1.2. Nach Regel 144 EPÜ von der Einsicht ausgeschlossene Aktenteile
In T 811/90 (ABl. 1993, 728) ordnete die Kammer an, dass Unterlagen, die gemäß Art. 128 (4) und R. 93 a) bis d) EPÜ 1973 normalerweise nicht von der Akteneinsicht ausgeschlossen sind, aber deren Einreichung unmittelbar auf einen wesentlichen Verfahrensmangel zurückzuführen ist, aus dem der Akteneinsicht zugänglichen Aktenteil zu entfernen sind. Außerdem wurde angeordnet, dass die Unterlagen dem Beteiligten auf Antrag zurückzusenden sind. Ähnlich entschied die Kammer in T 516/89 (ABl. 1992, 436), dass als "vertraulich" gekennzeichnete Unterlagen, die nicht zu denjenigen Arten von Schriftstücken gehören, die von der Akteneinsicht ausgeschlossen werden, an den Beteiligten zurückzusenden sind, ohne dass ihr Inhalt zur Kenntnis genommen würde. S. auch T 760/89 (ABl. 1994, 797).
In T 264/00 enthielten zwei interne Schriftstücke, die dem Beschwerdeführer bzw. dem Beschwerdegegner gehörten und die Ergebnisse einer vertraulichen Unterredung zwischen zwei ihrer Angestellten betrafen, vertrauliche Informationen hinsichtlich Entwurf, Herstellung und Vermarktung bestimmter Produkte des Beschwerdegegners. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Verbreitung dieser Informationen den wirtschaftlichen Interessen, die es zu wahren gelte, in der Tat schaden könnte. Im Einvernehmen mit beiden Beteiligten schloss die Kammer die Unterlagen nach R. 93 d) EPÜ 1973 von der Akteneinsicht aus.
In T 1401/05 vom 20. September 2006 date: 2006-09-20 vertrat die Kammer die Auffassung, dass die öffentliche Zugänglichkeit von Unterlagen mit unternehmensinternen Informationen den Anmelder und seinen Inlandsvertreter um wertvolle kommerzielle Vermögenswerte bringen könnte, dass solche Informationen von Wettbewerbern dazu genutzt werden könnten, sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Anmelder zu verschaffen, und dass eine Reihe zusätzlicher Angaben die Karriereaussichten von Angestellten des Anmelders und seines Inlandsvertreters beeinträchtigen könnten. Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass die Akteneinsicht in wesentliche Teile der Unterlagen den schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen juristischer Personen und den schutzwürdigen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen natürlicher Personen schaden würde. Da die betreffenden Unterlagen keine Patentinformationen enthielten, schloss die Kammer sie von der Akteneinsicht aus.
In T 99/09 enthielt das Schriftstück, dessen Ausschluss von der Akteneinsicht beantragt worden war, genaue technische Angaben zu den Bestandteilen eines handelsüblichen Arzneimittels sowie bestimmte Merkmale zu dessen Herstellung. Aufgrund des technischen Charakters des Schriftstücks kam die Kammer zu dem Schluss, dass seine öffentliche Verfügbarkeit tatsächlich die wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigen könnte. Der Antrag auf Ausschluss des Schriftstücks von der öffentlichen Akteneinsicht wurde von den Beschwerdegegnern weder beanstandet noch kommentiert. Das betreffende Schriftstück ist damit auf der Grundlage von Art. 1 (2) a) des Beschlusses der Präsidentin des Europäischen Patentamts vom 12. Juli 2007 (ABl. SA 3/2007, 125) gemäß Art. 128 (4) und R. 144 d) EPÜ von der öffentlichen Akteneinsicht ausgeschlossen.
In J 23/10 ließ sich dem fraglichen Schriftstück entnehmen, dass der Beschwerdeführer Jahresgebühren für bestimmte Anmeldungen entrichtete, für die er nicht als Anmelder eingetragen war. Diese Anmeldungen waren ihm übertragen worden, ohne dass es bekannt gemacht worden wäre. Im Register war immer noch der Übertragende genannt. Nach Auffassung der Juristischen Kammer handelt es sich hierbei um Informationen über das Innenverhältnis der Parteien, deren Veröffentlichung ihre wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigen könnte, die aber für die Beurteilung der Patentanmeldung an sich irrelevant sind und daher von der Akteneinsicht auszuschließen sind.
In T 1201/10 vom 20. Mai 2019 date: 2019-05-20 enthielt der Antrag auf Wiedereinsetzung Informationen über die finanziellen Verhältnisse des Beschwerdeführers. Die Kammer befand, dass der Beschwerdeführer ein berechtigtes persönliches Interesse daran hatte, dass diese Informationen nicht an die Öffentlichkeit gelangten. Der Wiedereinsetzungsantrag selbst war für die Entscheidung im vorliegenden Fall nicht von Belang.
In T 1534/16 reichte der Beschwerdeführer im schriftlichen Verfahren vor der Kammer vor Zurücknahme seines Einspruchs eine Reihe von Unterlagen ein, die auf Antrag des Beschwerdeführers (Patentinhabers) vorläufig von der Akteneinsicht ausgeschlossen wurden. Nachdem der Einsprechende und Beitretende dem Antrag des Beschwerdeführers ausdrücklich schriftlich zugestimmt hatte und die fraglichen Unterlagen nach Überzeugung der Kammer nicht dem Zweck dienten, die Öffentlichkeit über das Patent zu unterrichten, entschied die Kammer, dass die Unterlagen nach R. 144 d) EPÜ von der Akteneinsicht ausgeschlossen bleiben sollten.