9. Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind Merkmale, die nicht zur Lösung der in der Beschreibung gestellten Aufgabe beitragen, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Kombination von Merkmalen nicht zu berücksichtigen (T 574/92). In T 37/82 (ABl. 1984, 71) stellte die Kammer fest, dass bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Kombination von Merkmalen ein Merkmal nur zu berücksichtigen ist, wenn der Anmelder glaubhaft gemacht hat, dass es für sich allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren der anderen Merkmale zur Lösung der in der Beschreibung gestellten Aufgabe beiträgt (s. auch T 65/87, T 144/90, T 206/91, T 226/94, T 912/94, T 15/97, T 471/98, T 442/02). Es sind daher nur Anspruchsmerkmale zu berücksichtigen, die kausal zur Lösung der Aufgabe beitragen (T 285/91). So stellte z. B. in T 294/89 die Kammer fest, dass das zusätzliche Merkmal keinen überraschenden Vorteil bringe und auch nicht zur Lösung der genannten Aufgabe in irgendeiner Weise beitrage. Daher sei es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Merkmalskombination nicht relevant.
In T 589/95 erstreckte sich die Lösung der technischen Aufgabe auf einen Verwendungsbereich, in dem sich das betreffende Problem in der Praxis nicht stellte. Die Kammer führte aus, dass für einen solchen Bereich die Merkmale der Lösung nicht zur Lösung der technischen Aufgabe beitragen und daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht berücksichtigt werden können.
Unter Hinweis auf T 119/82 vertrat die Kammer 3.3.05 in den Entscheidungen T 72/95, T 157/97, T 176/97 und T 158/97 die Auffassung, dass ähnliche Überlegungen auch für technisch nicht funktionale Änderungen gälten. Eine nichtfunktionale Veränderung einer bekannten Vorrichtung kann keine erfinderische Tätigkeit begründen. Werde eine bekannte Vorrichtung durch Hinzufügen eines Merkmals ohne technische Funktion verändert, so könne diese Änderung nicht erfinderisch sein (s. auch dieses Kapitel I.D.9.1. "Prüfung der erfinderischen Tätigkeit bei Mischerfindungen").
In T 1009/12 war die Kammer mit Verweis auf T 206/91 der Auffassung, dass eine unwirksame Konzentration eines Stoffs als willkürliches Merkmal betrachtet wird, das nicht zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe beiträgt, und daher nicht weiter berücksichtigt wird. Da keine weiteren Unterscheidungsmerkmale vorlagen, war es nicht möglich, die zu lösende technische Aufgabe zu ermitteln und der Anspruch wies keine erfinderische Tätigkeit auf.
In T 2044/09 stellte die Kammer Folgendes fest: Selbst wenn es im Stand der Technik weder einen Hinweis noch eine Anregung gibt, ein Unterscheidungsmerkmal hinzuzufügen, kann die betreffende Änderung, wenn sie nicht mit einer bestimmten Funktion einhergeht, für sich genommen nicht die Grundlage für die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit bilden.
In T 2287/16 war nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden, dass die Prüfungsabteilung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ein ihrer Meinung nach gegen Art. 123 (2) EPÜ verstoßendes Merkmal außer Acht gelassen hatte. Die Prüfungsabteilung ist nicht verpflichtet, die Ersetzung eines solchen Merkmals durch ein ähnliches, womöglich ursprünglich offenbartes zu antizipieren und eine spekulative Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des so geänderten Anspruchs abzugeben.