9.2.10 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf die Wiedergabe von Informationen beziehen
Ein Layout für eine grafische Benutzeroberfläche als solches gilt als nichttechnisch, da es sich um eine "Wiedergabe von Informationen" handelt (Art. 52 (2) d) EPÜ; T 1741/08, in der T 1143/06 zitiert wird). S. auch T 1214/09, T 1185/13.
Merkmale der grafischen Gestaltung von Benutzeroberflächen haben keine technische Wirkung, denn die Gestaltung beruht nicht auf technischen Erwägungen, sondern auf generellen gedanklichen Überlegungen darüber, welche Gestaltung für einen Nutzer besonders ansprechend ist (Richtlinien G‑II, 3.7.1 – Stand März 2022). So ist die Farbe (s. T 1567/05, T 726/07, T 1734/11), die Form (T 677/09), die Größe (T 823/07, T 1237/07), das Layout (T 756/06, T 1741/08, T 1214/09) die Anordnung von Bildschirmelementen (T 643/00, T 1237/10) oder der Informationsgehalt einer angezeigten Meldung gewöhnlich kein technischer Aspekt einer grafischen Benutzeroberfläche. Anders wäre, wenn diese Merkmale zur Erreichung einer bestimmten technischen Wirkung beitragen (T 1741/08, T 1143/06).
Ein Merkmal, das eine Darstellung von Informationen definiert, erzeugt eine technische Wirkung, wenn es den Nutzer durch eine ständige und/oder geführte Mensch-Maschine-Interaktion glaubhaft bei der Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützt (T 336/14, T 1802/13 und T 1185/13). Die technische Wirkung gilt als glaubhaft erzielt, wenn die Unterstützung des Nutzers bei der Ausführung der technischen Aufgabe objektiv, zuverlässig und ursächlich mit dem Merkmal verknüpft ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die behauptete Wirkung von subjektiven Interessen oder Präferenzen des Nutzers abhängt (Richtlinien G‑II, 3.7 – Stand März 2022).
In T 1235/07 fasst die Kammer den Begriff "Darstellung von Information" weiter auf als nur im Sinne der tatsächlich gerade angezeigten Information, des sogenannten kognitiven Inhalts, und schloss auch strukturelle Aspekte dazu, wie die Information dargestellt wird, mit ein. Für dieses breitere Verständnis spreche der nahezu einzige Hinweis auf die Wiedergabe von Informationen in den Travaux préparatoires. Nach Auffassung der Kammer können solche zusätzlichen Aspekte nur dann zur erfinderischen Tätigkeit beitragen, wenn sie technischen Charakter haben. Nach Ansicht der Kammer war der vorliegende Fall ähnlich wie der Sachverhalt in T 1143/06, jedoch noch weniger überzeugend, weil die Erfindung lediglich in der visuellen Anzeige einer bekannten Analysetechnik unter Verwendung bekannter Mittel bestand, während in T 1143/06 die Idee, die Geschwindigkeit des Elements zu variieren, zumindest nicht bekannt war.
i) Unterbrochene technische Kette
In T 1741/08 betraf die Anmeldung ein Verfahren zur Eingabe von Daten in ein Datenverarbeitungssystem. Die Kammer befasste sich mit der Frage, ob einem besonderen Layout einer grafischen Benutzeroberfläche (GUI) eine weitere technische Wirkung zugesprochen werden könne. Die Kammer stellte klar, dass die "Verringerung der kognitiven Belastung des Benutzers" an sich noch keine technische Wirkung ist (im Anschluss an T 1143/06, abweichend von T 49/04). Ursächlich für den geringeren Verbrauch von Ressourcen sei die Art und Weise, wie das Hirn des Benutzers die visuellen Informationen wahrnehme und verarbeite, die ihm durch eine bestimmte Art der Wiedergabe von Information vermittelt würden. Der Beschwerdeführer hatte sich auf das Vorliegen einer Wirkungskette berufen. Was die technischen Wirkungen betraf, handelte es sich aber nach Auffassung der Kammer um eine unterbrochene Kette, die nicht als Nachweis der erforderlichen technischen Gesamtwirkung tauge ("broken-technical chain fallacy"/"Fehlschluss der unterbrochenen technischen Kette", siehe auch T 158/88, T 603/89 und T 1670/07). Die Kammer stellte im Anschluss an T 1143/06 fest, dass das Layout einer grafischen Benutzeroberfläche als solches nichttechnisch ist, da es sich um eine "Wiedergabe von Informationen" (Art. 52 (2) d) EPÜ) handelt. Im vorliegenden Fall sollte die Anordnung der eingeblendeten Icons eine Information vermitteln, nämlich, bei welchem Schritt des Eingabevorgangs der Benutzer angelangt war. Die bloße Tatsache, dass die erfindungsgemäße Wahl der angezeigten Informationen bzw. Anzeigearten besonders klar oder einleuchtend war oder die "kognitive Belastung" des Nutzers verringerte, beweise noch nicht, dass diese Wahl eine technische Wirkung habe. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern stimmt mit diesem Grundsatz überein. Dass nicht alle GUI-bezogenen Anwendungen als erfinderisch angesehen wurden, heißt nicht, dass die Entscheidungen untereinander widersprüchlich sind.
In T 1670/07 bestätigte die Kammer den "Fehlschluss der unterbrochenen technischen Kette"/"broken-technical chain fallacy" (T 1741/08) und führte T 603/89 und T 1670/07 als Beispiele an. Die Kammer befand, dass die mögliche, durch das Handeln eines Nutzers herbeigeführte endgültige technische Wirkung nicht dazu verwendet werden kann, eine technische Wirkung insgesamt festzustellen, weil sie von den gedanklichen Tätigkeiten des Nutzers abhängt.
In T 1214/09 stellte sich die Frage, ob die aus einer veränderten Darstellungsweise resultierende Verbesserung der kognitiven Beurteilung bestimmter Informationen durch den Menschen nichttechnisch ist. Die Kammer stellte jedoch fest, dass vorliegend die angebliche Wirkung von Merkmal (i), sprich die bessere Beurteilung von Miniaturdateibildern durch den Benutzer, einzig und allein auf die beanspruchte Anordnung dieser Miniaturdateibilder zurückzuführen war. Ihres Erachtens lagen dieser Anordnung ausschließlich Überlegungen zugrunde, wie sie üblicherweise auf dem Gebiet der Gestaltung von Informationsdarstellungen für einen menschlichen Betrachter angestellt werden, und sie war daher nicht Ausdruck eines technischen Prinzips. Die behauptete Wirkung war somit keine technische Wirkung, da im Rahmen dieser Erfindung jede Verbesserung der Effizienz der Bildsuche nur das Ergebnis der nichttechnischen Verbesserung der Beurteilung der angezeigten Miniaturdateibilder durch den Benutzer sein konnte.
In T 306/10 entschied die Kammer unter Verweis auf T 1741/08, dass die Auswahl eines Produkts zur Empfehlung für einen Nutzer nicht als technischer Zweck gelten konnte. Aus technischer Sicht waren die Empfehlungen irrelevant, weil die Angabe von "guten" oder "schlechten" Empfehlungen zwar zu unterschiedlichen Nutzerreaktionen und damit letztlich zu unterschiedlichen technischen Ergebnissen führen konnte, diese Ergebnisse aber nicht als technische Wirkung der Empfehlungen zählten, weil sie von der subjektiven Auswahl des Nutzers abhingen.
In T 1834/10 sollte eine Website für potenzielle Kunden durch eine lebendige Präsentation von Bildern attraktiver gemacht werden, wobei die Bilder automatisch ausgewählt und angezeigt wurden, sodass die Präsentation sich rasch änderte. Die Kammer stellte fest, dass eine ansprechende Auswahl an Inhalten noch so innovativ sein mag, sie bezieht sich doch auf die Wiedergabe von Informationen, die a priori nichttechnisch ist (Art. 52 (2) d) EPÜ), selbst wenn sie die kognitive Belastung des Benutzers verringert (T 1741/08) oder den Benutzer veranlasst, einen technischen Vorgang zu starten (unterbrochene technische Kette, T 1741/08, T 1670/07). Der Wunsch, eine Auswahl von Bildern zu präsentieren, diese Auswahl auf eine vorab festgelegte Anzahl von Bildern zu beschränken und die ausgewählten Bilder mit einem bevorzugten Layout zu präsentieren, ist eine nichttechnische Zielsetzung. Die Bedeutung der angezeigten Daten verleiht der Präsentation keinen technischen Charakter.
Anders entschied die Kammer in T 49/04. Dort befand die Kammer, dass bei der Gestaltung und Nutzung grafischer Schnittstellen technische Aspekte eine Rolle spielen können. Außerdem habe die Bildschirmanzeige eines natürlichsprachlichen Texts in einer Art und Weise, die durch eine bessere Lesbarkeit dem Nutzer ein effizienteres Arbeiten ermögliche, vor allem damit zu tun, wie, d. h. in welcher physischen Anordnung, dem Leser der kognitive Inhalt des Texts vermittelt werde, und könne deshalb als Beitrag zur technischen Lösung einer technischen Aufgabe betrachtet werden.
In T 619/98 wurde befunden, dass Informationen nicht dadurch technisch werden, dass ein Nutzer in Reaktion auf eine Meldung in Form von Fragen oder Vorschlägen zum technischen Funktionieren einer Vorrichtung eine Handlung vornimmt. So entschied auch die Kammer in T 1143/06 und stellte fest, dass eine Handlung, die ein Benutzer als Reaktion auf eine Mitteilung über den technischen Betrieb eines Apparats (möglicherweise) ausführt, der vermittelten Information nicht unbedingt technischen Charakter verleiht. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass die aufgrund der relevanten Merkmale gelieferten Informationen nicht glaubhaft eine ständige und geführte Mensch-Maschine-Interaktion unterstützen konnten. Damit konnten sie den Benutzer nicht bei der Ausführung der technischen Aufgabe unterstützen, sondern richteten sich lediglich an das menschliche Denken eines "Durchschnittsbenutzers", wie auch immer dieser aufgrund persönlicher Fertigkeiten und Vorlieben definiert werden mochte (s. z. B. T 407/11).
ii) Merkmale der graphischen Gestaltung
In T 244/00 hielt die Kammer fest, dass das grafische Design von Menüs in der Regel nicht als technischer Aspekt eines menügesteuerten Steuerungssystems anzusehen sei. Ebenso wenig sei die Nutzung dieser Menüs in der Praxis wirklich eine Aufgabe, die sich dem Fachmann in seiner Funktion als technischer Sachverständiger stelle. Für die Zwecke des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes müsse es sich um eine technische Aufgabe handeln, mit deren Lösung der Fachmann auf dem betreffenden technischen Gebiet am Prioritätstag möglicherweise befasst worden wäre. Die Kammer gelangte daher zu dem Schluss, dass die technische Aufgabe im vorliegenden Fall enger zu formulieren sei als auf der Grundlage der behaupteten Vorteile, die es habe, einen Cursor diagonal über den Fernsehbildschirm bewegen zu können (s. T 154/04, ABl. 2008, 46; T 125/04, T 1143/06).
T 333/95 betraf die Verwendung eines Computers zur Erstellung von Animationen. Zur Realisierung einer Szene mit einem bewegten Objekt wurde das ausgewählte Objekt zunächst an die Stelle des Cursors gesetzt, sodass der Benutzer es mit der Maus nach Wunsch bewegen konnte, während das System die Mausbewegungen aufzeichnete und in ein Skript mit Befehlen für Bewegungen übersetzte, die das Objekt später beim Abspielen der Animationsszene vollziehen würde. In diesem Fall erachtete die Kammer das Merkmal "das Grafikobjekt zum aktuellen Cursor machen" eindeutig als technisches Merkmal per se. Der betreffende "Grafikobjekt-Cursor" trat an die Stelle des normalen Cursors (ebenfalls technisch), seine Bewegung wurden aufgezeichnet und in eine Art Programmiersprache übersetzt. Es gab mindestens eine technische Wirkung, die darin bestand, dass es dem Benutzer ermöglicht wurde, das ausgewählte Objekt mausgesteuert hin und her zu bewegen.
In T 125/04 stellte die Kammer fest, dass die Aufgabe, Diagramme zu entwerfen, generell nichttechnisch ist. Dies gilt auch dann, wenn die Diagramme Informationen auf eine Weise vermitteln, die der Betrachter intuitiv wohl als besonders ansprechend, einleuchtend oder logisch empfindet. In T 125/04 betraf die Erfindung wie in T 643/00 eine Anordnung von Bildern, unterschied sich aber von dieser insofern, als es nur auf die durch die Bilder vermittelten Informationen, d. h. auf ihren "kognitiven Inhalt" (s. T 1194/97, ABl. 2000, 525) ankam. Die neuen Merkmale bezogen sich darauf, wie dieser Inhalt dargestellt wurde. Anders als in T 643/00 lieferte die Erfindung keine Informationen über das Computersystem selbst, etwa über den Ort, an dem die Daten gespeichert wurden.
In T 1073/06 war die grafische Benutzeroberfläche so konfiguriert, dass auf eine Eingabe des Benutzers hin Objekte eines Simulationsmodells angezeigt wurden, in dem auch die Beziehungen zwischen den Objekten grafisch dargestellt waren, um das Modell für den Benutzer leichter verständlich zu machen. Der Beitrag des beanspruchten Gegenstands zum Stand der Technik betraf die Verwendung von im Speicher hinterlegten Zuordnungsdaten, die bewirkten, dass die Beziehung zwischen den Objekten im Simulationsmodell durch die jeweilige grafische Darstellung angezeigt wurde. Die Kammer urteilte, dass ein verbessertes Verständnis eines Modells ein rein mentaler Effekt sei und dass die gelöste Aufgabe daher nicht als technisch anzusehen sei. Die beanspruchten "grafischen Darstellungen von Beziehungen" bezögen sich auf den Zustand des Simulationsmodells und nicht auf den Zustand der beanspruchten Simulationsvorrichtung und stellten daher eine Wiedergabe von Informationen dar; sie seien somit nichttechnisch (s. T 336/14).
iii) Unterstützung bei der Ausführung einer technischen Aufgabe
In T 1741/08 befand die Kammer, dass nicht alles, was die Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützt, selbst auch technischen Charakter aufweist.
In T 1802/13 ging es darum, "wie" spezielle kognitive Daten tatsächlich dargestellt werden, und weniger darum, "was" dargestellt wird. Daher war ausschlaggebend, dass das Merkmal der Darstellung eines kognitiven Inhalts entspricht, wobei es nur um den Denkprozess des Nutzers geht. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann die "Reduzierung der gedanklichen Anstrengung eines Nutzers" per se grundsätzlich nicht als technische Wirkung angesehen werden (s. z. B. T 1741/08, T 1539/09 und T 1237/10).
In T 336/14 stellte die Kammer fest, dass bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eines Anspruchs, in dem sich die nichttechnischen Merkmale auf einen kognitiven Inhalt beziehen, der dem Benutzer einer grafischen Benutzeroberfläche angezeigt wird, also darauf, "was" dargestellt wird, und nicht, "wie" es dargestellt wird, vor allem zu klären ist, ob die Benutzeroberfläche und die Darstellungsweise des kognitiven Inhalts den Nutzer durch eine ständige und geführte Mensch-Maschine-Interaktion glaubhaft bei der Ausführung einer technischen Aufgabe unterstützen (im Wesentlichen bezogen auf die Frage, "zu welchem Zweck" der Inhalt dargestellt wird). Es muss ermittelt werden, ob die aufgrund der relevanten Merkmale gelieferten Informationen den Benutzer glaubhaft in die Lage versetzten, das zugrunde liegende technische System richtig zu bedienen, oder ob sie sich lediglich an das menschliche Denken eines "Durchschnittsbenutzers" richten (s. hierzu auch T 1895/17 und T 772/18).
In T 690/11 betraf die Erfindung ein Dialysesystem, umfassend eine Anzeigevorrichtung sowie einen Webserver und einen Webbrowser, die im Betrieb mit der Anzeigevorrichtung Informationen anzeigen, um eine Bedienperson beim Dialysetherapie-Setup-Verfahren anzuleiten, und dann den Fortschritt der Behandlung darstellen. Nach Auffassung der Kammer wiesen die beanspruchten Merkmale mehr auf als einen reinen an den menschlichen Verstand gerichteten Informationsgehalt. Die beanspruchte Anzeige war auf die Interaktion zwischen System und Bedienperson bezogen und implizierte damit technische Mittel für die Übertragung und Verarbeitung von Signalen, die zum ordnungsgemäßen Betrieb des Systems beitrugen. Dies verlieh den beanspruchten Merkmalen, die bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigen waren, technischen Charakter.
- T 297/20
Catchword:
The mere change, by an operator, of the degree of abstraction of a graphical view ("condensation") of a power grid does not credibly assist a user in performing a technical task by means of a continued and/or guided human-machine interaction process within the meaning of T 336/14 and T 1802/13 and thus cannot bring about a technical effect (see points 3.2 to 3.6 of the Reasons).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”