2.4. Änderungen nach Regel 137 (3) EPÜ
In T 2680/18 erklärte die Kammer, dass bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Anträgen nach R. 137 (3) EPÜ die Konvergenz mehrerer Anträge grundsätzlich Berücksichtigung finden kann. Ausschlaggebend ist die "Konvergenz" oder "Divergenz" der Anspruchsfassungen, also die Frage, ob sie den Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Hauptantrags weiterentwickeln, indem sie ihn schrittweise in eine Richtung bzw. in Richtung einer erfinderischen Idee beschränken, oder ob sie ihn durch die Aufnahme verschiedener Merkmale in unterschiedliche Richtungen weiterentwickeln.
In T 1074/10 stellte die Kammer fest, dass das Konvergenzkriterium (d. h. ob die jeweiligen Anspruchsfassungen konvergieren oder divergieren) von den Beschwerdekammern akzeptiert und auch selbst angewandt wurde (s. z. B. T 240/04, T 1685/07, T 1969/08). Die Kammer führte aus, dass R. 86 (3) EPÜ 1973 – und entsprechend R. 137 (3) EPÜ – völlig offen lässt, wie die Prüfungsabteilung ihr Ermessen ausüben sollte, und insbesondere definiert die Regel weder ein Konvergenzkriterium noch ein Kriterium, das prima facie auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ abstellt. Die Kammer war der Auffassung, dass die "Divergenz" eines Antrags gegenüber früheren Anträgen in dem Sinne, dass sich der streitige Sachverhalt entscheidend ändert, möglicherweise dem Interesse des EPA entgegensteht, das Verfahren abzuschließen. Die Kammer schloss sich deshalb der angeführten Rechtsprechung an und befand, dass die Divergenz eines Antrags ein Faktor von mehreren ist, die eine Entscheidungsinstanz bei der Ausübung ihres Ermessens nach R. 86 (3) EPÜ 1973 berücksichtigen kann. Folglich war die Entscheidung der Prüfungsabteilung, einen Antrag nicht zuzulassen, nicht falsch, nur weil dieses Kriterium angewandt wurde.
In T 996/12 erklärte die Kammer, wie die Prüfungsabteilung ihr Ermessen bei der Zulassung von Änderungen ausübt, richtet sich, allgemein gesprochen, nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und danach, in welchem Stadium des Erteilungsverfahrens sich die Anmeldung befindet. Die Kammer stellte fest, dass die geltenden Richtlinien nicht das Konzept stützten, wonach konvergierende Anspruchssätze eine Voraussetzung für die Zulassung von Änderungen sind bzw. dass umgekehrt ein divergierender Anspruchssatz nicht akzeptabel ist. Die Prüfungsabteilung hatte in Bezug auf dieses Kriterium auf zwei Entscheidungen der Beschwerdekammern verwiesen, nämlich T 1685/07 und T 745/03. Abgesehen davon, dass diese Entscheidungen insbesondere für den Fall gelten, dass ein Patentinhaber im Einspruchsbeschwerdeverfahren neben einem Hauptantrag mehrere Hilfsanträge einreicht, legte die Kammer Wert auf die Feststellung, dass dieses Kriterium durch die Effizienz des Beschwerdeverfahrens zu rechtfertigen ist, das gerichtlichen Charakter hat, im Gegensatz zum rein administrativen Charakter des Verfahrens z. B. vor der Prüfungs- oder der Einspruchsabteilung. Laut Kammer macht diese grundsätzliche Unterscheidung eo ipso die vorbehaltlose Anwendung dieses Kriteriums durch die erste Instanz des EPA fragwürdig.