6.3. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Rein abstrakte oder intellektuelle Methoden sind nicht patentierbar. Das Patentierungsverbot gilt, wenn ein Anspruch auf eine rein abstrakte mathematische Methode gerichtet ist und keine technischen Mittel erfordert. Ist ein Anspruch dagegen auf ein Verfahren gerichtet, das den Einsatz technischer Mittel (z. B. eines Computers) vorsieht, oder auf eine Vorrichtung, so hat der Gegenstand technischen Charakter und ist nicht durch Art. 52 (2) EPÜ und Art. 52 (3) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
Die bloße Beschreibung des technischen Charakters der Daten oder Parameter der mathematischen Methode ist nicht zwingend ausreichend, um eine Erfindung im Sinne von Art. 52 (1) EPÜ zu definieren, weil die Methode in die Kategorie der Verfahren für gedankliche Tätigkeiten als solche fallen könnte (Art. 52 (2) c) EPÜ und Art. 52 (3) EPÜ, s. Richtlinien G‑II, 3.3 und G-II, 3.5.1 – Stand März 2024).
Ein Anspruch, der auf ein technisches Verfahren gerichtet ist, bei dem eine mathematische Methode verwendet wird, strebt auch dann nicht Schutz für die mathematische Methode als solche an, wenn die der Erfindung zugrunde liegende Idee möglicherweise in der mathematischen Methode liegt (T 208/84, ABl. 1987, 14; G 2/88, ABl. 1990, 93).
Kommt eine an und für sich nicht "technische" Methode, z. B. eine mathematische Methode, in einem technischen Verfahren zum Einsatz, das mit Hilfe von technischen Mitteln zur Ausführung der Methode auf eine physikalische Erscheinung angewandt wird und bei dieser eine Veränderung hervorruft, so trägt diese Methode zum technischen Charakter der Erfindung als Ganzes bei. (T 208/84, ABl. 1987, 14; T 641/00; T 258/03; T 1814/07, ABl. 2003, 352).
In T 1784/06 (Nr. 3.1.1 der Gründe) stellte die Kammer fest, dass ein Algorithmus eine mathematische (u. a. boolesche) Methode ist und als solche nur technischen Charakter hat, wenn sie einem technischen Zweck dient (s. z. B. T 1227/05, Nr. 3.1 der Gründe, ABl. 2007, 574; s. auch T 306/10).
Laut T 1326/06 kann ein Verfahren zum Verschlüsseln/Entschlüsseln oder Signieren von elektronischen Nachrichten als technisches Verfahren angesehen werden, selbst wenn es sich wesentlich auf mathematische Verfahren stützt.
In T 208/84 (ABl. 1987, 14) stellte die Kammer fest, dass ein grundlegender Unterschied zwischen einer mathematischen Methode und einem technischen Verfahren darin zu sehen ist, dass eine mathematische Methode oder ein mathematischer Algorithmus mit Zahlen (die etwas Beliebiges darstellen können) ausgeführt wird und zu einem in Zahlen ausgedrückten Ergebnis führt, da die mathematische Methode oder der Algorithmus nur ein abstraktes Konzept ist, das beschreibt, wie mit diesen Zahlen zu verfahren ist. Durch die Methode als solche wird kein unmittelbares technisches Ergebnis erzielt. Wird eine mathematische Methode hingegen in einem technischen Verfahren verwendet, so wird dieses Verfahren durch ein technisches Mittel auf eine physikalische Erscheinung (die ein materielles Objekt, aber auch ein als elektrisches Signal gespeichertes Bild sein kann) angewandt und bewirkt damit bei dieser eine gewisse Veränderung. Zu den technischen Mitteln können auch Rechner mit geeigneter Hardware oder entsprechend programmierte Universalrechner gehören. Die Kammer war daher der Auffassung, dass ein Anspruch, der auf ein technisches Verfahren gerichtet ist, bei dem eine mathematische Methode verwendet wird, auch dann nicht Schutz für die mathematische Methode als solche anstrebt, wenn die der Erfindung zugrunde liegende Idee möglicherweise in der mathematischen Methode liegt. Dagegen bleibt ein "Verfahren zum digitalen Filtern von Daten" ein abstrakter Begriff, der sich so lange nicht von einer mathematischen Methode unterscheidet, wie nicht angegeben ist, welche physikalische Erscheinung durch die Daten dargestellt wird und den Gegenstand eines technischen Verfahrens bildet, d. h. eines Verfahrens, das gewerblich anwendbar ist (s. auch T 1161/04, T 212/94).
In T 953/94 stellte die Kammer fest, dass eine Analyse des zyklischen Verhaltens einer Kurve eindeutig eine mathematische Methode sei und als solche von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Mit der Bezugnahme auf einen digitalen Computer werde nur der Hinweis gegeben, dass die beanspruchte Methode mithilfe eines Computers, d. h. eines programmierbaren Universalrechners, ausgeführt werde; seine Funktion werde von einem Programm gesteuert, das als solches von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Die Tatsache, dass die Beschreibung Beispiele sowohl auf nichttechnischen als auch auf technischen Gebieten offenbare, bestätige die Auffassung, dass die durch die beanspruchte mathematische Methode gelöste Aufgabe vom Anwendungsgebiet unabhängig sei und somit in diesem Fall nur auf mathematischem und nicht auf einem technischen Gebiet liegen könne.
In T 1326/06 war die Kammer der Ansicht, dass Verfahren zum Verschlüsseln/Entschlüsseln oder Signieren von elektronischen Nachrichten mittels RSA als technische Verfahren gelten müssten, selbst wenn sich diese wesentlich auf mathematische Verfahren stützen (s. auch T 953/04, Nr. 3.3 der Gründe und T 27/97, Nr. 3 der Gründe).
In T 556/14 betraf die Erfindung ein Verfahren zur Verhinderung von Stromanalyseangriffen durch Maskieren eines privaten Schlüssels, der in kryptografischen Operationen auf einem sicheren Token wie einer Smartcard verwendet wird. Die Kammer befand, dass es sich bei dem beanspruchten Verfahren aufgrund des ausdrücklichen Verweises auf eine Smartcard, auf der die Teile des Schlüssels und auch die neuen Teile gespeichert werden, nicht um eine mathematische Methode als solche handelt.