5.12. Kriterien für die Berücksichtigung geänderter Ansprüche
Die Kammern ließen in ihren frühen Entscheidungen im Allgemeinen Änderungen zu, wenn sie in Erwiderung auf Einwände und Bemerkungen des Berichterstatters oder des anderen Beteiligten hin eingereicht worden sind. Unerwünschte Verfahrensverzögerungen sollten dabei jedoch vermieden werden (s. T 38/89, T 459/91, T 1059/92, T 648/96). Geänderte Anträge konnten nach der Rechtsprechung zur VOBK 2003 und zur VOBK 2007 in das Verfahren zugelassen werden, sofern stichhaltige Gründe für die neu eingeführten Änderungen vorlagen; wenn sie z. B. in Erwiderung auf Einwände, Beweismittel oder Anmerkungen eingereicht wurden, die nicht Teil der angefochtenen Entscheidung waren, sondern schriftlich im Beschwerdeverfahren vorgebracht wurden (T 397/01, T 253/10). Zudem mussten die spät gestellten Anträge einen erfolgversprechenden Versuch zur Ausräumung des erhobenen Einwands darstellen (T 1859/06).
In den folgenden Fällen wurden die geänderten Anträge zugelassen:
In T 93/11 ergaben sich die Änderungen unmittelbar aus der Mitteilung der Kammer. Sie dienten außerdem dazu, die formalen Einwände der Kammer auszuräumen, was dem Prinzip der Verfahrensökonomie entspricht, und grenzten den Anspruchsgegenstand einfach auf den Kern der Erfindung ein. Die Kammer vertrat zudem die Meinung, dass es generell nicht verboten ist, auf die Mitteilung einer Kammer hin neue Anträge einzureichen, vor allem wenn diese auf sämtliche darin erhobenen oder wiederholten Einwände eingehen.
In T 794/94 stellte die Kammer fest, dass bei Patenten im Bereich der Gentechnik manchmal außergewöhnliche Probleme auftreten, die die Formulierung eines passenden Antrags erschweren und daher als besondere Umstände zu werten sind, die die verspätete Einreichung von Anträgen rechtfertigen können, mit denen bereits eingehend geprüfte Einwände ausgeräumt werden sollen(s. auch T 607/05, T 516/06).
In T 1148/97 war die Kammer der Auffassung, dass spät eingereichte Ansprüche noch zugelassen werden können, wenn die vorgenommenen Änderungen den beanspruchten Gegenstand in seinem Schutzumfang so beschränken, dass ein Widerruf des Patents vermieden werden kann und eine Aufrechterhaltung des Patents mit geänderter Fassung bei zügiger Verfahrensführung erreichbar ist (T 710/99, T 30/03).
In T 385/06 reichte der Patentinhaber Änderungen vor dem Ende der in der Mitteilung der Kammer genannten Frist ein. Nach Auffassung der Kammer könnten diese Änderungen als Reaktion auf die Bemerkungen der Kammer zu zwei Einspruchsgründen gesehen werden.
Auch in T 610/94 wurden die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruchssätze zugelassen, da sie eingeschränkt wurden und den von der Kammer genannten Mängeln Rechnung trugen.
In T 626/90 konnte von einer unbilligen Überraschung der Beschwerdeführer nicht die Rede sein, weil es sich bei den Änderungen lediglich um eine Beschränkung des beanspruchten Gegenstands auf die im Streitpatent beschriebenen bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung handelte (T 1097/99).
In T 407/14 stellte das zusätzliche Merkmal in Anspruch 1 des Hauptantrags eine eindeutige Beschränkung des beanspruchten Gegenstands dar. Eine solche Beschränkung ist nach Auffassung der Kammer eine gerechtfertigte Reaktion des Beschwerdeführers auf die negative vorläufige Stellungnahme zur erfinderischen Tätigkeit.
In T 442/12 wurde der spät eingereichte Antrag zugelassen, da er prima facie einen erfolgsversprechenden Versuch darstellte, alle die im Bescheid der Kammer identifizierten Einwände auszuräumen, und ausführlich begründet worden war.
In T 2475/16 machte die Streichung sämtlicher Verfahrensansprüche in dem vom Beschwerdeführer (Patentinhaber) in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrag 1 alle gegen diese Ansprüche erhobenen Einwände irrelevant. Im Verfahren verblieben nur die von den übrigen Beteiligten wirksam erhobenen Einwände gegen die erteilten Vorrichtungsansprüche, und diese gaben keinen Anlass zu neuen Einwänden, da sie bereits behandelte Aspekte betrafen. Die Kammer entschied, den Hilfsantrag 1 zum Verfahren zuzulassen (Art. 13 (1) und (3) VOBK 2007).