nicht überzeugend war. Sie darf also bei ihrer Prima-facie-Feststellung aktenkundige Vorbingen nicht einfach ignorieren, die dieser offenbar direkt widersprechen.