7. Das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung auf dem Gebiet der Biotechnologie
Hat der Anmelder das nach R. 30 (1) EPÜ vorgeschriebene Sequenzprotokoll nicht eingereicht, so fordert ihn das Europäische Patentamt nach R. 30 (3) EPÜ auf, dieses Sequenzprotokoll unter Entrichtung einer Gebühr nachzureichen. In J 7/11 urteilte die Juristische Beschwerdekammer, dass eine solche Aufforderung nicht ausschließlich mündlich erfolgen darf – ein Telefonanruf war angesichts der kurzen verfügbaren Zeitspanne zwar sinnvoll, musste aber von einer schriftlichen Aufforderung gefolgt werden, in der sämtliche erhobenen Einwände genannt wurden. Dass dies unterblieben war, stellte einen wesentlichen Verfahrensfehler dar.
In J 8/11 ging es um die Frage, wie der Begriff "offenbart" in R. 30 (1) EPÜ auszulegen ist, d. h., ob eine Patentanmeldung, die die Nutzung von aus dem Stand der Technik wohlbekannten Polypeptiden betrifft und diese anhand ihrer Trivialnamen und von Datenbank-Zugangsnummern für bestimmte repräsentative Sequenzen angibt, Aminosäuresequenzen "offenbart". Die Beschwerdekammer schloss, dass zum Stand der Technik gehörende Sequenzen keine Einreichung eines Sequenzprotokolls erfordern und dass die Eingangsstelle R. 30 EPÜ zu Unrecht angewandt hat. Mit Verweis auf J 7/11 stellte die Kammer fest, dass die Eingangsstelle auf eine rein formale Prüfung der Anforderungen an Sequenzprotokolle beschränkt ist.
In T 2437/13 (Coronavirus, Nukleinsäure, Protein und Verfahren zur Herstellung von Impfstoffen, Medikamenten und Diagnostika) wurde in Bezug auf Prioritätsrechte entschieden, dass es nicht erforderlich war, ein Virus nach R. 31 (1) EPÜ zu hinterlegen, da die in Tabelle 3 dargestellten Nukleinsäuresequenzen und Sequenzen mit mindestens 95 % Sequenzidentität durch Standardverfahren erzeugt werden konnten.