4.4. Chirurgische Verfahren
Overview
Die Entscheidung G 1/07 (ABl. 2011, 134) brachte einen wichtigen Einschnitt in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Patentierbarkeitsausschluss chirurgischer Verfahren. Die Große Beschwerdekammer wandte sie sich gegen die bis dahin gültige Praxis des EPA, den chirurgischen Charakter von Eingriffen breit auszulegen. Diese spiegelte sich in den Entscheidungen T 182/90 und T 35/99 wieder, wonach alle Verfahren, die mit einer unumkehrbaren Schädigung oder Zerstörung von lebenden Zellen oder Gewebeteilen des lebenden Körpers einhergingen, als nicht unerhebliche Einwirkung und somit – unabhängig von der Art des Eingriffs (z. B. mechanisch, elektrisch, thermisch, chemisch) – als chirurgische Behandlung betrachtet werden. G 1/07 gab zwar keine neue Definition des Begriffs "chirurgische Behandlung", gab aber die Richtung vor, in die sich Praxis und Rechtsprechung künftig entwickeln sollten. Diese ist nach G 1/07 darin zu sehen, dass das Patentierungsverbot nicht auf Verfahren angewendet werden sollte, deren Ausschluss weder im Interesse des Gesundheitsschutzes noch zum Schutze der Patienten noch als Gegengewicht zur Freiheit der Ärzte erforderlich ist, ihren Patienten die ihnen angemessen erscheinende Behandlung angedeihen zu lassen.
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”