4.1.2 Technische Wirkung von der technischen Lehre der Anmeldungsunterlagen umfasst und tatsächlich nachgewiesen/erzielt
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
In ihrer Entscheidungsfindung betreffend die "Stützung auf eine behauptete technische Wirkung zum Nachweis erfinderischer Tätigkeit (Plausibilität)" nahm die Große Beschwerdekammer Bezug auf eine Auswahl neuerer Entscheidungen als Beispiel für verschiedene Ansätze von Kammern, wenn es darum geht, die Stützung auf eine behauptete technische Wirkung durch einen Patentanmelder oder -inhaber zu akzeptieren (Nr. 64 der Entscheidungsgründe), und in denen die Entwicklung der früheren Rechtsprechung ihren Höhepunkt zu finden scheint. Die Große Beschwerdekammer stellte fest, dass die angeführten Entscheidungen zwar das terminologische Konzept der "Plausibilität" verwenden, sie aber zu zeigen scheinen, dass sich die einzelnen Beschwerdekammern jeweils auf die Frage konzentriert haben, ob die vom Patentanmelder oder -inhaber geltend gemachte technische Wirkung für den Fachmann aus der technischen Lehre der Anmeldungsunterlagen erkennbar war oder nicht (G 2/21, ABl. 2023, A85, Nr. 72 der Entscheidungsgründe).
In T 1639/07 urteilte die Kammer, dass die objektive technische Aufgabe sich aus physikalischen, chemischen oder sonstigen Wirkungen ergeben muss, die unmittelbar und kausal mit den technischen Merkmalen der beanspruchten Erfindung zusammenhängen (s. auch T 584/10, T 2297/10, T 1199/16, T 1341/16, T 2622/19, T 2217/19).
In T 377/14 befand die Kammer unter Bezugnahme auf T 344/89, dass die Aufgabe in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung nicht ausdrücklich offenbart sein muss; es reicht aus, dass sie angedeutet wurde (s. auch T 478/17).
In T 31/18 befand die Kammer, dass die technische Wirkung bzw. die durch den beanspruchten Gegenstand gelöste technische Aufgabe entweder explizit in der ursprünglich eingereichten Anmeldung erwähnt oder zumindest daraus ableitbar sein muss, aber nicht notwendigerweise von vornherein durch experimentelle Nachweise gestützt sein muss. Von einem Patentanmelder kann nämlich nicht erwartet werden, dass er eine Vielzahl experimenteller Nachweise für alle technischen Merkmale beifügt, die möglicherweise in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung beansprucht sein und in der Zukunft zu einem Unterscheidungsmerkmal gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik werden könnten, weil dieser nächstliegende Stand der Technik und seine technische Offenbarung dem Patentanmelder am Anmeldetag vielleicht noch gar nicht bekannt waren.
Im Zusammenhang mit der Stützung auf nachveröffentlichte Beweismittel war in einigen Entscheidungen auch bereits geprüft worden, ob sich eine behauptete Wirkung aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung herleiten lässt. In T 861/08 befand die Kammer, dass nachveröffentlichte Beweismittel nur zur Stützung von Informationen herangezogen werden können, die sich bereits aus der ursprünglichen Anmeldung herleiten lassen (s. auch z. B. T 1329/04, T 716/08). Zur Rechtsprechung betreffend nachveröffentlichte Beweismittel siehe auch Kapitel I.D.4.3.3. "Nachveröffentlichte Beweismittel und Stützung auf eine behauptete technische Wirkung zum Nachweis erfinderischer Tätigkeit ("Plausibilität")".