3.3. Begriff der Öffentlichkeit
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Information auch dann öffentlich zugänglich, wenn sie einem begrenzten Personenkreis zugänglich gemacht wurde (T 877/90 – Kongress; T 228/91 – Kurs; T 292/93 – Demonstration für potenzielle Kunden auf dem Gelände einer mit dem Einsprechenden eng verbundenen Firma). Ob ein Mitglied der Öffentlichkeit die Information tatsächlich abgerufen hat, ist hierbei irrelevant (T 84/83). Nach T 877/90 ist eine mündliche Offenbarung als der Öffentlichkeit zugänglich anzusehen, wenn es Mitgliedern der Öffentlichkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt möglich war, von ihrem Inhalt Kenntnis zu erhalten, und ihre Verwendung oder Verbreitung nicht aus Vertraulichkeitsgründen in irgendeiner Weise beschränkt war (s. auch T 300/86 für eine schriftliche Beschreibung und T 443/09 für eine offenkundige Vorbenutzung).
In T 165/96 war eine technische Information über eines der Merkmale der Erfindung vor dem Anmeldetag der betreffenden europäischen Patentanmeldung in der Beilage eines Anzeigenblatts, das in kleiner Auflage (24 000 Stück) in einem Kopenhagener Vorort vertrieben wurde, offenbart worden. Die Kammer befand, dass "Öffentlichkeit" im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ 1973 weder eine Mindestanzahl an Personen noch eine bestimmte Ausbildung voraussetzt und dass die Einwohner eines Kopenhagener Vororts hierfür genügen.
In T 1085/92 wurde festgestellt, dass das eigene Personal einer Firma normalerweise nicht als Öffentlichkeit im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ 1973 angesehen werden kann (s. auch T 1464/05, T 1057/09).
In T 1081/01 führte die Kammer aus, falls derjenige, der die Information erhalte, zu diesem Zeitpunkt in einer besonderen Beziehung zum Informationsgeber stehe, er nicht als Mitglied der Öffentlichkeit betrachtet werden könne, und die Information könne nicht als veröffentlicht im Sinne des Art. 54 EPÜ 1973 angesehen werden. Selbst wenn diese besondere Beziehung in der Folge beendet werde und es dem Empfänger der Information somit fortan freistehe, die Information weiterzugeben, werde die Information nicht schon allein durch die Beendigung der besonderen Beziehung einem Dritten zugänglich (s. auch T 1057/09, im Bezug auf eine Diplomarbeit).
In T 398/90 urteilte die Kammer, dass ein Schiffsmotor der Maschinenmannschaft bekannt gewesen und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei.
In T 313/05 hatten die Beschwerdegegner behauptet, das Dokument D30 sei der Öffentlichkeit bei einem internationalen Workshop zugänglich gemacht worden. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass es nur dann als gesichert angesehen werden könne, dass das fragliche Dokument vor dem Prioritätstag des Streitpatents der Öffentlichkeit zur Verfügung stand, wenn die Kammer angesichts der vorliegenden Beweismittel keine berechtigten Zweifel mehr daran hege. Dieses Erfordernis war nicht erfüllt (s. auch T 1335/05).