2.2. Beschwerdefähige Entscheidung
Art. 106 (1) EPÜ sieht keine Beschwerde gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern vor. Eine Beschwerde nach Art. 106 (1) EPÜ gegen eine rechtskräftige Entscheidung der Beschwerdekammer ist in der Konsequenz ausgeschlossen und damit als unzulässig zu verwerfen. Eine begrenzte gerichtliche Überprüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammern wurde mit Art. 112a EPÜ in EPÜ 2000 eingeführt. S. Kapitel V.B.3. "Antrag auf Überprüfung nach Artikel 112a EPÜ".
In J 3/95 date: 1997-02-28 (ABl. 1997, 493) hatte die Juristische Beschwerdekammer u. a. folgende Frage vorgelegt: Welche verwaltungsmäßige oder gerichtliche Behandlung sollen im Rahmen des Europäischen Patentübereinkommens Anträge erfahren, die sich auf die angebliche Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes stützen und auf die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung einer Beschwerdekammer abzielen?
In G 1/97 (ABl. 2000, 322) hat die Große Beschwerdekammer die Frage wie folgt beantwortet:
1. Im Rahmen des EPÜ 1973 ist es einem gerichtlichen Verfahren vorbehalten, Anträge, die sich auf die angebliche Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes stützen und auf die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung einer Beschwerdekammer des EPA abzielen, als unzulässig zu verwerfen.
2. Die Entscheidung über die Unzulässigkeit obliegt der Beschwerdekammer, die die Entscheidung erlassen hat, deren Überprüfung beantragt wird. Sie kann unverzüglich und ohne prozessuale Formalitäten ergehen.
3. Diese gerichtliche Behandlung ist denjenigen gegen eine Beschwerdekammerentscheidung gerichteten Anträgen vorbehalten, die nach dem Tag des Erlasses der vorliegenden Entscheidung gestellt werden.
4. Hat die Rechtsabteilung des EPA über die Eintragung eines gegen eine Beschwerdekammerentscheidung gerichteten Antrags in das europäische Patentregister zu entscheiden, so darf sie diese Eintragung nicht veranlassen, wenn sich herausstellt, dass sich dieser Antrag ungeachtet seiner Form auf die angebliche Verletzung eines wesentlichen Verfahrensgrundsatzes stützt und auf die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung einer Beschwerdekammer abzielt.
An dieser Situation hat sich durch die Einführung eines Antrags auf Überprüfung in Art. 112a EPÜ nichts geändert (T 365/09). Aus Sicht der Kammer besteht ein erster Unterschied zwischen der Beschwerde und dem Antrag auf Überprüfung offensichtlich darin, dass Art. 112a (3) EPÜ anders als Art. 106 (1) EPÜ eine aufschiebende Wirkung des Überprüfungsantrags eindeutig ausschließt. Zudem kann ein Antrag auf Überprüfung nach Art. 112a EPÜ nur auf schwerwiegende Verfahrensmängel oder Verstöße im Beschwerdeverfahren gestützt werden; darunter fallen die Patentierbarkeitserfordernisse aber nicht. Dies lässt sich aus der erschöpfenden Auflistung der schwerwiegenden Verfahrensmängel und Verstöße in Art. 112a (2) EPÜ sowie aus den R. 104 und 105 EPÜ herleiten. Diese Sicht der Dinge wurde inzwischen durch G 3/08 date: 2010-05-12 (ABl. 2011, 10) bestätigt.
In T 846/01 lag auf der Hand, dass die Beschwerdeführer nicht den Inhalt der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung anfochten – der die Neunummerierung der Ansprüche und die Anpassung der Beschreibung betraf –, sondern versuchten, die Frage der Gewährbarkeit neu aufzurollen, die bereits in der vorangegangenen Beschwerdekammerentscheidung geklärt worden war. Diese Feststellung in der Entscheidung war gemäß Art. 106 EPÜ 1973 und dem Grundsatz der res judicata nicht anfechtbar, obwohl der Entscheidung der Einspruchsabteilung ein Merkblatt beilag, wonach gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt werden könne. S. zu dieser Thematik auch T 2047/14.