4.5.1 Begriff der "therapeutischen Behandlung"
Im Fall T 469/94 hielt die Kammer fest, dass eine Behandlung zur Verminderung der Wahrnehmung von Ermüdung durch eine Erhöhung des Acetylcholinspiegels in Gehirn und Gewebe nicht mit der Linderung von Schmerzen oder Beschwerden und der Wiederherstellung der körperlichen Leistungsfähigkeit verglichen werden könne (vgl. T 81/84, ABl. 1988, 207, s. oben).
In T 74/93 (ABl. 1995, 712) bezog sich die beanspruchte Erfindung auf alicyclische Verbindungen und ihre Verwendung zur Empfängnisverhütung. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass ein Verfahren zur Empfängnisverhütung nicht schon an sich aufgrund der Art. 57 EPÜ 1973 und Art. 52 (4) Satz 1 EPÜ 1973 (jetzt Art. 53 c) EPÜ) von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei. Schwangerschaft sei keine Krankheit und ihre Verhütung daher nicht generell eine Behandlung im Sinne von Art. 53 c) EPÜ (s. auch T 820/92, ABl. 1995, 113; T 1635/09 (ABl. 2011, 542). Dennoch war das Verfahren nicht patentierbar, denn ein Verfahren zur Empfängnisverhütung, das im privaten, persönlichen Bereich eines Menschen anzuwenden ist, gilt als nicht gewerblich anwendbar (s. Kapitel I.E.1.2.1).
In T 1075/06 stellte die Kammer fest, dass ein Verfahrensanspruch, der den Schritt der Rückgabe des aufbereiteten Bluts an einen Spender nach Entfernung einiger seiner Bestandteile und Anreicherung mit einem Gerinnungshemmer beinhaltet, ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers sei, das nach Art. 53 c) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sei.
In T 611/09 betraf das Streitpatent eine Lock-Lösung für eine Infusion in das Lumen eines intravaskulären Dauerkatheters, also eines Katheters, der normalerweise in eine Vene oder Arterie eingeführt wird und somit in engem Kontakt mit dem menschlichen oder tierischen Körper steht. Der Kammer zufolge bedeutete dies nicht zwangsläufig, dass auch die Lock-Lösung in direktem Kontakt mit dem menschlichen oder tierischen Körper stand oder gar in ihm aktiv war. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die antibakterielle Aktivität nur im Lumen stattfand, das ein Bestandteil des Katheters war und sich außerhalb des menschlichen oder tierischen Körpers befand, d. h. es lag keine therapeutische Behandlung vor.
In T 1819/13 wurde die Verwendung eines Antibiotikums zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung oder Prävention einer bakteriellen Infektion bei einem Tier durch subkutane Injektion des Medikaments an der Verbindungsstelle einer Ohrmuschel mit dem Schädel des Tieres beansprucht. Die Injektionsstelle wurde als fester technischer Bestandteil der Medikamentenverabreichung und damit der therapeutischen Anwendung betrachtet. Dieses Merkmal einer speziellen Injektionsstelle bewirkte jedoch nicht, dass der Anspruch unter Art. 53 c) EPÜ fiel (s. auch T 1554/11).
In T 1599/09 und T 235/15 erachteten die Kammern die Ernährung per Sonde als unter den Begriff der Therapie fallend. Die Symptomlinderung wurde als therapeutisch angesehen, insbesondere in Fällen, in denen Patienten, die auf normalem Weg keine Nahrung aufnehmen können, per Sonde ernährt werden.