6.6. Nacharbeitbarkeit ohne unzumutbaren Aufwand
In T 641/07 (Messverfahren ermittelbar durch Nacharbeitung eines Beispiels des Patents) befasste sich die Kammer insbesondere mit den Fragen der möglichen Ermittlung der Messverfahren und der Berichtigung eines unrichtigen Verweises auf ein Messverfahren sowie der möglichen Ermittlung von Einzelheiten der Ausführung des Verfahrens zur Messung eines der Parameter. Die Kammer vertrat unter Hinweis auf T 485/00 die Auffassung, dass keine unzureichende Beschreibung vorliegt, wenn der Fachmann in die Lage versetzt wird, die Erfindung nachzuarbeiten, und es ausreicht, eines der Beispiele nachzuarbeiten, um das Verfahren zur Messung eines Parameterwerts zu identifizieren, da ein solches Identifizierungsverfahren nicht als unzumutbarer Aufwand bezeichnet werden kann.
Die Kammer in T 1224/15 war insbesondere nicht überzeugt von dem Argument, dass die Messung des Kristallinitätsgrads eines Polyamids nicht hinreichend beschrieben sei; die vorgelegten Unterlagen bewiesen, dass dieses Merkmal und das Verfahren zu seiner Messung am Prioritätstag der Erfindung zum allgemeinen Fachwissen zählten. Der Fachmann war daher in der Lage, die im Patent enthaltenen Anweisungen zur Messung der relevanten Parameter zu vervollständigen. Darüber hinaus enthielt das Patent eine Reihe von Beispielen, die so ausreichend waren, dass der Fachmann einzelne davon leicht nacharbeiten konnte, um das implementierte Messverfahren zu ermitteln und zu kalibrieren (s. T 641/07). Darüber hinaus wurde dieses Argument durch keinen konkreten Beweis und/oder Test im Hinblick auf die (Nicht-)Nacharbeitbarkeit der Patentbeispiele gestützt. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass das Patent einen Informationsmangel aufwies, der die Ausführung der beanspruchten Erfindung verhinderte.
In T 786/15 befand die Kammer in Anbetracht der Möglichkeit für den Fachmann, das Verfahren zur Messung des Tg-Parameters durch Reverse-Engineering zu kalibrieren, dass der in Anspruch 1 angegebene Tg-Parameter auch im Randbereich der Werte nicht mehrdeutig ist. Art. 83 EPÜ war in diesem Fall erfüllt.
Weitere Entscheidungen zur Kalibrierung eines Verfahrens in Bezug auf Art. 83 EPÜ, s. T 1712/09 (kein Kalibrierungsversuch – Beweislast); T 1062/98 und T 485/00 (Möglichkeit der Kalibrierung des Verfahrens zur Bestimmung der strittigen Parameter); T 45/09.