BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Zwischenentscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.4 vom 15. April 1999 - T 272/95 - 3.3.41
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzende: | U. M. Kinkeldey |
Mitglieder: | C. Holtz |
F. L. Davison-Brunel |
Patentinhaber/Beschwerdegegner: Howard Florey Institute of Experimental Physiology and Medicine
Einsprechender/Beschwerdeführer: Aglietta, Amendola et al., Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament
Stichwort: Zulässigkeit eines gemeinsamen Einspruchs bzw. einer gemeinsamen Beschwerde/HOWARD FLOREY INSTITUTE
Artikel: 20, 24, 58, 59, 78, 99, 108, 112, 125, 133, 134, 150 EPÜ
Regel: 17, 26, 55, 60, 63, 64, 65, 66, 78, 81, 85, 90, 92, 100, 101, 102, 106 EPÜ
Artikel: 9 PCT
Artikel 2 Gebührenordnung (GebO)
Schlagwort: "gemeinsame Einsprüche - fällige Gebühren - gemeinsamer Vertreter - gemeinsame Beschwerden - Zulässigkeit - Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - Befassung der Großen Beschwerdekammer"
Leitsatz
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:
I. Ist ein Einspruch zulässig, der ansonsten den Erfordernissen des Artikels 99 EPÜ und der Regel 55 EPÜ genügt, wenn er von mehreren Personen gemeinsam eingelegt und nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird?
II. Wird die Frage 1 bejaht und wurde in der Einspruchsschrift nach Regel 100 (1) EPÜ ein gemeinsamer Vertreter bezeichnet, ist dann eine Beschwerde rechtswirksam, auch wenn sie nicht von dieser Person eingelegt wird?
III. Werden die Fragen 1 und 2 bejaht, welche etwaigen anderen Erfordernisse müssen zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers bei einem gemeinsamen Einspruch bzw. bei einer gemeinsamen Beschwerde erfüllt sein?
Sachverhalt und Anträge
HINTERGRUND
I. In dieser Zwischenentscheidung geht es um die Befassung der Großen Beschwerdekammer mit Fragen bezüglich der Zulässigkeit eines Einspruchs und einer anschließenden Beschwerde, die von mehreren Personen gemeinsam eingelegt worden sind.
II. Eine Gruppe von 26 natürlichen Personen, die sich "Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament" (kurz: "Fraktion") nennt, legte am 10. Januar 1992 unter Entrichtung einer einzigen Einspruchsgebühr Einspruch gegen das Streitpatent ein. Diese Gruppe wurde im Einspruchsverfahren als Einsprechender I bezeichnet. In der Einspruchsschrift hatte der zugelassene Vertreter der Gruppe darauf hingewiesen, daß nicht feststellbar gewesen sei, ob die Fraktion unter den Begriff "jedermann" in Artikel 99 EPÜ subsumiert werden könne, da sie wegen der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit ihrer Mitglieder nicht als juristische Person eingetragen werden könne. Aus diesem Grund wurde am gleichen Tag namens und im Auftrag des Präsidenten der Fraktion - im Einspruchsverfahren als Einsprechender II bezeichnet - gesondert Einspruch eingelegt und die entsprechende Einspruchsgebühr entrichtet.
III. Auf Verlangen der Einspruchsabteilung wurden Vollmachten von 18 der im gemeinsamen Einspruch aufgeführten Personen (Einsprechender I) sowie eine Vollmacht vom Einsprechenden II eingereicht.
IV. In einer Mitteilung vom 11. November 1992 erklärte die Einspruchsabteilung, es erscheine zweifelhaft, ob die Fraktion eine juristische Person sei oder einer solchen gleichgestellt werden könne. Der Einsprechende I wurde daran erinnert, daß die Beweislast in bezug auf seine Rechtsstellung bei ihm liege. Allerdings hieß es in derselben Mitteilung unter Hinweis auf Regel 100 (1) EPÜ, daß der Einspruch als gemeinsamer Einspruch aller darin aufgeführten natürlichen Personen behandelt werden könne.
V. In der nunmehr angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, daß der Einspruch I als gemeinsamer Einspruch der in der Einspruchsschrift aufgeführten Personen angesehen werden solle, was kraft Regel 100 (1) EPÜ möglich sei, und daß es unerheblich sei, ob alle aufgeführten Personen immer noch der Fraktion angehörten. Der Einspruch wurde daher für zulässig befunden. In der Sache wurde er zurückgewiesen und das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten.
VI. Fünf Personen aus der Gruppe des Einsprechenden I legten am 28. März 1995 durch einen nicht zugelassenen Vertreter Beschwerde ein und entrichteten die Beschwerdegebühr. Der Einsprechende II legte keine Beschwerde ein.
VII. In einer Mitteilung sprach die Kammer im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Beschwerde unter anderem folgende Punkte an:
1. Ist überhaupt Beschwerde eingelegt worden, da die Beschwerdeschrift von einer Person unterzeichnet ist, die die Erfordernisse des Artikels 134 EPÜ nicht erfüllt?
2. Wer ist der Beschwerdeführer? Die Kammer warf die Frage auf, ob sich die Zahl derjenigen, die Beschwerde einlegen, gegenüber der Zahl der Personen, die den Einspruch eingelegt haben, ändern könne. Hieran bestünden zumindest Zweifel. Die Kammer schlug vor, alle beschwerdeführenden Personen sollten eine Vollmacht unterzeichnen.
3. Die Kammer verlangte außerdem eine Erklärung nach Regel 65 EPÜ, aus der Name und Anschrift des Beschwerdeführers/der Beschwerdeführer hervorgehen.
VIII. Auf die Mitteilung der Kammer hin reichten am 13. Juli 1995 17 Personen Vollmachten für den zugelassenen Vertreter ein. Es wurde darauf hingewiesen, daß eine Person nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung verstorben sei. Der Einsprechende II erklärte schriftlich, daß er nach Artikel 107 EPÜ von Rechts wegen am Verfahren beteiligt bleiben wolle.
ANTRÄGE UND VORBRINGEN
IX. Der Beschwerdegegner beantragt, die Große Beschwerdekammer mit folgenden Fragen zu befassen: Können Mängel noch nach Ablauf der Beschwerdefrist beseitigt werden? Kann eine "Gruppe" einen gemeinsamen Einspruch einlegen und nur eine Einspruchsgebühr entrichten, und - wenn ja - müssen dann an einer späteren Beschwerde wieder all diese Personen beteiligt sein, oder sind die Personen, die ursprünglich den gemeinsamen Einspruch eingelegt haben, in beliebiger Kombination beschwerdeberechtigt? Und schließlich: Wie viele Beschwerdegebühren müssen entrichtet werden?
X. Die Beschwerdeführer beantragen, den Antrag auf Befassung der Großen Beschwerdekammer zurückzuweisen.
XI. Die Ausführungen des Beschwerdegegners zur Zulässigkeit eines Einspruchs und einer Beschwerde durch eine Gruppe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Alle Beteiligten hätten Anspruch darauf, daß die Einlegung von Einsprüchen und Beschwerden an klare und verläßliche Erfordernisse gebunden sei, die keinen wirtschaftlichen oder verfahrensrechtlichen Mißbrauch zuließen. Die wahre Identität der einsprechenden Partei sei fraglich, da keine ordnungsgemäßen Vollmachten unterzeichnet worden seien. Ferner sei fraglich, ob der Kreis der Einsprechenden zwischen 26 und 5 schwanken dürfe, da sie doch beanspruchten, zusammen nur eine Partei zu bilden. Eine mangelhafte Beschwerdeschrift könne nach Ablauf der Beschwerdefrist, d. h. im vorliegenden Fall nach dem 28. März 1995, nicht mehr berichtigt werden, sondern müsse den Erfordernissen der Regel 64 EPÜ schon innerhalb der Beschwerdefrist genügen, da nach Regel 65 (1) EPÜ Mängel "bis zum Ablauf der nach Artikel 108 maßgebenden Fristen" zu beseitigen seien. Schließlich müsse der Beschwerdeführer laut Entscheidung T 371/92 in der Beschwerdeschrift angegeben sein, die nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr berichtigt werden könne.
XII. Die Beschwerdeführer machen geltend, daß ihr ursprünglicher Vertreter in gutem Glauben gehandelt habe, nachdem er das EPA um Auskunft gebeten und diese auch erhalten habe. Ihm sei von einem Formalsachbearbeiter des Amts mitgeteilt worden, daß Vollmachten für einen zugelassenen Vertreter nachgereicht werden könnten. Die Beschwerdeführer hätten sich auf diese Auskunft verlassen dürfen, und ihre Beschwerde müsse deshalb für zulässig erklärt werden. Ihre Namen und Anschriften lägen vor. Eine Befassung der Großen Beschwerdekammer erübrige sich, denn das Recht natürlicher Personen, gemeinsam Einspruch oder Beschwerde einzulegen, sei in Regel 100 (1) EPÜ verbrieft. Die Entscheidung T 371/92 sei nicht einschlägig, weil im damaligen Fall nur die Beschwerdegebühr entrichtet, aber keine Beschwerdeschrift eingereicht worden sei.
Entscheidungsgründe
1. Da alle übrigen Erfordernisse nach den Artikeln 99 und 108 EPÜ erfüllt sind, hängt die Zulässigkeit des Einspruchs und der Beschwerde davon ab, wie die Einwendungen des Beschwerdegegners beantwortet werden. Im folgenden werden Einsprüche bzw. Beschwerden, die mehrere Personen gemeinsam eingelegt haben, als "gemeinsame Einsprüche" bzw. "gemeinsame Beschwerden" bezeichnet.
ZULÄSSIGKEIT GEMEINSAMER EINSPRÜCHE
2. Praxis des EPA
2.1 Der Kammer ist bewußt, daß gemeinsame Einsprüche der vorstehend beschriebenen Art (siehe Nr. II) vom EPA schon zugelassen worden sind (siehe zum Beispiel den anhängigen Einspruch betreffend die Anmeldung Nr. 85 030 449.0 ("Krebsmaus"-Fall)).
2.2 Die Beantwortung der Frage nach den Rechten und Pflichten natürlicher Personen, die vor dem EPA gemeinsam auftreten, ist von großer Bedeutung, kommt es doch insbesondere auf umstrittenen technischen Gebieten, über die die Medien viel berichten, immer wieder vor, daß sich Personengruppen - ob sie nun gesellschaftlich organisiert sind oder nicht - bei der Anfechtung von Patenten zusammenschließen möchten. Deshalb haben sowohl Patentinhaber als auch Einsprechende ein berechtigtes Interesse daran, daß ihre Verfahrensrechte im Rahmen des EPÜ genau abgesteckt werden.
3. Nominelle Einsprechende
3.1 Der Beschwerdegegner hat vorgebracht, daß wegen der wechselnden Zahl der Fraktionsmitglieder ein "Strohmann"-Verhältnis entstanden sein könne, daß also den Einspruch nur nominelle Einsprechende eingelegt hätten und er deshalb unzulässig sei.
3.2 Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen, denn alle Fraktionsmitglieder waren ursprünglich namentlich aufgeführt. In der Beschwerdephase ist keine neue Person zu dieser Gruppe hinzugekommen. Die einzige Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, scheint dem Status der aufgeführten Personen, nicht aber ihrer Identität zu gelten.
3.3 Erwähnt seien schließlich auch noch die jüngst ergangenen Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 3/97 und G 4/97, wonach nominelle Beteiligte Einspruch einlegen dürfen, sofern damit nicht das EPÜ umgangen werden soll. Im vorliegenden Fall besteht kein Anhalt für eine solche Gesetzesumgehung.
3.4 Die Kammer sieht somit keine Veranlassung, der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 EPÜ Fragen zu diesem Punkt vorzulegen.
4. Definition des Begriffs "jedermann" in Artikel 99 EPÜ
4.1 Die Kammer muß im wesentlichen klären, ob der Begriff "jedermann" so ausgelegt werden kann, daß eine Gruppe natürlicher Personen ohne eigene Rechtsstellung einen einzigen gemeinsamen Einspruch rechtswirksam einlegen kann, und ob ein solcher Einspruch rechtswirksam namens all dieser Personen eingelegt ist, obwohl nur eine Gebühr entrichtet wurde.
4.2 Dem Wortlaut des Artikels 99 EPÜ ist zu entnehmen, daß eine natürliche oder auch eine juristische Person Einspruch einlegen kann. Da der Begriff in der Einzahl steht, wäre die Interpretation naheliegend, daß jede solche natürliche oder juristische Person, die Einspruch einlegt, auch verpflichtet ist, alle Erfordernisse des Artikels 99 (1) EPÜ zu erfüllen, d. h. auch die fällige Gebühr zu entrichten; dies würde bedeuten, daß bei mehreren einsprechenden Personen jede einzelne diese Gebühr zu zahlen hat.
4.3 Das Wort "Vertreter" wird im EPÜ mit Bezug auf Verfahrensbeteiligte vor dem EPA in den Artikeln 20, 24, 133 und 134 und in der Ausführungsordnung (vorläufig unter Ausschluß der Regel 100 EPÜ) in den Regeln 17, 26, 55, 60, 63, 66, 78, 81, 85, 90, 92, 101, 102 und 106 verwendet. In den meisten dieser Bestimmungen wird unter "Vertreter" ein Dritter verstanden, der beauftragt worden ist, eine Partei vor dem EPA zu vertreten, wobei diese Person in einigen, aber nicht in allen Fällen ein zugelassener Vertreter ist. In Regel 100 EPÜ könnte unter diesem Begriff allerdings sowohl eine Person aus der Gruppe der Anmelder oder Einsprechenden als auch ein von den Mitgliedern einer Partei gemeinsam bestellter Dritter verstanden werden. Hilfreiche Hinweise auf die richtige Auslegung der Regel 100 (1) EPÜ gibt die Regel 2 der Ausführungsordnung zum PCT; dort heißt es zur Bezeichnung "gemeinsamer Vertreter" nämlich, "daß sie einen Anmelder umfaßt, der nach Regel 90.2 als gemeinsamer Vertreter bestellt ist oder gilt" (Regel 2.2bis PCT). Regel 90.2 PCT kommt zum Tragen, wenn zwei oder mehr Anmelder keinen "Anwalt" zu ihrer Vertretung bestellt haben. Sie sieht vor, daß einer der nach Artikel 9 PCT zur Einreichung einer Anmeldung berechtigten Anmelder von den übrigen Anmeldern als ihr "gemeinsamer Vertreter" bestellt werden kann. Nach Regel 2.2 PCT ist die Bezeichnung "Anwalt" so auszulegen, daß sie einen nach Regel 90.1 PCT bestellten Anwalt umfaßt. Dadurch wird die Terminologie des PCT klar abgegrenzt. Gemäß Artikel 150 (2) Satz 3 EPÜ sollte die Terminologie des EPÜ im Sinne derjenigen des PCT ausgelegt werden, zumal die Vorschriften des PCT neueren Datums sind als die des EPÜ.
4.4 Darüber hinaus scheint aus Regel 100 (1) Satz 1 EPÜ hervorzugehen, daß unter einem "gemeinsamen Vertreter" etwas anderes zu verstehen ist als ein "Vertreter" oder "zugelassener Vertreter". Gemäß der in diesem Satz verankerten Bestimmung, die sich auf gemeinsame Patentanmelder bezieht, gilt dann, wenn kein gemeinsamer Vertreter bezeichnet worden ist, der in der Patentanmeldung als erster genannte Anmelder als gemeinsamer Vertreter. Dies deutet darauf hin, daß ein "gemeinsamer Vertreter" eine Person ist, die aus einer Gruppe von Personen ausgewählt wurde, die zusammen die betreffende Partei bilden. Diese Person ist dann der Ansprechpartner des EPA im Schriftverkehr, denn an sie sind nach Regel 81 EPÜ Zustellungen zu richten, sie hat hierauf zu erwidern und allgemein für die betreffende Partei zu sprechen. Im letztgenannten Fall zieht die Kammer jedoch die Bezeichnung "Sprecher" vor, weil der Begriff "Vertreter" leicht mit der Bestellung Dritter, der Thematik der zugelassenen Vertreter und den Bestimmungen der Artikel 133 und 134 EPÜ verwechselt wird.
4.5 Regel 100 (1) EPÜ sollte ursprünglich nur für Anmelder eines gemeinsamen Patents gelten; siehe Dokument BR/67 d/70 betreffend den damaligen Artikel 66. Beantragen mehrere Erfinder ein Patent, so sehen sie sich rechtlich gezwungen, gemeinsam, d. h. in einer "notwendigen Streitgenossenschaft", zu handeln (englisch: "procedural community of necessity". Im französischen Recht gibt es vermutlich keinen entsprechenden Begriff, denn eine (verdeckte) Übertragung der Prozeßführungsbefugnis ist nicht zulässig; siehe Nr. 6.4).
4.6 Artikel 58 EPÜ verleiht natürlichen und juristischen Personen die gleichen Rechte zur Anmeldung europäischer Patente. Darüber, wer juristischen Personen gleichgestellt ist, entscheidet laut Verweisung das nationale Recht. In Artikel 59 EPÜ ist ausdrücklich vorgesehen, daß eine gemeinsame europäische Patentanmeldung von mehreren Anmeldern eingereicht werden kann; eine entsprechende Bestimmung für Einsprechende fehlt jedoch. Dieser Unterschied könnte auf den rechtlichen Umstand zurückzuführen sein, daß sich gemeinsame Anmelder in einer "notwendigen Streitgenossenschaft" befinden (siehe oben), Einsprechende hingegen nicht.
4.7 Obwohl der Anwendungsbereich der Regel 100 (1) EPÜ anfänglich begrenzt war, wurde später, als die Bestimmungen für das Einspruchsverfahren ausgearbeitet wurden, noch zusätzlich vorgesehen, daß Einsprechende einen gemeinsamen Vertreter bestellen können; siehe beispielsweise die revidierte Ausführungsordnung, Artikel 102 (1) in Dokument BR/185/72 mit dem folgenden zusätzlichen Satz: "Das gleiche gilt, wenn ein Einspruch von mehreren Personen eingelegt wird." Die Kammer konnte nicht ermitteln, warum dieser Satz hinzugefügt wurde. Eine an Artikel 59 EPÜ (gemeinsame Anmeldungen) angelehnte Regelung für Einsprüche wurde allerdings nicht getroffen. Während Patentanmelder, wie vorstehend erwähnt, gezwungen sind, gemeinsam zu handeln (vgl. Entscheidung J 35/92 vom 17. März 1994, in der die Kammer eine von nur einem der Anmelder vorgenommene Handlung für unwirksam erklärte), besteht das gemeinsame Interesse von Einsprechenden ausschließlich darin, daß das Patent ganz oder teilweise widerrufen wird. Ihre Beweggründe für den Widerruf können unterschiedlich sein. Diese Gründe sind nicht unerheblich: Einem Einsprechenden kann es darauf ankommen, daß ein Patent wegen Verstoßes gegen Artikel 53 a) EPÜ widerrufen wird, während für einen anderen Einsprechenden vielleicht die Frage der Neuheit oder der erfinderischen Tätigkeit im Vordergrund steht.
4.8 Regel 100 (1) EPÜ gestattet es Einsprechenden zwar mutatis mutandis, einen gemeinsamen Vertreter aus ihren Reihen zu bestellen, kann allein deswegen aber noch keine Antwort auf die Frage geben, ob eine oder mehrere Gebühren entrichtet werden müssen, weil es vor allem kaum denkbar erscheint, daß für eine wichtige Handlung wie die Zahlung einer Gebühr - die nach den Artikeln 99 (1) und 108 EPÜ eine Voraussetzung dafür ist, daß der Einspruch bzw. die Beschwerde überhaupt als eingelegt gilt - eine Regel in der Ausführungsordnung, die hierauf zudem nur implizit eingeht, maßgebend sein soll. Die Verpflichtung, Gebühren zu zahlen, wird durch mehrere Bestimmungen des EPÜ, beginnend mit Artikel 78, geregelt. Aus der Gebührenordnung (GebO) geht hervor, daß es für die meisten Gebühren eine Regelung im EPÜ selbst gibt; siehe die Auflistung der Gebühren in Artikel 2 GebO.
4.9 Ferner muß auch berücksichtigt werden, welches Ziel mit den Gebühren verfolgt wird, d. h. ob sie unnötige Einsprüche oder Beschwerden verhindern oder aber in ihrer jeweiligen Höhe den Aufwand des EPA für die Bearbeitung von Einsprüchen und Beschwerden bis zur endgültigen Entscheidung decken sollen. Geht man von der zweiten Hypothese aus, so wäre es beispielsweise vorstellbar, daß mehrere Einsprechende aus wirtschaftlichen Gründen denselben Vertreter bestellen, ihm aber gesonderte Anweisungen erteilen, zum Beispiel hinsichtlich der Beweismittel und Argumente, die er gegen das Patent vorbringen soll. Unter dem Gesichtspunkt, daß das EPA kostendeckend arbeiten soll, wäre in einem solchen Fall die Zahlung nur einer Gebühr nicht sachdienlich.
4.10 Vorausgeschickt sei auch noch, daß, wenn natürliche Personen einen gemeinsamen Einspruch einlegen dürfen, dasselbe auch für juristische Personen gelten muß. Eingetragene Gesellschaften, zum Beispiel mehrere Mitbewerber, könnten dann gemeinsam einen einzigen Einspruch einlegen und nur eine einzige Einspruchsgebühr entrichten.
5. Das Personen- und das Gesellschaftsrecht
5.1 Das Personenrecht regelt, wer als Träger gesetzlicher Rechte und Pflichten anerkannt werden oder etwa als Partei vor Behörden auftreten kann. Mit dem Besitz der Rechtspersönlichkeit ist auch die Prozeßfähigkeit verbunden. Das Personenrecht gliedert sich in das Recht der juristischen und das der natürlichen Personen; siehe hierzu beispielsweise "Halsbury's Laws of England", Bd. 9 (2), Corporations, Seite 567 ff. (im folgenden zitiert als "Halsbury") und M. Dauses, "Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts", Verlag C. H. Beck, München 1993, E.III. Gesellschaftsrecht (im folgenden zitiert als "Dauses"). Zu den wesentlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Gesellschaft nach englischem Recht siehe Halsbury, Seite 596. Nach Singer, The European Patent Convention, Revised English edition by R. Lunzer, Sweet and Maxwell, 1995, läßt das deutsche Recht sehr viel mehr Arten eingetragener Gesellschaften als das englische Recht zu; siehe Artikel 58, Rdnrn. 58.03 und 58.04.
5.2 Nach dem Gesellschaftsrecht muß eine juristische Person, um als solche anerkannt zu werden, bei einer Behörde eingetragen sein, die befugt ist, entsprechende Anträge entgegenzunehmen und vor der Eintragung zu prüfen, ob die rechtlichen Erfordernisse für die betreffende Gesellschaft erfüllt sind. Je nach Gesellschaftsform können unterschiedliche Erfordernisse gelten. Im wesentlichen gibt es zwei Gründe für die Bildung einer juristischen Person: 1. Die Haftung der sie bildenden natürlichen Personen soll beschränkt werden. 2. Einer Firma soll es beispielsweise ermöglicht werden, als Marktteilnehmer Verträge mit anderen - juristischen oder sonstigen - Personen auszuhandeln und zu schließen sowie als ein einziges Rechtssubjekt Prozesse zu führen, und zwar unabhängig von den natürlichen Personen, deren Eigentum sie ist oder die sie beschäftigt.
5.3 In den nationalen Rechtsordnungen wird einer Gruppe von Personen eine eigene Rechtspersönlichkeit oft nur dann zuerkannt, wenn sie in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht gebildet wird, also bestimmte Bedingungen erfüllt, was normalerweise bedeutet, daß sie als juristische Person eingetragen sein muß. Dies hat seinen Grund ganz einfach darin, daß eine juristische Person mit ihrer förmlichen Anerkennung bestimmten Regeln und Vorschriften im Interesse der Allgemeinheit unterworfen ist, so daß beispielsweise ihre Identität feststeht und Dritte, mit denen sie vielleicht geschäftliche Beziehungen unterhalten möchte, ihren Geschäftssitz eruieren, Erkundigungen über sie einziehen und gerichtlich oder außergerichtlich gegen sie vorgehen können.
5.4 Die Frage, ob die Fraktion als juristische Person angesehen werden könnte, wurde schon vor der Einspruchsabteilung erörtert. Vor dem vorstehend geschilderten Hintergrund hat die Fraktion für den Zweck dieses Einspruchs keine eigene, von der Persönlichkeit der Fraktionsmitglieder unterscheidbare Rechtspersönlichkeit. Sie ist somit keine juristische Person, sondern eine Gruppe natürlicher Personen, die einen gemeinsamen Einspruch eingelegt haben. Eigentlich hätte es ihr möglich sein müssen, sich nach nationalem Recht in einem EU-Staat eintragen zu lassen, auch wenn ihre Mitglieder Staatsbürger verschiedener Länder sind; nach den EU-Bestimmungen muß das nationale Recht nämlich eine Möglichkeit bieten, eine juristische Person auch dann einzutragen, wenn nicht alle in ihr vereinten natürlichen Personen dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen; siehe Dauses, Seiten 2 bis 4. Hierzu muß lediglich ein bestimmter Staat ausgewählt werden, nach dessen Gesellschaftsrecht die künftige juristische Person eingetragen werden soll. Eine solche in einem Staat eingetragene Gesellschaft würde dann nach den Artikeln 52 und 58 des EWG-Vertrags in der ganzen Union als Rechtspersönlichkeit anerkannt. Hätte man dies getan, hätte die so geschaffene juristische Person in ihrem eigenen Namen als "jedermann" im Sinne des Artikels 99 EPÜ beim EPA Einspruch einlegen können. Der Kreis ihrer Mitglieder könnte sich dann ändern, ohne daß ihre Stellung als zur Betreibung des Einspruchs berechtigter Einsprechender berührt würde.
6. Nationales Recht
6.1 Inwieweit die Mitgliedstaaten gemeinsame Klagen zulassen, ist auch auf europäischer Ebene von Belang. Die Kammer hat deshalb die nationalen Rechtsordnungen des Vereinigten Königreichs, Deutschlands, Frankreichs, Spaniens und Schwedens daraufhin untersucht.
6.2 Im Vereinigten Königreich sind gemeinsame Klagen unter der Voraussetzung zulässig, daß alle Mitglieder dasselbe Interesse und einen gemeinsamen Klagegrund haben und daß die Anträge für alle Vorteile brächten. Solche Klagen heißen "representative actions". Das Gericht stellt sicher, daß alle Bedingungen für eine solche Klage erfüllt sind, und ist ermächtigt, sie abzulehnen, wenn beispielsweise die Rechte der einzelnen Parteien nicht identisch sind. Derjenige, der die Klage erhebt, ist Herr des Verfahrens. Die Mitstreiter sind keine vollwertigen Verfahrensbeteiligten, können also beispielsweise nicht primär für entstandene Kosten haftbar gemacht werden. Falls der Vertreter die Klage zurückziehen will, können andere beantragen, als vollwertige Verfahrensbeteiligte behandelt zu werden. Eine von solch einer Gruppe erwirkte gerichtliche Entscheidung ist für alle vertretenen Personen verbindlich, d. h., keines der vertretenen Mitglieder kann dagegen Rechtsmittel einlegen. Ein solches Mitglied kann allerdings beantragen, Beklagter zu werden. Mehrere Personen können sich aber auch als Mitkläger zu einer einzigen Klage zusammenschließen, wenn das Gericht dem zustimmt oder wenn sich beispielsweise eine bestimmte gemeinsame Rechts- oder Tatfrage in allen Klagen stellt. Unter diesen Umständen können ein oder mehrere Mitkläger Rechtsmittel einlegen, und zwar auch dann, wenn sich die übrigen nicht anschließen wollen. Mitkläger oder gemeinsame Parteien müssen denselben "solicitor" und "counsel" (Anwalt) haben und dürfen von der Klage nichts abtrennen oder widersprüchliche Schritte unternehmen, dürfen also keine Behauptungen aufstellen, die denjenigen ihrer Mitstreiter widersprechen. Geschieht dies dennoch, so kann das Gericht einen von ihnen streichen und ihn als Beklagten aufnehmen oder ihm gestatten, ein eigenes Verfahren anzustrengen.
6.3 In Deutschland sind die Partei- und die Prozeßfähigkeit in den §§ 50 ff. der Zivilprozeßordnung (ZPO) allgemein geregelt. Die besonderen Vorschriften der §§ 59 ff. ZPO behandeln den Fall, daß mehrere Personen gemeinschaftlich klagen. Sie handeln dann als Streitgenossen. Was Nichtigkeitsklagen angeht, so hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, daß ein nicht rechtsfähiger Verein zwar nicht parteifähig, eine Klage deswegen aber nicht unzulässig ist (BGH I ZR 149/56, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1961, 199). Die Angabe der Namen der Vereinsmitglieder kann jederzeit während des Verfahrens nachgeholt werden. Ferner kann sich während des Verfahrens die Mitgliederzahl ändern, ohne daß dies die Zulässigkeit berührt. Für eine Nichtigkeitsklage ist eine Gebühr zu entrichten (§ 81 (6) PatG). Die Zulässigkeit der Klage ist nicht gefährdet, wenn es mehrere Kläger gibt, aber nur eine Gebühr entrichtet wurde, sofern die Kläger von einem gemeinsamen Prozeßbevollmächtigten vertreten werden, einen gemeinsamen Schriftsatz eingereicht und die Klage auf denselben Grund gestützt haben (BGH X ZR 87/84, Mitteilungen der deutschen Patentanwälte 1987, 71; BPatG 2 Ni 34/90, GRUR 1992, 435). Zu Einspruchsbeschwerdeverfahren, in denen eine Gebühr gezahlt werden muß, hat der BGH entschieden, daß die Beschwerde als nicht erhoben gilt, wenn mehrere in einer Rechtsgemeinschaft stehende Einsprechende eine einzige Beschwerde eingelegt und nur eine Beschwerdegebühr gezahlt haben und die Zahlung dieser einen Gebühr innerhalb der Beschwerdefrist weder der Rechtsgemeinschaft noch einem der Einsprechenden zugeordnet werden kann (BGH X ZB 19/82, GRUR 1984, 36). In der Entscheidung X ZR 87/84 (a. a. O.) äußerte der BGH allerdings die Auffassung, diese Feststellung werde gelegentlich zu überprüfen sein.
6. 4 Nach französischem Recht können mehrere gemeinsam handelnde Personen eine Person aus ihren Reihen bevollmächtigen, in ihrem Namen einen Rechtsstreit zu führen, müssen aber wegen des Verbots einer verdeckten Übertragung der Prozeßführungsbefugnis ihre Namen angeben. Eine Personengruppe, die nicht die Stellung einer juristischen Person hat, kann als solche nicht vor Gericht auftreten. Jede Person aus der Gruppe ist Verfahrensbeteiligter. Personenvereinigungen, die nicht als juristische Person anerkannt sind, können keine Rechtsmittel einlegen. Jedes Mitglied der Personenvereinigung muß grundsätzlich im Verfahren auftreten, auch wenn ein gemeinsamer Vertreter bestellt worden ist. Die Frage, ob jede Person eine Gebühr zahlen muß, stellt sich in Frankreich nicht, da für Verfahren vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden keine Gebühren erhoben werden.
6.5 Wird in Spanien bei einer Verwaltungsbehörde ein entsprechender schriftlicher Antrag eingereicht, so wird von Mitteilungen oder Verfahrenshandlungen der gemeinsame Vertreter oder eine der für diesen Zweck bestellten am Verfahren beteiligten Personen oder aber, falls eine solche Person nicht bestellt ist, die als erste genannte Person in Kenntnis gesetzt. Zu beachten ist, daß hier unter einem "gemeinsamen Vertreter" ein Dritter und nicht ein "Sprecher" zu verstehen ist. Jeder der Antragsteller darf vor der Verwaltungsbehörde auftreten, sofern er rechts- und prozeßfähig ist. Jeder Antragsteller kann auch individuelle Ausführungen machen, sofern dies durch den gemeinsamen Vertreter oder die zum Sprecher bestellte Person geschieht. Schließlich kann jeder Antragsteller einzeln Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Entscheidung einlegen.
6.6 Nach schwedischem Recht wird ein gemeinsamer Einspruch, der von mehreren natürlichen Personen eingelegt wird, als ein einziger Einspruch behandelt. Zustellungen erfolgen gegebenenfalls an jede der in der Einspruchsschrift genannten Personen. Jede hat das Recht, gesondert Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung einzulegen. Die schwedische Rechtsordnung kennt weder eine Einspruchs- noch eine Beschwerdegebühr.
6.7 Dieser kurze Überblick über nur fünf EPÜ-Vertragsstaaten läßt erkennen, daß es hier keine einheitlichen nationalen Rechtsvorschriften gibt. Somit läßt das nationale Recht wohl kaum eindeutige Rückschlüsse auf die Auslegung des EPÜ zu, wie dies in Artikel 125 EPÜ vorgesehen ist.
ZULÄSSIGKEIT DER BESCHWERDE
7. Beseitigung von Mängeln nach Regel 65 (1) EPÜ
7.1 Die Auffassung des Beschwerdegegners, nach Regel 65 (1) EPÜ müßten alle vorgeschriebenen Verfahrenshandlungen vor Ablauf der Beschwerdefrist abgeschlossen sein, ist so nicht richtig. Die Beschwerdeschrift und die Beschwerdegebühr müssen innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 108 EPÜ eingegangen sein. Die angefochtene Entscheidung und der Umfang, in dem sie angefochten wird, müssen innerhalb derselben Frist angegeben werden. Wird eines dieser spezifischen Erfordernisse nicht erfüllt, so ist die Beschwerde unzulässig (R. 65 (1) EPÜ in Verbindung mit R. 64 b) EPÜ). Die in Regel 64 a) EPÜ genannten Angaben zum Beschwerdeführer hingegen können unter den in Regel 65 (2) EPÜ festgelegten Bedingungen nachgereicht werden; die Frist hierfür bestimmt die Kammer. Die Beschwerde ist nur dann als unzulässig zu verwerfen, wenn der Beschwerdeführer diese letzteren Mängel nicht innerhalb der festgesetzten Frist beseitigt.
7.2 Somit können alle Angaben zur Identität des Beschwerdeführers auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist wirksam eingereicht werden, so daß die Beschwerde allein deswegen nicht als unzulässig verworfen werden kann. Die Kammer muß daraus schließen, daß sich wegen Mängeln in bezug auf Name und Anschrift der Beschwerdeführer keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, die nach Artikel 112 EPÜ der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden müßte.
7.3 In der Entscheidung T 371/92 (ABl. EPA 1995, 324) ging es nur um die Einreichung der Beschwerdeschrift und die Entrichtung der Beschwerdegebühr. Damit eine Beschwerde überhaupt als eingelegt gilt, muß jede dieser Handlungen innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 108 EPÜ vorgenommen worden sein (s. Nr. 3.1). Deshalb entschied die Kammer im damaligen Fall, daß die Mitteilung des Geschäftsstellenbeamten mit der Angabe des Aktenzeichens und der zuständigen Beschwerdekammer keine Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ darstellte, daß eine rechtswirksame Beschwerde eingelegt worden wäre. Im vorliegenden Fall wurde - anders als in T 371/92 - die Beschwerdeschrift eingereicht und eine Beschwerdegebühr entrichtet, bevor die betreffende Frist abgelaufen war.
7.4 Hier ist daher nur noch zu klären, ob die Beschwerde als rechtswirksam eingelegt gelten kann, obwohl sie von einem nicht zugelassenen Vertreter unterzeichnet worden ist, d. h. einer Person, die nicht in die Liste der zugelassenen Vertreter nach Artikel 134 (1) EPÜ eingetragen ist.
8. Auswirkungen eines gemeinsamen Einspruchs auf die vorliegende Beschwerde
8.1 Ließe man gelten, daß nach Regel 100 (1) EPÜ gemeinsame Einsprüche mehrerer Personen zulässig sind und daß nur eine Gebühr zu entrichten ist, so stellt sich im vorliegenden Fall auf der Beschwerdeebene folgendes Problem:
8.2 Müssen alle Personen, die vor der ersten Instanz gemeinsam Einspruch eingelegt haben, gemeinsam handeln, um Beschwerde einlegen zu können? Falls ja, müssen alle Personen, die die Beschwerde oder die Vollmacht für den Vertreter nicht unterzeichnet haben, gefragt werden, ob sie die Beschwerde unterstützen und mit der Vertretung durch die fünf Beschwerdeführer einverstanden sind oder ob sie an der Beschwerde nicht mehr interessiert sind. Wenn eine dieser Personen zum Sprecher bestellt war, aber keine Beschwerde einlegt, ergibt sich zudem die Frage, ob die nächste namentlich aufgeführte Person die Beschwerde wirksam einlegen kann.
8.3 Mit diesen Fragen sollte die Große Beschwerdekammer befaßt werden.
9. Vertretung
9.1 Der Beschwerdegegner hat daneben noch die Frage aufgeworfen, ob eine Beschwerde von jemandem wirksam eingelegt werden kann, der kein beim EPA zugelassener Vertreter und auch kein Rechtsanwalt ist, der vor nationalen Behörden in Patentsachen auftreten darf.
9.2 Die Kammer neigt der Auffassung des Beschwerdegegners zu, daß eine von Grund auf mangelhafte Beschwerde nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr wirksam berichtigt werden kann, sofern nicht die Rechtsprechung der Beschwerdekammern dies mit der Begründung zuläßt, eine einschlägige Bestimmung des EPÜ biete Spielraum für eine solche Auslegung. Die Kammer ist auch der Ansicht, daß das Fehlen einer wirksamen Vertretung ein solcher Mangel sein kann, denn laut EPÜ gilt für Beteligte, die einen Vertreter bevollmächtigen wollen, die Auflage, daß dieser berechtigt sein muß, vor dem EPA aufzutreten. Die diesbezüglichen Bestimmungen des EPÜ sind auch sehr ausführlich, was darauf hindeutet, daß die Gesetzgeber dieser Frage große Bedeutung beigemessen haben. Beispielsweise heißt es in Regel 101 (4) EPÜ, daß Verfahrenshandlungen - mit Ausnahme der Einreichung von Patentanmeldungen - als nicht erfolgt gelten, wenn die Vertretungsvollmacht nicht rechtzeitig eingereicht wird (vgl. auch Entscheidung T 355/86 vom 14. April 1987, in der ein Einspruch für unzulässig befunden wurde, weil der Vertreter die angeforderte Vollmacht nicht innerhalb der vom EPA festgesetzten Frist eingereicht hatte).
9.3 Das EPA hat im vorliegenden Fall festgestellt, daß der Vertreter, der den Einspruch einlegte, nicht vor nationalen Behörden auftreten durfte. Eine Verpflichtung zur Vertretung durch einen zugelassenen Vertreter besteht im vorliegenden Fall nicht, da alle Personen, die Einspruch eingelegt haben, Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der EPO sind (Art. 133 (1) EPÜ). Da sie jedoch vertreten waren und dieser Vertreter kein zugelassener Vertreter im Sinne des Artikels 134 EPÜ war, ist die eingelegte Beschwerde allem Anschein nach unzulässig. Andernfalls hätte jede dieser Personen vor Ablauf der Beschwerdefrist einzeln die Beschwerdeschrift unterzeichnen und einreichen müssen.
9.4 Der nicht zugelassene Vertreter beruft sich jedoch auf Auskünfte von Formalsachbearbeitern des EPA in der Einspruchsabteilung sowie von Beamten der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern, die er in einem am 13. Juli 1995 eingegangenen Schreiben namentlich erwähnt. Diese hätten ihm mitgeteilt, daß eine Einspruchs- bzw. Beschwerdeschrift bis zur Bestellung eines neuen zugelassenen Vertreters immer von dessen Vorgänger unterzeichnet werden könne. Diese Auskunft scheint im Einklang mit Artikel 1 (2) des Beschlusses des Präsidenten des EPA vom 19. Juli 1991 über die Einreichung von Vollmachten (ABl. EPA 1991, 489) zu stehen, wonach ein neuer Vertreter innerhalb einer vom EPA bestimmten Frist eine Einzelvollmacht einzureichen hat. In dem Beschluß wird nicht erwähnt, welche verfahrensrechtlichen Auswirkungen es gegebenenfalls hat, wenn eine Beschwerde von einem nicht zugelassenen Vertreter eingelegt wird. Darüber hinaus gilt es zu bedenken, daß die Beschwerdeführer, wie von der Kammer in ihrer Mitteilung angeregt (s. Nr. 2.3), jeweils gesondert eine Beschwerdeschrift mit einer Vollmacht für einen nach dem EPÜ zugelassenen Vertreter unterzeichnet haben.
9.5 In Anbetracht dieser Sachlage ist die Kammer der Auffassung, daß die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Vertrauensschutz auf diesen Fall anwendbar ist, sofern die Rechtslage so ist, daß eine Beschwerde als nicht eingelegt gilt, wenn sie von einem nicht zugelassenen Vertreter eingelegt wird. Die Rechtsprechung geht nämlich dahin, daß ein Beteiligter zwar keine Auskünfte vom EPA verlangen kann, sich aber auf erteilte Auskünfte verlassen darf; siehe z. B. J 3/87 (ABl. EPA 1989, 3). Die Befolgung mißverständlicher Auskünfte darf für den betreffenden Beteiligten keine nachteiligen Folgen haben; er ist mithin so zu behandeln, als habe er die einschlägigen gesetzlichen Erfordernisse erfüllt. Analog dazu könnte die Beschwerde im vorliegenden Fall noch als rechtzeitig eingelegt gelten, obwohl sie erst später von einem zugelassenen Vertreter bestätigt wurde.
9.6 Wie vorstehend eingeräumt, könnte ein Mangel der Beschwerde nach der derzeitigen Praxis bezüglich des Vertrauensschutzes auch noch nach Ablauf der einschlägigen Frist beseitigt werden, sofern der betreffende Beteiligte zu der Annahme berechtigt war, daß dies nach dem EPÜ zulässig sei.
9.7 Dann stellt sich die Frage, ob Regel 101 (4) EPÜ (vgl. Nr. 9.2), wonach eine Verfahrenshandlung - mit Ausnahme der Einreichung einer Anmeldung - als nicht erfolgt gilt, wenn die Vollmacht nicht rechtzeitig eingereicht wird, Vorrang vor einer solchen berechtigten Erwartung hat.
10. Zulässigkeit der Beschwerde, wenn nur eine einzige natürliche Person als Beschwerdeführer auftritt
10.1 Schließlich hat die Kammer auch geprüft, ob das Problem im vorliegenden Fall nicht dadurch gelöst werden könnte, daß man die Beschwerdeführer einfach auffordert, eine Person zu benennen, in deren Namen der Einspruch und die Beschwerde weiterverfolgt würden. Dann wären der Einspruch und die Beschwerde bei Entrichtung der entsprechenden Gebühr wirksam eingelegt.
10.2 Dieser Weg zu einem zulässigen Einspruch und einer zulässigen Beschwerde würde auch durch die jüngst ergangenen Entscheidungen G 3/97 und G 4/97 zur sogenannten "Strohmann"-Thematik gestützt. Da die Große Beschwerdekammer entschieden hat, daß ein Einspruch nicht schon deswegen unzulässig ist, weil er im Auftrag eines Dritten eingelegt wurde (Antwort 1 a)), haben die Einwände des Patentinhabers im vorliegenden Fall, er habe das Recht zu wissen, wer die Einsprechenden seien, und deshalb dürfe sich die Zusammensetzung der Gruppe nicht ändern, offenbar an Relevanz verloren.
10.3 Da es jedoch in diesen Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer ausschließlich um nominelle Einsprechende ging, sind nicht alle Fragen hinsichtlich der Stellung und der Rechte von Beteiligten am Einspruchsverfahren beantwortet worden. Klärungsbedürftig ist beispielsweise noch, wie die gemeinsame Vertretung zu gestalten ist, damit für den Patentinhaber ordnungsgemäße Verfahrensrechte gewährleistet sind, ob die Einsprechenden Beschränkungen unterliegen und ob eine oder mehrere Einspruchsgebühren entrichtet werden müssen. Auf die Lage im vorliegenden Fall konnte die Große Beschwerdekammer in ihren Entscheidungen G 3/97 und G 4/97 nicht abstellen.
10.4 Erwähnt sei auch noch, daß eine gemeinsame Gruppe von Einsprechenden dadurch, daß sich ihre Mitglieder ändern, zu einer anderen "Person" werden könnte, insbesondere unter den Umständen des vorliegenden Falls, in dem erst 26, dann 18, dann 5 und schließlich 17 Einsprechende/Beschwerdeführer auftraten.
11. Vorlage nach Artikel 112 EPÜ
11.1 Der vorstehende Überblick über Probleme im Zusammenhang mit gemeinsamen Einsprüchen und Beschwerden wirft Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, die nach Auffassung der Kammer gemäß Artikel 112 EPÜ der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden müssen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1. Ist ein Einspruch zulässig, der ansonsten den Erfordernissen des Artikels 99 EPÜ und der Regel 55 EPÜ genügt, wenn er von mehreren Personen gemeinsam eingelegt und nur eine Einspruchsgebühr entrichtet wird?
2. Wird die Frage 1 bejaht und wurde in der Einspruchsschrift nach Regel 100 (1) EPÜ ein gemeinsamer Vertreter bezeichnet, ist dann eine Beschwerde rechtswirksam, auch wenn sie nicht von dieser Person eingelegt wird?
3. Werden die Fragen 1 und 2 bejaht, welche etwaigen anderen Erfordernisse müssen zur Wahrung der Rechte des Patentinhabers bei einem gemeinsamen Einspruch bzw. bei einer gemeinsamen Beschwerde erfüllt sein?