BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 18. Februar 2002 - G 3/99
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | P. Messerli |
Mitglieder: | J.-C. Saisset |
| C. Andries |
| G. Davies |
| R. Teschemacher |
| E. Turrini |
| H. P. Walter |
Patentinhaber/Beschwerdegegner: Howard Florey Institute of Experimental Physiology and Medicine
Einsprechender/Beschwerdeführer: Aglietta, Amendola et al.
Einsprechender/Weiterer Verfahrensbeteiligter: Paul Lannoye
Stichwort: Zulässigkeit eines gemeinsamen Einspruchs bzw. einer gemeinsamen Beschwerde/HOWARD FLOREY
Artikel: 58, 99, 99 (1), 104, 107, 110 (1), 112 (1) a), 133, 133 (4), 134 EPÜ
Regel: 1, 26 (2) c), 36 (3), 55, 55 a), 56 (2), 60 (2), 66 (1), 100, 100 (1) EPÜ
Schlagwort: "Zulässigkeit - Einspruchsgebühr - Personen, die gemeinsam Einspruch einlegen - gemeinsamer Einspruch" - "Zulässigkeit - Beschwerdegebühr - Personen, die gemeinsam Beschwerde einlegen - gemeinsame Beschwerde" - "gemeinsamer Vertreter"
Leitsätze
I. Ein Einspruch, der von mehreren Personen gemeinsam eingelegt wird und ansonsten den Erfordernissen des Artikels 99 EPÜ sowie der Regeln 1 und 55 EPÜ genügt, ist zulässig, wenn nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird.
II. Besteht die Partei der Einsprechenden aus mehreren Personen, so muß eine Beschwerde von dem gemeinsamen Vertreter gemäß Regel 100 EPÜ eingelegt werden. Wird die Beschwerde von einer hierzu nicht berechtigten Person eingelegt, so betrachtet die Beschwerdekammer sie als nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und fordert den gemeinsamen Vertreter daher auf, sie innerhalb einer bestimmten Frist zu unterzeichnen. Die nichtberechtigte Person, die die Beschwerde eingelegt hat, wird von dieser Aufforderung in Kenntnis gesetzt. Scheidet der bisherige gemeinsame Vertreter aus dem Verfahren aus, so ist gemäß Regel 100 EPÜ ein neuer gemeinsamer Vertreter zu bestimmen.
III. Zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers und im Interesse der Verfahrenseffizienz muß während des gesamten Verfahrens klar sein, wer der Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden bzw. der gemeinsamen Beschwerdeführer angehört. Beabsichtigt einer der gemeinsamen Einsprechenden oder der gemeinsamen Beschwerdeführer (oder der gemeinsame Vertreter), sich aus dem Verfahren zurückzuziehen, so muß das EPA durch den gemeinsamen Vertreter bzw. durch einen nach Regel 100 (1) EPÜ bestimmten neuen gemeinsamen Vertreter entsprechend unterrichtet werden, damit der Rückzug aus dem Verfahren wirksam wird.
Sachverhalt und Anträge
Die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 hat der Großen Beschwerdekammer mit ihrer Entscheidung T 272/95 vom 15. April 1999 (ABl. EPA 1999, 590) gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1. Ist ein Einspruch zulässig, der ansonsten den Erfordernissen des Artikels 99 EPÜ und der Regel 55 EPÜ genügt, wenn er von mehreren Personen gemeinsam eingelegt und nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird?
2. Wird die Frage 1 bejaht und wurde in der Einspruchsschrift nach Regel 100 (1) EPÜ ein gemeinsamer Vertreter bezeichnet, ist dann eine Beschwerde rechtswirksam, auch wenn sie nicht von dieser Person eingelegt wird?
3. Werden die Fragen 1 und 2 bejaht, welche etwaigen anderen Erfordernisse müssen zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers bei einem gemeinsamen Einspruch bzw. bei einer gemeinsamen Beschwerde erfüllt sein?
II. In der Vorlageentscheidung verwies die Kammer darauf, daß sie die Antworten auf diese Fragen benötige, um über die Einwendungen der Beschwerdegegnerin gegen die Zulässigkeit des Einspruchs und der anschließenden Beschwerde T 272/95 zu entscheiden.
III. Der Sachverhalt, der dieser Vorlage vorausging, läßt sich wie folgt zusammenfassen:
1) Was den Einspruch betrifft:
a) Ein zugelassener Vertreter im Sinne des Artikels 134 EPÜ reichte am 10. Januar 1992 in einem einzigen Schreiben zwei getrennte Einsprüche ein und entrichtete zugleich zwei Einspruchsgebühren. Der Vertreter erklärte, er sei nicht sicher, ob der erste Einspruch nach Artikel 99 (1) EPÜ zulässig sei. Dieser wurde eingelegt "namens und im Auftrag der Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament [nachstehend: "Fraktion der Grünen"], nämlich der Abgeordneten ....", woran sich eine Liste mit 26 namentlich genannten Mitgliedern des Europäischen Parlaments anschloß. Die Liste, in der an erster Stelle Frau Aglietta genannt war, wurde ergänzt durch Herrn Paul Lannoye, den Vorsitzenden der Fraktion der Grünen, der als gemeinsamer Vertreter bestellt war (so daß die Gruppe insgesamt aus 27 natürlichen Personen bestand). Der zugelassene Vertreter reichte daher gleichzeitig einen zweiten Einspruch im Namen von Herrn Paul Lannoye allein ein und gab an, daß beide Einsprüche in gleicher Weise geführt würden.
b) Am 11. November 1992 wies der Formalsachbearbeiter in einer Mitteilung darauf hin, daß
- zweifelhaft sei, ob die Fraktion der Grünen eine juristische Person sei oder einer solchen gleichgestellt werden könne;
- der erste Einspruch jedoch nach Regel 100 (1) letzter Satz EPÜ als gemeinsamer Einspruch mehrerer Einzelpersonen betrachtet werden könne, sofern der zugelassene Vertreter bevollmächtigt sei, jede einzelne dieser Personen zu vertreten;
- der zweite Einspruch als solcher kein Problem bereite; falls aber der erste Einspruch als "gemeinsamer Einspruch" zu betrachten sei, könne der Fraktionsvorsitzende der Grünen an ein und demselben Verfahren nur einmal beteiligt sein.
Der zugelassene Vertreter wurde aufgefordert zu klären, ob der Fraktionsvorsitzende der Grünen seinen gesonderten Einspruch aufrechterhalte - in diesem Fall würde er aus der Liste der gemeinsamen Einsprechenden gestrichen, damit klar erkennbar sei, daß zwei verschiedene Einsprüche eingelegt worden seien, wobei er sich von demselben zugelassenen Vertreter vertreten lassen und im Einvernehmen mit den gemeinsamen Einsprechenden handeln könne - oder ob er sich lieber an dem "gemeinsamen Einspruch" beteiligen und zusammen mit den anderen gemeinsamen Einsprechenden auftreten wolle - in diesem Falle wäre sein gesonderter Einspruch hinfällig und würde infolgedessen gestrichen.
Ferner hieß es in der Mitteilung, daß ungeachtet der Vorgehensweise, die im Verfahren gewählt werde, keine Veranlassung bestehe, eine der entrichteten Einspruchsgebühren zurückzuerstatten.
c) In einer Erwiderung vom 21. Januar 1993 gab der zugelassene Vertreter der ersten Alternative den Vorzug. Damit beschloß er, zwei getrennte Einsprüche aufrechtzuerhalten, nämlich den ersten - gemeinsam eingelegten - Einspruch (nachstehend: Einspruch 01) der in der Einspruchsschrift namentlich aufgeführten Mitglieder der Fraktion der Grünen, jedoch ohne den Fraktionsvorsitzenden Herrn Lannoye, d. h. von insgesamt 26 Personen (nachstehend: gemeinsame Einsprechende 01), und den zweiten Einspruch (nachstehend: Einspruch 02), der im Namen des Vorsitzenden der Fraktion der Grünen (nachstehend: Einsprechender 02) eingelegt wurde.
d) Am 3. Mai 1993 reichte der zugelassene Vertreter für beide Einsprüche je eine Vollmacht ein: Mit der ersten wurde er ermächtigt, 18 der 26 Personen zu vertreten, die gemeinsam den Einspruch 01 eingelegt hatten (unterzeichnet war die Vollmacht unter anderem von Frau Aglietta, die in der Liste der gemeinsamen Einsprechenden an erster Stelle genannt war). Mit der zweiten wurde er bevollmächtigt, Herrn Lannoye, den Vorsitzenden der Fraktion der Grünen, in dem von letzterem eingelegten Einspruch 02 zu vertreten.
e) Die Patentinhaberin machte in ihrer Stellungnahme vom 10. November 1993 hinsichtlich der Zulässigkeit der beiden Einsprüche lediglich geltend, wenn der Einspruch der Fraktion im Namen einer Gruppe von Einzelpersonen hätte eingelegt werden sollen, so hätte dies von Anfang an innerhalb der Einspruchsfrist geschehen müssen.
f) Am Ende der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember 1994 entschied die Einspruchsabteilung, daß beide Einsprüche zulässig seien, weil sie alle Erfordernisse des Artikels 99 (1) EPÜ und der Regel 55 EPÜ erfüllten. In bezug auf den Einspruch 01 stellte die Einspruchsabteilung fest, daß die Namen der einzelnen Mitglieder der Fraktion der Grünen in der Einspruchsschrift aufgeführt seien und daher nichts dagegen spreche, den Einspruch als gemeinsamen Einspruch einer Gruppe in der Einspruchsschrift namentlich bezeichneter natürlicher Personen anzusehen. Es sei unerheblich, ob alle aufgeführten Personen immer noch der Fraktion der Grünen angehörten; diese Frage sei ohnehin als akademisch zu werten, da die Zulässigkeit des gesonderten Einspruchs von Herrn Lannoye, dem Vorsitzenden der Fraktion der Grünen, (Einspruch 02) außer Zweifel stehe. Der Einspruch wurde aus materiellen Gründen zurückgewiesen.
g) Mit Schreiben vom 12. Dezember 1994, das am 14. Dezember beim EPA einging, d. h. nachdem die Entscheidung am Ende der mündlichen Verhandlung vom 8. Dezember mündlich verkündet worden war, aber bevor den Beteiligten am 18. Januar 1995 die schriftliche Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung zugeschickt wurde, gab der zugelassene Vertreter bekannt, daß er seine Vollmacht in bezug auf den Einspruch 01 niederlege und künftige Schreiben an die "Grünen im Europäischen Parlament zu Händen Frau Linda Bullard" zu richten seien.
2) Was die Beschwerde betrifft:
a) Mit einem am 28. März 1995 beim EPA eingegangenen Fax reichte Frau L. Bullard im Namen von fünf Mitgliedern des Europäischen Parlaments, die alle im Einspruchsverfahren in der Liste der gemeinsamen Einsprechenden genannt waren, eine von ihr unterzeichnete Beschwerdeschrift gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein. Die erste in dieser Liste von fünf Personen war Frau Aglietta, die auch in der Liste der gemeinsamen Einsprechenden an erster Stelle genannt war. Frau L. Bullard bestätigte, daß die schriftliche Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung an "Aglietta, Amendola et al., Fraktion der Grünen" zugestellt worden sei, und kündigte an, daß das EPA zu gegebener Zeit noch über die Regelung der rechtlichen Vertretung informiert werde. Die erste Person, die in der Beschwerdeschrift als gemeinsame Beschwerdeführerin genannt war, war dieselbe, die in der Einspruchsschrift als gemeinsame Einsprechende an erster Stelle stand, nämlich Frau Aglietta.
b) In einer Mitteilung nach Regel 36 (3) EPÜ vom 4. April 1995 wurden die Beschwerdeführer von einem Formalsachbearbeiter der Generaldirektion 2 des EPA davon unterrichtet, daß die Beschwerdeschrift von einer hierzu nicht berechtigten Person unterzeichnet worden sei, und aufgefordert, innerhalb von zwei Monaten eine ordnungsgemäß von einer berechtigten Person unterschriebene Ausfertigung einzureichen. Andernfalls gelte das Schriftstück als nicht eingegangen.
c) Mit Schreiben vom 12. April 1995, das am 22. April beim EPA einging, übermittelte Frau L. Bullard eine vom 28. März 1995 datierte Vollmacht, die von den fünf in der Beschwerdeschrift genannten Personen unterzeichnet war und sie ermächtigte, so lange in deren Namen zu handeln, bis ein Rechtsvertreter benannt worden sei.
d) Am 3. Mai 1995 erließ die vorlegende Kammer eine Mitteilung, in der sie die Frage nach der Rechtswirksamkeit der Beschwerde und nach der Identität des Beschwerdeführers stellte, da die Beschwerdeschrift nicht von einem der darin genannten Beschwerdeführer und offenbar auch nicht von einer Person unterzeichnet worden sei, die nach einer der Bestimmungen des Artikels 134 EPÜ vertretungsberechtigt sei.
e) Mit einem vom 24. Mai 1995 datierten Formblatt, das am 26. Mai 1995 per Fax beim EPA einging, bestellten die in der Beschwerdeschrift genannten fünf Personen einen neuen zugelassenen Vertreter. Von der Fraktion der Grünen als solcher wurde kein zugelassener Vertreter bestellt.
f) In einer am 13. Juli 1995 beim EPA eingegangenen Erwiderung auf die Mitteilung vom 3. Mai 1995 erklärte der neue zugelassene Vertreter, daß es sich bei den Beschwerdeführern in dieser Sache um die Gruppe der gemeinsam auftretenden ursprünglichen Einsprechenden mit Ausnahme einer inzwischen verstorbenen Person handle. (Der Verstorbene zählte zu den fünf Personen, die in der Beschwerdeschrift aufgeführt waren und vor dessen Tod die Vollmacht für Frau L. Bullard und den neuen Vertreter unterzeichnet hatten.) Der Erwiderung waren beigefügt:
- Kopien der am 28. März 1995 beim EPA eingegangenen Beschwerdeschrift, die von allen diesen Personen gegengezeichnet waren, auch von Frau Aglietta, die in der Liste der gemeinsamen Einsprechenden an erster Stelle genannt war;
- von jedem einzelnen, auch von Frau Aglietta unterzeichnete Vollmachten für den neuen Vertreter, die teils vom 24. April 1995 und teils zwischen dem 22. und dem 30. Juni 1995 datiert oder undatiert waren;
- ein Schreiben des Einsprechenden 02 vom 10. Juli 1995, in dem er dem EPA mitteilte, daß er nach Artikel 107 EPÜ von Rechts wegen am Beschwerdeverfahren beteiligt bleiben und sich selbst vertreten wolle.
g) Wie vorstehend in den Nummern I und II dargelegt wurde, beschloß die Technische Beschwerdekammer 3.3.4, die Große Beschwerdekammer mit dieser Sache zu befassen.
IV. Der Sachverhalt zu dieser Vorlage läßt sich wie folgt zusammenfassen:
1) In einem am 20. September 1999 beim EPA eingegangenen Fax nahm der Vertreter der Patentinhaberin wie folgt zu den Vorlagefragen Stellung:
- Was die Frage 1 betreffe, so könne, wenn der Einspruch 01 als zulässig anzusehen sei, der Einspruch ebenso wie eine anschließende Beschwerde nur im Namen der ursprünglich namentlich genannten gemeinsamen Einsprechenden betrieben werden.
- Was die Frage 2 betreffe, so stehe bei einem "gemeinsamen Einspruch", für den nur eine einzige Gebühr entrichtet worden sei, der Anspruch auf die Einsprechendenstellung nur der Gruppe insgesamt und nicht einem beliebigen ihrer Mitglieder zu; es gebe (außer bei einem Rechtsübergang) keine rechtliche Grundlage dafür, daß ein anderer als der gemeinsame Vertreter nach Regel 100 EPÜ Beschwerde einlegen könne.
- Was die Frage 3 betreffe, so müsse die Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden im Beschwerdeverfahren nach wie vor dieselbe sein; ziehe sich ein Mitglied der Gruppe zurück oder kündige sein Interesse auf, so laufe dies zwangsläufig auf den Rückzug der ganzen Gruppe bzw. die Aufkündigung ihres Interesses hinaus.
2) Am 14. April 2000 wurde eine erste Mitteilung an alle betroffenen und in der öffentlich zugänglichen Verfahrensakte in Erscheinung getretenen Personen geschickt, um diesen Gelegenheit zu geben, zu den durch die Vorlage aufgeworfenen Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Damit wurde einer wie auch immer gearteten endgültigen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer über die Stellung dieser Personen im Einspruchs- bzw. Beschwerdeverfahren ebensowenig vorgegriffen wie der Beantwortung der Frage, ob Personen, die gemeinsam Einspruch eingelegt haben, auch einzeln handeln können.
3) In einer zweiten Mitteilung vom 28. August 2001 wurden diese Personen aufgefordert, bis zum 9. November 2001 zu der vorläufigen Auffassung der Großen Beschwerdekammer Stellung zu nehmen.
4) Die Patentinhaberin antwortete als einzige und erklärte, sie habe zu der Mitteilung nichts zu bemerken.
5) Eine mündliche Verhandlung vor der Großen Beschwerdekammer wurde nicht beantragt.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit der Vorlage
1. Die zu entscheidenden Rechtsfragen sind der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ vorgelegt worden.
2. Die vorlegende Kammer hat zutreffend festgestellt, daß die Zulässigkeit des Einspruchs und der anschließenden Beschwerde davon abhängt, wie die Vorlagefragen beantwortet werden, und dargelegt, warum sie Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen (s. Nrn. 1 und 2 der Entscheidungsgründe).
3. Auch wenn der Begriff "gemeinsamer Einspruch" im EPÜ nicht ausdrücklich vorkommt, entspricht er doch exakt der Konstellation in Regel 100 (1) letzter Satz EPÜ, wo auf "mehrere Personen, die gemeinsam einen Einspruch ... einreichen", Bezug genommen wird. Diese Personen werden in der vorliegenden Entscheidung als "gemeinsame Einsprechende" bezeichnet, Personen, die in der anschließenden Beschwerde gemeinsam auftreten, werden "gemeinsame Beschwerdeführer" genannt, und der Oberbegriff "gemeinsame Beteiligte" wird ohne Unterschied für gemeinsame Einsprechende wie auch für gemeinsame Beschwerdeführer verwendet. Mit Fällen, in denen gemeinsame Einsprechende nur eine einzige Einspruchsgebühr entrichten, haben Einspruchsabteilungen regelmäßig zu tun. Dies war nicht nur bei der "Krebsmaus"-Sache der Fall, die von der vorlegenden Kammer angeführt wurde (Einspruch betreffend die Anmeldung Nr. 85 304 440.7, nicht Nr. 85 030 449.0), sondern im Laufe der Jahre noch bei einer ganzen Reihe gemeinsamer Einsprüche wie z. B. von Unilever PLC und Unilever NV, bei denen es sich trotz der ähnlichen Firmennamen um zwei verschiedene juristische Personen handelt. Diese Einsprüche wurden auf der Basis der Regel 100 (1) EPÜ als zulässig angesehen. Dagegen wurde in T 543/99 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) entschieden, daß diese Unternehmen, d. h. Unilever PLC und Unilever NV als "verbundene Unternehmen", jeweils eine Einspruchsgebühr hätten entrichten müssen, als sie Einspruch einlegten. Hieran zeigt sich, daß eine rechtliche Klärung vonnöten ist.
4. Wie bereits in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 8/92 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) festgestellt wurde, geht die Große Beschwerdekammer zwar prinzipiell davon aus, daß eine Vorlage nur dann zulässig ist, wenn die Beschwerde zulässig ist, doch gilt dies nicht, wenn gerade die Zulässigkeit der Beschwerde Gegenstand der Vorlage ist. Ohne diese Ausnahme würde den Kammern in Fällen wie diesem die Möglichkeit vorenthalten, die Große Beschwerdekammer mit Rechtsfragen zu befassen, die für die Zulässigkeit einer Beschwerde von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dies würde Artikel 112 (1) a) EPÜ zuwiderlaufen, dem keine solchen Einschränkungen zu entnehmen sind.
5. Die Vorlage ist daher zulässig.
Zulässigkeit eines von mehreren Personen gemeinsam eingelegten Einspruchs, wenn nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird
6. Auch wenn mit der Einspruchsschrift zwei getrennte Einsprüche gleichzeitig eingelegt wurden, ist doch aus den damaligen Erklärungen des zugelassenen Vertreters ersichtlich, daß ihm eindeutig daran gelegen war, wenigstens einen Einspruch rechtswirksam einzulegen. Er betonte, daß beide Einsprüche ohnehin in gleicher Weise geführt werden sollten, und gab an, es seien nur deshalb zwei getrennte Einsprüche eingelegt und zwei Einspruchsgebühren entrichtet worden, um sicherzustellen, daß zumindest einer davon zulässig sei.
7. Die Zulässigkeit des zweiten Einspruchs, d. h. des Einspruchs 02, wurde nie ernsthaft angefochten, da er alle Erfordernisse des EPÜ eindeutig erfüllte. Für die Frage, ob ein rechtswirksames Einspruchsverfahren vorliegt, scheint die Zulässigkeit des Einspruchs 01 prima facie daher ohne Belang zu sein. Da aber nur die Einsprechenden 01 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt haben, hängt die Zulässigkeit dieser einzigen Beschwerde davon ab, ob der Einspruch 01 zulässig ist.
8. Was den Einspruch 01 betrifft, so geht - wie der Formalsachbearbeiter in seiner Mitteilung vom 11. November 1992 richtig dargelegt hat - aus der Einspruchsschrift nicht zweifelsfrei hervor, wie die Formulierung "namens und im Auftrag der Fraktion der Grünen ..., nämlich der Abgeordneten ..." auszulegen ist. Heißt dies, daß der Einspruch 01 von einem zugelassenen Vertreter nach Artikel 133 oder 134 EPÜ für die Fraktion der Grünen eingelegt wurde, d. h. für eine juristische Person oder eine einer juristischen Person gleichgestellte Gesellschaft, was zur Folge hätte, daß der Einspruch 01 als von einer einzigen Einsprechenden eingelegt gilt, nämlich von der Fraktion der Grünen, die sich durch einen zugelassenen Vertreter vertreten ließ? Oder bedeutet es, daß er im Namen der natürlichen Personen eingelegt wurde, die in der Einspruchsschrift namentlich aufgeführt sind, mit der Folge, daß der Einspruch 01 als Einspruch zu betrachten wäre, der nach Regel 100 (1) EPÜ gemeinsam von den namentlich aufgeführten natürlichen Personen eingelegt wurde, die sich durch einen gemeinsamen Vertreter nach Regel 100 (1) EPÜ vertreten ließen?
9. Nach Artikel 99 EPÜ hat jedermann das Recht, Einspruch einzulegen. Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern umfaßt mehrere Entscheidungen, in denen es um die Auslegung der Formulierung "jedermann" geht. So stellte beispielsweise die Kammer in der Entscheidung T 635/88 (ABl. EPA 1993, 608, Nr. 2 der Entscheidungsgründe) eindeutig fest, daß "jedermann" in Artikel 99 EPÜ im Sinne des Artikels 58 EPÜ zu verstehen ist als a) jede natürliche Person, b) jede juristische Person und c) jede einer juristischen Person nach dem für sie maßgebenden Recht gleichgestellte Gesellschaft. Die Rechtspersönlichkeit eines namentlich genannten Rechtssubjekts bestimmt sich nach dem EPÜ auf derselben Grundlage wie vor den nationalen Gerichten, nämlich anhand der Fähigkeit, im eigenen Namen zu klagen oder verklagt zu werden. Daß "jedermann" im Sinne des Artikels 58 EPÜ auszulegen ist, ergibt sich insbesondere aus Regel 55 a) EPÜ, die ihrerseits direkt auf Regel 26 (2) c) EPÜ Bezug nimmt, wo ebendiese Rechtssubjekte aufgeführt sind. Bei einem Einspruch, der von mehreren Personen gemeinsam eingelegt wird, müssen die gemeinsamen Einsprechenden also entweder natürliche Personen, juristische Personen, juristischen Personen nach dem für sie maßgebenden Recht gleichgestellte Gesellschaften oder eine Kombination daraus sein.
10. Aus Regel 100 (1) EPÜ folgt, daß mehrere Personen, die gemeinsam Einspruch einlegen, nur einen einzigen Einspruch einlegen, und aus Artikel 99 (1) letzter Satz EPÜ, daß nur eine einzige Einspruchsgebühr fristgerecht entrichtet werden muß, damit der Einspruch als eingelegt gilt. Die Zahlung der Einspruchsgebühr ist an die Einreichung eines Einspruchs geknüpft und nicht an die Zahl der Personen, die ihn einlegen. Ein gemeinsamer Einspruch ist abgesehen davon, daß er von mehr als einer Person eingelegt wird, dasselbe wie der Einspruch einer einzelnen Person, nämlich ein einziger Einspruch. Infolgedessen sind die gemeinsamen Einsprechenden verpflichtet, durch ihren ordnungsgemäß bestimmten gemeinsamen Vertreter gemeinsam aufzutreten. Verfahrenstechnisch macht es keinen Unterschied, ob ein Einspruch von einer einzigen natürlichen Person, von einer einzigen juristischen Person oder von einer einzigen Gesellschaft eingelegt wird, die einer juristischen Person nach dem für sie maßgebenden Recht gleichgestellt ist; alle müssen dieselben Erfordernisse erfüllen und eine einzige Einspruchsgebühr entrichten. Hieran besteht kein Zweifel, weil Artikel 99 (1) letzter Satz EPÜ klar besagt, daß für einen einzigen Einspruch auch nur eine Einspruchsgebühr anfällt.
11. Steht - wie in der Vorlagesache - nicht zweifelsfrei fest, ob der Einspruch im Namen einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit oder im Namen mehrerer gemeinsam auftretender natürlicher Personen eingelegt wurde, so verlangt die Einspruchsabteilung von den Einsprechenden den Nachweis, daß sie eine juristische Person bzw. einer solchen gleichgestellt sind. Wird dieser Nachweis nicht erbracht, so ist davon auszugehen, daß der Einspruch im Namen der natürlichen Personen als gemeinsamen Einsprechenden eingelegt wurde.
12. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (s. T 25/85, ABl. EPA 1986, 81, Nr. 6 der Entscheidungsgründe; G 3/97 und G 4/97, ABl. EPA 1999, 245, 270, Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe) muß der Einsprechende vor Ablauf der Einspruchsfrist feststehen, wobei etwaige Mängel gemäß Regel 56 (2) EPÜ beseitigt werden können. Eine Person, die nicht von Anfang an als eine der gemeinsamen Einsprechenden aufgeführt war, kann sich also dem Einspruch oder dem nachfolgenden Beschwerdeverfahren später nicht mehr anschließen.
13. Es kann vorkommen, daß im Laufe des Einspruchs einer (oder mehr als einer) der gemeinsamen Einsprechenden beschließt, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen. Nach Regel 60 (2) erster Satz EPÜ kann das Einspruchsverfahren von Amts wegen fortgesetzt werden, wenn ein Einsprechender stirbt oder seine Geschäftsfähigkeit verliert. Die Große Beschwerdekammer hält es für ebenso gerechtfertigt, das Einspruchsverfahren fortzusetzen, wenn einer (oder mehr als einer) der gemeinsamen Einsprechenden beschließt, sich aus dem Verfahren zurückzuziehen, denn andernfalls könnte einer der gemeinsamen Einsprechenden, der nicht der gemeinsame Vertreter ist, den Einspruch von sich aus beenden. Die übrigen gemeinsamen Einsprechenden bleiben am Verfahren beteiligt (s. nachstehend Nr. 15 zweiter Satz).
14. Bei einem gemeinsamen Einspruch muß es in jedem Fall einen gemeinsamen Vertreter geben (Artikel 133 (4) EPÜ und Regel 100 EPÜ), und nur dieser gemeinsame Vertreter ist befugt, im Einspruchsverfahren für die Gesamtheit aller gemeinsamen Einsprechenden aufzutreten. Eine einzelne Person aus dem Kreis der gemeinsamen Einsprechenden, die nicht der gemeinsame Vertreter ist, bzw. eine nicht den gemeinsamen Vertreter umfassende Teilgruppe der Gruppe, die gemeinsam Einspruch eingelegt hat, darf demnach nicht für sich selbst oder für eine, mehrere oder alle übrigen Personen auftreten oder tätig werden (vgl. aber Nr. 20). Zur Unterzeichnung der einzureichenden Schriftstücke ist folglich nur der gemeinsame Vertreter berechtigt (Regel 100 EPÜ und Regel 36 (3) EPÜ), wobei die Unterschrift anderer Personen nicht erforderlich ist.
15. Was das Verfahren vor der Einspruchsabteilung betrifft, so ist ein gemeinsamer Einspruch nicht anders zu behandeln als der Einspruch einer einzelnen Partei, und alle Verfahrenshandlungen, die die Einspruchsabteilung im Zusammenhang mit einem gemeinsamen Einspruch vornimmt, gelten übergreifend für jeden der gemeinsamen Einsprechenden. Die Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden ist als Gesamtheit zu betrachten, d. h. als eine einzige Partei, die von einem gemeinsamen Vertreter vertreten wird. Handlungen können nur vom gemeinsamen Vertreter im Namen der Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden vorgenommen werden. Im Interesse der Verfahrenseffizienz muß der gemeinsame Vertreter das EPA und die übrigen Beteiligten aber rechtzeitig davon in Kenntnis setzen, wenn sich im Laufe des gemeinsamen Einspruchs einer (oder mehr als einer) der gemeinsamen Einsprechenden aus welchen Gründen auch immer aus dem Verfahren zurückziehen will. Durch diese Benachrichtigung soll klargestellt werden, daß der Betreffende bzw. die Betreffenden der Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden nicht mehr angehören und infolgedessen auch nicht mehr zur Teilnahme am Verfahren befugt sind, wobei sie allerdings immer noch einer Entscheidung nach Artikel 104 EPÜ unterworfen werden können.
Zulässigkeit einer Beschwerde durch eine Person, die nicht der nach Regel 100 (1) EPÜ bestimmte gemeinsame Vertreter ist
16. Bei der Frage 2 geht es darum, ob eine Beschwerde rechtswirksam ist, wenn sie von einer Person eingelegt wird, die nicht der in der Einspruchsschrift genannte gemeinsame Vertreter nach Regel 100 (1) EPÜ ist. Hier ist die Große Beschwerdekammer der Ansicht, daß es für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Beschwerde auf die tatsächliche Situation bei der Einlegung der Beschwerde ankommt.
17. Die Regeln des EPÜ in bezug auf die Zulässigkeit einer Beschwerde bedürfen im Hinblick auf Personen, die gemeinsam Einspruch eingelegt haben, der Klarstellung. Wie vorstehend ausgeführt, müssen diese Personen während des gesamten Verfahrens durch ihren ordnungsgemäß bestimmten gemeinsamen Vertreter gemeinsam handeln. Gemeinsame Einsprechende, die Beschwerde einlegen wollen, können dies also nur zusammen mit allen übrigen gemeinsamen Einsprechenden durch ihren ordnungsgemäß bestimmten gemeinsamen Vertreter tun. Eine gemeinsame Beschwerde ist - aus denselben Gründen, die für einen gemeinsamen Einspruch gelten - von der Beschwerdekammer als eine einzige Beschwerde einer einzigen Partei zu behandeln, was bedeutet, daß nur eine einzige Beschwerdegebühr anfällt.
18. Wie alle Beschwerden muß auch eine gemeinsame Beschwerde mehrerer Personen von der dazu berechtigten Person eingelegt werden. Regel 100 (1) EPÜ bestimmt in Verbindung mit den Artikeln 133 und 134 EPÜ, wer vor der Einspruchsabteilung auftreten darf, und nach Regel 66 (1) EPÜ gilt dasselbe auch vor den Beschwerdekammern. Deshalb darf grundsätzlich (s. vorstehend Nr. 14) nur die bestehende Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden als Ganze, vertreten durch ihren gemeinsamen Vertreter, eine gemeinsame Beschwerde einlegen. Die Beschwerdekammer, die als einziges Organ prüfen darf, in wessen Namen die Beschwerde eingelegt wurde und ob die Vollmacht der Person, die Beschwerde eingelegt hat, wirksam ist, muß - wie vor den Instanzen des EPA üblich - dem gemeinsamen Vertreter, der im Einspruchsverfahren aufgetreten ist, eine Mitteilung schicken und ihm Gelegenheit geben, die einschlägigen Erfordernisse des EPÜ innerhalb einer in der Mitteilung festgelegten Frist zu erfüllen, und den Unterzeichner (bzw. die Unterzeichner) der Beschwerdeschrift entsprechend unterrichten, falls er nicht der gemeinsame Vertreter war. Werden die Mängel nicht innerhalb der festgesetzten Frist von dem nach Regel 100 (1) EPÜ bestimmten gemeinsamen Vertreter beseitigt, so gilt die Beschwerdeschrift als nicht eingegangen. Der für die Einspruchsabteilung tätige Formalsachbearbeiter kann zwar die am Einspruchsverfahren beteiligten Parteien auf eine fehlende oder mangelhafte Unterschrift hinweisen, ist aber nicht befugt, eine Mitteilung nach Regel 36 (3) EPÜ zu erlassen, da es um die Zulässigkeit der Beschwerde geht (Artikel 110 (1) EPÜ).
19. Wie vorstehend in den Nummern 12 und 15 ausgeführt, kann es vorkommen, daß sich im Laufe des gemeinsamen Einspruchs einer (oder mehr als einer) der gemeinsamen Einsprechenden aus irgendeinem Grund aus dem Verfahren zurückziehen will. Dies kann auch in jeder Phase des anschließenden Verfahrens der Fall sein, etwa bei der Einlegung der Beschwerde oder während des Beschwerdeverfahrens. Damit festgestellt werden kann, wer im anschließenden Verfahren weiterhin gemeinsamer Beteiligter ist und wer der Gruppe der gemeinsamen Beteiligten nicht mehr angehört, muß der gemeinsame Vertreter dem EPA rechtzeitig Mitteilung machen. Wie bereits ausgeführt, sind Personen, die der Gruppe der gemeinsamen Beteiligten nicht mehr angehören, nicht mehr zur Teilnahme am Verfahren berechtigt, auch wenn sie immer noch einer Entscheidung nach Artikel 104 EPÜ unterworfen werden können.
20. Desgleichen kann es in jeder Phase des Verfahrens - sei es im Einspruchs- oder im Beschwerdeverfahren - dazu kommen, daß derjenige unter den gemeinsamen Beteiligten, der gemeinsamer Vertreter ist, nicht mehr gemeinsamer Beteiligter sein, d. h. sich aus dem Verfahren zurückziehen möchte. In einem solchen Fall muß er dem EPA seine Entscheidung mitteilen mit der Verfahrensfolge, daß zur Bestimmung eines neuen gemeinsamen Vertreters die Vorschriften der Regel 100 (1) EPÜ angewandt werden müssen, und zwar im Einspruchsverfahren gemäß dem letzten Satz dieser Regel und im anschließenden Beschwerdeverfahren gemäß Regel 66 (1) EPÜ. Denkbar wäre auch, daß der gemeinsame Vertreter seine Tätigkeit im Verfahren einstellt, ohne daß das EPA davon in Kenntnis gesetzt wird. In beiden Fällen müssen die übrigen gemeinsamen Beteiligten rechtzeitig die gebotenen Schritte unternehmen, um das Verfahren fortzusetzen und das EPA über den neuen gemeinsamen Vertreter zu informieren, wenn dieser bestimmt wurde. Es besteht jedoch keine praktische Notwendigkeit, die Wirksamkeit von Verfahrenshandlungen eines gemeinsamen Beteiligten anzuerkennen, der nicht der gemeinsame Vertreter ist. Da eine Verfahrenshandlung durch einen Nichtberechtigten vom EPA genauso behandelt wird wie eine fehlende Unterschrift (T 665/89, zitiert in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 3. Auflage 1998, VI.K.5 letzter Absatz, und Richtlinien für die Prüfung im EPA, A-IX, 3.1 letzter Absatz), kann jeder gemeinsame Beteiligte oder eine beliebige für ihn tätig werdende Person eine solche Handlung vornehmen, um keine Frist zu versäumen, sofern der Mangel dann innerhalb einer weiteren Frist beseitigt wird, welche die Kammer in der Mitteilung nach Regel 36 (3) EPÜ festlegt; diese wird dem gemeinsamen Vertreter zugestellt und der nichtberechtigten Person, die die Handlung vorgenommen hat, zur Kenntnisnahme zugeleitet. Der Mangel kann beseitigt werden, wenn die Verfahrenshandlung vom gemeinsamen Vertreter unterzeichnet wird. Falls er aus irgendeinem Grund nicht mehr zu den gemeinsamen Beteiligten gehört, muß die Unterschrift von einem, gemäß Regel 100 EPÜ bestimmten neuen gemeinsamen Vertreter geleistet werden. Der Großen Beschwerdekammer ist bewußt, daß sich noch weitere Fragen stellen könnten, wenn der gemeinsame Vertreter zwar erklärt, daß er weiterhin der gemeinsame Vertreter sein möchte, sich aber weigert, die Verfahrenshandlung zu unterzeichnen, oder wenn ein oder mehrere gemeinsame Beteiligte nicht in einem EPÜ-Vertragsstaat ansässig sind. Diese Konstellationen sind aber hier nicht gegeben, weshalb die Große Beschwerdekammer keinen Anlaß sieht, in der vorliegenden Entscheidung darauf einzugehen.
21. Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die gemeinsamen Beteiligten während des gesamten Verfahrens, sei es das Einspruchs- oder das Beschwerdeverfahren, verpflichtet sind, durch ihren ordnungsgemäß bestimmten gemeinsamen Vertreter gemeinsam zu handeln.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden, daß die von der Technischen Beschwerdekammer 3.3.4 in der Entscheidung T 272/95 vorgelegten Rechtsfragen wie folgt beantwortet werden:
1. Ein Einspruch, der von mehreren Personen gemeinsam eingelegt wird und ansonsten den Erfordernissen des Artikels 99 EPÜ sowie der Regeln 1 und 55 EPÜ genügt, ist zulässig, wenn nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird.
2. Besteht die Partei der Einsprechenden aus mehreren Personen, so muß eine Beschwerde von dem gemeinsamen Vertreter gemäß Regel 100 EPÜ eingelegt werden. Wird die Beschwerde von einer hierzu nicht berechtigten Person eingelegt, so betrachtet die Beschwerdekammer sie als nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und fordert den gemeinsamen Vertreter daher auf, sie innerhalb einer bestimmten Frist zu unterzeichnen. Die nichtberechtigte Person, die die Beschwerde eingelegt hat, wird von dieser Aufforderung in Kenntnis gesetzt. Scheidet der bisherige gemeinsame Vertreter aus dem Verfahren aus, so ist gemäß Regel 100 EPÜ ein neuer gemeinsamer Vertreter zu bestimmen.
3. Zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers und im Interesse der Verfahrenseffizienz muß während des gesamten Verfahrens klar sein, wer der Gruppe der gemeinsamen Einsprechenden bzw. der gemeinsamen Beschwerdeführer angehört. Beabsichtigt einer der gemeinsamen Einsprechenden oder der gemeinsamen Beschwerdeführer (oder der gemeinsame Vertreter), sich aus dem Verfahren zurückzuziehen, so muß das EPA durch den gemeinsamen Vertreter bzw. durch einen nach Regel 100 (1) EPÜ bestimmten neuen gemeinsamen Vertreter entsprechend unterrichtet werden, damit der Rückzug aus dem Verfahren wirksam wird.