U. Gebührenordnung
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Eine Zahlungsfrist gilt grundsätzlich nur dann als eingehalten, wenn der volle Gebührenbetrag rechtzeitig gezahlt worden ist (Art. 8 Satz 1 GebO).
Allerdings kann das EPA geringfügige Fehlbeträge der zu entrichtenden Gebühr ohne Rechtsnachteil für den Einzahler unberücksichtigt lassen, wenn dies der Billigkeit entspricht (Art. 8 Satz 4 GebO).
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern und gemäß der Praxis des EPA bedeutet ein "geringfügiger Betrag" etwa 10 % der entsprechenden Gebühr (s. z. B. T 130/82, ABl. 1984, 172); J 11/85, ABl. 1986, 1; T 109/86 vom 20. Juli 1987 date: 1987-07-20). In T 343/02 vom 20. Januar 2003 date: 2003-01-20 wurde ein Fehlbetrag von weniger als 2 %, der durch den unerwarteten Abzug von Bankspesen bedingt war, unberücksichtigt gelassen.
In T 290/90 (ABl. 1992, 368) und J 27/92 (ABl. 1995, 288) hingegen wurde befunden, dass unter den jeweiligen Umständen ein Fehlbetrag in Höhe von 20 % der betreffenden Gebühr als geringfügiger Betrag angesehen werden konnte. Die Kammer berücksichtigte dabei unter anderem, dass dieser Prozentsatz die Anwendung der Bestimmung auf Fälle ermöglicht, in denen sich ein Gebührenzahler irrtümlich die (damals allgemein anwendbare) 20%ige Sprachenermäßigung zunutze machen wollte.
Diese Fälle sind jedoch Einzelfälle geblieben: Bereits in T 905/90 (ABl. 1994, 306, Korr. 556) war die Kammer der Meinung, dass sich die Bedeutung von "geringfügig" am besten durch einen Vergleich des Fehlbetrags mit dem Gesamtbetrag der Gebühr abgrenzen lasse. Eine Differenz von 20 % könne rein rechnerisch eindeutig nicht als geringfügig angesehen werden. Nur bei sehr geringfügigen Summen oder Bagatellbeträgen solle mit dem früheren Art. 9 GebO 1973 (vgl. Art. 8 GebO) ein Rechtsverlust verhindert werden, wenn ein kleiner Teil einer im betreffenden Verfahren fälligen Gebühr versehentlich nicht entrichtet wurde. Diese Entscheidung wurde bestätigt in T 642/12, wo die Kammer feststellte, dass unter "geringfügigen Fehlbeträgen" "unbedeutende Summen oder Bagatellbeträge" zu verstehen seien. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass eine Gebührenermäßigung von 20 % nach R. 6 (3) EPÜ nicht nur symbolisch gemeint sei, sondern die Belastungen tatsächlich verringere, die damit verbunden seien, dass Übersetzungen erstellt werden müssten. Daher könne es nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, dass diese Gebührenermäßigung als geringfügig im Sinne von bedeutungslos oder als Bagatelle angesehen werde.
Die Frage, was ein "geringfügiger Fehlbetrag" ist, hat sich in jüngerer Zeit auch in Fällen gestellt, in denen es um die Zahlung der ermäßigten statt der vollen Beschwerdegebühr ging (s. dieses Kapitel III.U.5.2) und der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf die Ermäßigung hatte. Siehe insbesondere die Analyse der Kammer in T 3023/18 und ihre Schlussfolgerung, dass der Fehlbetrag in Höhe von etwa 17 % der Beschwerdegebühr nicht "geringfügig" im Sinne von Art. 8 Satz 4 GebO sei. Darüber hinaus könne mit Fug und Recht angenommen werden, dass der Gesetzgeber die Gebührenermäßigung nach Art. 2 (1) Nr. 11 GebO als echte finanzielle Unterstützung für die aufgeführten Personenkategorien und nicht nur symbolisch gemeint habe. Siehe auch T 2422/18, T 2620/18 und T 637/21 sowie Kapitel V.A.2.5.4 c).
In J 25/12 hatte die Kammer keinen Zweifel daran, dass der Fehlbetrag, im vorliegendem Fall, als geringfügig angesehen werden könne, betonte jedoch, dass das EPA von seinem Ermessen, geringfügige Beträge unberücksichtigt zu lassen, nur dann Gebrauch machen könne, wenn dies der Billigkeit entspreche. Dies sei hier nicht der Fall, da der Vertreter auf die geänderten Gebührensätze hingewiesen und unter Fristsetzung zur Zahlung des Fehlbetrags aufgefordert worden sei, was er jedoch versäumt habe. Auch in T 2620/18 wies die Kammer darauf hin, dass Art. 8, letzter Satz, GebO zwei kumulative Erfordernisse vorsieht, das Kriterium der Geringfügigkeit des Fehlbetrags und das der Billigkeit. Vorliegend sah die Kammer das Billigkeitskriterium durch die spätere Bezahlung der vollen Beschwerdegebühr als erfüllt an. Jedoch sah sie den Differenzbetrag zur vollen Gebühr nicht als geringfügig an, sodass sie diesen Betrag nicht unberücksichtigt lassen konnte.