2. Billigkeit einer anderweitigen Kostenverteilung – Fallgruppen
Von dem Grundsatz der Kostentragung kann auch bei missbräuchlichem Verhalten abgewichen werden, bei dem die Kostenauferlegung zulasten einer der Parteien der Billigkeit entspricht. Eine Kostenverteilung wird häufig mit der Begründung beantragt, die Einlegung des Einspruchs bzw. der Beschwerde sei missbräuchlich gewesen. Die Tatsache, dass eine eingelegte Beschwerde sich als klar unzulässig erweist, rechtfertigt jedoch keine Auferlegung der Kosten, wenn die Beschwerdeführerin subjektiv offensichtlich vom Vorliegen einer Beschwer ausgegangen ist. Eine Partei, die den Eindruck hat, die erste Instanz sei ihrem Antrag nicht gefolgt, kann in legitimer Weise annehmen, sie sei durch deren Entscheidung beschwert. In diesem Fall ist es ihr natürliches Recht, von dem im EPÜ vorgesehenen Beschwerdeverfahren Gebrauch zu machen und eine Überprüfung der Entscheidung herbeizuführen. Der Umstand, sich von Fall zu Fall gegen letztendlich unbegründete oder auch unzulässige Beschwerden verteidigen zu müssen, liegt im Bereich des allgemeinen Lebensrisikos. Dieser Umstand rechtfertigt daher, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, keine abweichende Kostenverteilung. Das EPÜ sieht keine Unterscheidung zwischen erfolglosen und erfolgreichen Beschwerden betreffend Kostenverteilung vor, sodass nicht argumentiert werden kann, dass bei anscheinend eindeutiger Unzulässigkeit der Beschwerde eine Kostenverteilung vorzunehmen sei (T 614/89, T 772/95, T 2177/12, T 964/14).
In T 170/83 hatte der Einsprechende ein falsches Formular für die Zahlung der Einspruchsgebühr benutzt und dadurch eine abweisende Entscheidung der Formalprüfungsstelle verursacht, gegen die er dann Beschwerde eingelegt hatte. Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte, die Beschwerdekosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, da er durch seinen Fehler das Verfahren erforderlich gemacht habe. Die Kammer wies den Antrag mit der Begründung zurück, ein die Kostenverteilung rechtfertigender Missbrauch könne nur im Verhalten der Partei während des Verfahrens verankert sein.
Die Kammern werteten in einigen Fällen die Zulässigkeit oder Begründetheit eines Einspruchs oder einer Beschwerde als Indiz dafür, dass kein Missbrauch vorliegt (so u. a. in T 7/88 und T 525/88). Ähnlich konnte die Kammer in T 506/89 keinen Verfahrensmissbrauch durch die Einlegung der Beschwerde seitens des Einsprechenden erkennen und lehnte somit eine anderweitige Kostenverteilung ab, da sie in der mündlichen Verhandlung beschlossen habe, das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten. Ein Verfahrensmissbrauch lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Beschwerde ohne neue Argumentation eingelegt wird (T 605/92) bzw. die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers als gering geschätzt werden (T 318/91). Nach T 717/95 stellt es auch keinen Missbrauch dar, wenn ein Verfahrensbeteiligter beim Vergleich des im Streitpatent beanspruchten Gegenstands mit einer Entgegenhaltung deren Inhalt fehlinterpretiert.
In J 22/12 war strittig, ob eine Beschwerde gegen eine im Namen der Prüfungsabteilung ergangene Mitteilung zulässig sein kann. Die Kammer verneinte dies. Sie war der Auffassung, dass die Einlegung eines Einspruchs und später einer Beschwerde nicht als missbräuchlich angesehen werden könne, weil damit bestimmungsgemäß vom EPÜ Gebrauch gemacht worden sei. Daher sei es in diesem Fall angemessen, dass die Beteiligten jeweils für ihre eigenen Kosten aufkämen.
- T 846/22
Zusammenfassung
In T 846/22 the respondent (patent proprietor) had requested that its costs from the first and second instance proceedings should be charged to the appellant (opponent). The respondent argued that these costs were incurred through an abuse of procedure by the appellant, namely acting throughout the opposition and appeal proceedings whilst being a dormant company with the aim of circumventing possible remedies given to the parties by Art. 104 EPC. The board noted that acting on behalf of a third party could not be seen as a circumvention of the law unless further circumstances were involved (G 3/97, OJ 1999, 245, point 3.2 of the Reasons) and there was no requirement under the EPC that a party be equipped with sufficient financial means to comply with a merely hypothetical costs order. Moreover, the EPC did not offer the patent proprietor any kind of guarantee that an opponent would be able in fact to reimburse costs awarded against him (G 3/97, point 3.2.6 of the Reasons). Hence, the board concluded that there was no abuse of procedure in this respect and refused this request for apportionment of costs.
The respondent had further requested that its costs incurred for the preparation of the oral proceedings be charged to the appellant, who had only informed the board the day before the oral proceedings that it would not attend them. In particular, the respondent argued that, had it been informed, the costs for the preparation of at least part of the oral proceedings would not have been incurred, in view of the board's preliminary opinion, which was favourable to the respondent in respect of a number of issues. The board stated that the oral proceedings would have had to have taken place anyway. This was because of the respondent's auxiliary request for oral proceedings. Hence, in contrast to the case underlying T 475/07, the appellant's conduct had had no impact on the necessity of holding oral proceedings. The board noted that even when all parties attended oral proceedings, it was possible that not all the issues addressed in the preliminary opinion would be discussed, since for some of them the parties could refer to their written submissions. The board also pointed out that the respondent could not be sure that the preliminary opinion would be maintained in the oral proceedings. Deciding not to be prepared for an issue which could potentially be discussed at the oral proceedings, irrespective of the board's preliminary view on the issue, always involves some risk and it is the parties' responsibility to decide what to prepare for. In any case, it could not be asserted beforehand that the board's preliminary opinion would have rendered the oral proceedings unnecessary. For these reasons, the board did not consider it equitable to order the apportionment of costs in favour of the respondent. Hence, this request was refused too.