4.5.11 Auf neue Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel angewandte Ermessenskriterien
In T 482/18 äußerte der Beschwerdeführer (Einsprechende) erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer Einwände gemäß Art. 123 (2) und 84 EPÜ gegen einen Begriff in den Ansprüchen des Hauptantrages, der mit dem Antrag identisch war, auf dessen Grundlage die Einspruchsabteilung das Patent aufrechterhalten hatte. Das Argument des Einsprechenden, gemäß Art. 114 (1) EPÜ 1973 habe die Kammer von Amts wegen die Erfordernisse der Art. 123 (2) EPÜ und Art. 84 EPÜ zu prüfen, wies die Kammer zurück. Auch sah sie in dem neuen Vorbringen nicht lediglich auf bereits im Verfahren befindlichen Tatsachen beruhende Argumente (welche nach Auffassung der Kammer zulässig gewesen wären). Die Kammer stellte fest, dass die Zurückweisung des angekündigten neuen Vorbringens im vorliegenden Fall auf sämtliche Ermessenskriterien des Art. 13 (1) VOBK 2020 gestützt werden kann. Sie erläuterte ferner, dass das in dieser Bestimmung nicht genannte, aber von den Beschwerdekammern weiterhin grundsätzlich zu Recht herangezogene Kriterium der Prima-facie-Relevanz, auf das sich der Einsprechende berufen hatte, im Hinblick auf den Verfahrensstand und die mangelnde Veranlassung neuen Vorbringens durch Äußerungen des Patentinhabers im Verfahren vor der Kammer oder Äußerungen der Kammer selbst nicht durchgreifen kann.