1.6.1 Kombination von Merkmalen aus einzelnen Ausführungsformen; Anmeldung in der eingereichten Fassung ist kein "Reservoir"
Der Inhalt einer Anmeldung kann nicht als Reservoir gesehen werden, aus dem Merkmale von verschiedenen Ausführungsbeispielen kombiniert werden können, um künstlich eine bestimmte Ausführungsform zu konstruieren (T 296/96, T 686/99, T 1206/01, T 1041/07, T 3/06, T 1206/07, T 1239/08, T 1648/11, T 1799/12, T 1853/13, T 1775/14). In Ermangelung eines wie auch immer gearteten Hinweises auf eine bestimmte Kombination ist diese Mehrfachauswahl von Merkmalen für den Fachmann nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar (T 686/99, T 1853/13, T 1252/13). Als Hinweis kann die Tatsache dienen, dass die fraglichen Merkmale in der Beschreibung als "bevorzugt" erwähnt werden (T 68/99, T 1869/11, T 394/11, T 1799/12; zu Gegenbeispielen s. jedoch T 2118/08 und T 1306/12). In T 1728/16 wurde der Umstand, dass zwei der in den strittigen Anspruch aufgenommenen Merkmale als bevorzugt offenbart waren, als Hinweis auf deren Kombination mit der dritten Änderung gesehen, mit der allgemein offenbarte Prozentbereiche eingeführt wurden.
In T 524/17 hatte der Beschwerdeführer 2 argumentiert, dass die Merkmale des Anspruchs 1 aus verschiedenen Ausführungsformen ausgewählt worden seien. Die Kammer führte jedoch aus, dass sich in der betreffenden Anmeldung die Formulierung "in einem Ausführungsbeispiel" auf die allgemeine Lehre von bevorzugten Merkmalen bezog, die kombinierbar waren, ohne über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinauszugehen. S. aber auch T 1442/16.
In T 3142/19 hatte die Prüfungsabteilung befunden, dass ohne einen positiven Hinweis auf eine Kombination von Merkmalen, die ansonsten als optional präsentiert würden, eine solche Kombination neue technische Informationen darstelle. Nach Auffassung der Kammer war dieses Argument jedoch nur in seiner positiven Form gültig: Wenn die Beschreibung darauf hinweist, dass eine bestimmte Kombination für die Lösung einer technischen Aufgabe wünschenswert oder notwendig ist, dann erfolgt ein klarer Hinweis auf die Offenbarung der Kombination. Wenn nicht, bedeutet dies aber nicht automatisch, dass der Fachmann die Kombination nicht aus der Anmeldung in der eingereichten Fassung ableiten kann. Allerdings kann sich eine übermäßige Zahl von optionalen Merkmalen auf die Beurteilung der Konformität mit Art. 123 (2) EPÜ auswirken, weil angesichts der Vielzahl optionaler Merkmale eine einzelne Kombination möglicherweise vom Fachmann nicht klar und eindeutig abgeleitet werden kann. Ob dies tatsächlich zutrifft, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, z. B. von der durch die optionalen Merkmale bedingten Komplexität.
Zu Beispielen für die Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze im Fall von Teilanmeldungen im Hinblick auf die frühere Anmeldung in der eingereichten Fassung, s. z. B. T 2118/08, T 961/09, T 1581/12; s. auch den Verweis auf G 1/05 date: 2007-06-28 (ABl. 2008, 271) in Kapitel II.E.1.1.
- T 1133/21
Catchword:
The mere fact that features are described in the application as filed in terms of lists of more or less converging alternatives does not give the proprietor a "carte blanche" for freely combining features selected from a first list with features selected from a second list disclosed in the application as filed. Any such amendment will only be allowable under Article 123(2) EPC if it complies with the "gold standard" defined in decision G 2/10 (reasons 2.18 of the present decision).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”