4.4.4 "Chirurgische Behandlung" in der Rechtsprechung im Anschluss an G 1/07
Die Kammern mussten sich mit der Frage auseinandersetzen, ob bestimmte chirurgische Schritte Teil eines beanspruchten Verfahrens sind, oder ob sie lediglich vorbereitende Schritte sind, die nicht als Teil des jeweils beanspruchten Verfahrens angesehen werden können.
In T 992/03 vom 4. November 2010 date: 2010-11-04 wurden Verfahren zur MRT-Abbildung von Lungen und/oder Herzgefäßen eines Patienten unter Verwendung von sich in gelöster Phase befindlichem polarisiertem 129Xe-Gas beansprucht. Die Kammer stellte fest, dass die Verabreichung von polarisiertem 129Xe-Gas und die Initialisierung des MR-Systems Vorbereitungsschritte seien, die jedoch nicht zum Beitrag der Erfindung zum Stand der Technik zählten. Die Verfahrensansprüche umfassten somit keinen "invasiven Schritt [...], der einen erheblichen physischen Eingriff am Körper darstellt, dessen Durchführung medizinische Fachkenntnisse erfordert und der, selbst wenn er mit der erforderlichen professionellen Sorgfalt unerheblichen Gesundheitsrisiko verbunden ist" (G 1/07).
In T 2438/11 war der Anspruch auf ein Instrumentenausrichtungsverfahren gerichtet und beinhaltete die Schritte, dass ein chirurgischer Bohrer oder Fräser zu einem Zielpunkt hin ausgerichtet wird. Diese Ausrichtung sollte innerhalb des Patientenkörpers in direktem physischen Kontakt mit dem Knochen stattfinden. Die Kammer urteilte, dass schon die reine Ausrichtung, d. h. aktive Bewegung, eines solchen Instruments innerhalb des Patientenkörpers einen erheblichen physischen Eingriff am Körper und somit einen Verfahrensschritt zur chirurgischen Behandlung des menschlichen Körpers darstellt. Das beanspruchte Instrumentenausrichtungsverfahren, bei dem der (aktive) Ausrichtungsschritt explizit mitbeansprucht ist, unterscheidet sich auch grundlegend von einem reinen (passiven) Positionsermittlungsverfahren, wie es der T 836/08 (siehe unten) zugrundelag.