BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.5.1 vom 31. März 1994 - T 1055/92 - 3.5.1
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | P. K. J. van den Berg |
Mitglieder: | R. Randes |
| G. Davies |
Anmelder: Ampex Corporation
Stichwort: Klarheit/AMPEX CORPORATION
Artikel: 76 (1), 83, 84, 123 (2) EPÜ
Schlagwort: "Klarheit (bejaht)"
Leitsätze
I. Form und Inhalt der Ansprüche einer europäischen Patentanmeldung unterliegen den Anforderungen des Artikels 84 und der Regel 29 EPÜ. Gemäß Artikel 84 müssen die Ansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird.
Diese Funktion der Ansprüche sollte von dem Erfordernis streng getrennt werden, daß die europäische Patentanmeldung die Erfindung so offenbaren muß, daß ein Fachmann sie ausführen kann.
II. In Artikel 83 wird eine ausreichende Offenbarung in der europäischen Patentanmeldung gefordert; dies gilt für die Anmeldung als Ganzes, einschließlich der Ansprüche, der Beschreibungen und der Zeichnungen, und nicht für einen einzelnen Anspruch als solchen.
III. Ein Anspruch in einer europäischen Patentanmeldung muß die wesentlichen Merkmale der Erfindung angeben (vgl. T 32/82, ABl. EPA 1984, 354); dazu gehören insbesondere jene Merkmale, welche die Erfindung vom nächstliegenden Stand der Technik unterscheiden.
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 1. Mai 1986 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 86 200 750.7, die eine Teilanmeldung einer am 10. April 1981 eingereichten früheren Anmeldung (Veröffentlichungsnr. 0 076 259) ist, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 29. September 1992 zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß Anspruch 1 den Anforderungen des Artikels 84 EPÜ nicht entspreche.
Die Prüfungsabteilung stellte insbesondere fest, daß der letzte Absatz des Anspruchs 1 ungenau und unklar sei. Er enthalte Formulierungen, die den Gegenstand, für den Schutz begehrt werde, hinsichtlich der technischen Merkmale der Erfindung nicht klar und knapp bezeichneten, da nicht deutlich werde, wie die Werte der Befehlsparameter für die Felder zwischen aufeinanderfolgenden Knoten anhand der Werte der jeweiligen Befehlsparameter und deren Ableitungen an den Knoten zu berechnen seien.
III. Am 27. Oktober 1992 legte der Beschwerdeführer unter Entrichtung der Beschwerdegebühr gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung wurde zusammen mit einem Satz aus den Ansprüchen 1 bis 7 am 2. November 1992 eingereicht.
Die unabhängigen Ansprüche 1 bis 6 lauten wie folgt:
1. Steuersystem für ein Bildtransformationssystem (1300), das so ausgelegt ist, daß es nach Eingabe von Gruppen von Datenelementen, die Videofelder darstellen, für jedes einer Vielzahl aufeinanderfolgender Felder eine modifizierte Datengruppe entsprechend den für dieses Feld geltenden Werten einer Vielzahl von Befehlsparametern errechnet, die für jedes Feld eine räumliche Transformation des von der eingegebenen Datengruppe dargestellten Bildes bestimmen, wobei dieses Steuersystem folgendes umfaßt:
Mittel (1422, 1424, 1308, 1310) zur Auswahl der Vielzahl aufeinanderfolgender Felder
Mittel (1428, 1308, 1310) zur Programmierung einer im Verhältnis zur Zahl der Felder kleinen Anzahl von Knoten, die durch die ausgewählten Felder dargestellt werden und einen Anfangs-, einen End- und mindestens einen Zwischenknoten umfassen
Mittel (1410, 1426, 1308, 1310) zur Festlegung der Werte von ausgewählten Befehlsparametern für jeden Knoten und
eine Steuerung (1314), die (1) die festgelegten Werte der ausgewählten Befehlsparameter für jeden Knoten speichert und (2) die Werte der einzelnen Befehlsparameter für die Felder zwischen aufeinanderfolgenden Knoten entsprechend (a) den Werten der jeweiligen Befehlsparameter am vorhergehenden und am nachfolgenden Knoten sowie (b) den Werten der Steigung oder der ersten Ableitung des betreffenden Befehlsparameters am vorhergehenden und am nachfolgenden Knoten berechnet, so daß die räumlichen Transformationen einen fließenden, sich stetig verändernden Videoeffekt ergeben
6. Verfahren zur Steuerung eines Bildtransformationssystems (1300) zur Erzeugung eines komplexen, sich stetig verändernden Videoeffekts, der sich ohne abrupten, schrittweisen Wechsel über eine Vielzahl aufeinanderfolgender Videofelder erstreckt, wobei das Verfahren folgende Schritte umfaßt:
Auswahl der Variablen für die Bildmanipulation zur Erzeugung des Videoeffekts und Auswahl der Vielzahl aufeinanderfolgender Felder
Festlegung der Knoten, die ausgewählten Feldern in der Folge entsprechen, wobei diese Knoten einen Anfangs-, einen End- und mindestens einen Zwischenknoten umfassen
Speichern mehrerer Parameter zu jedem Knoten, die jeweils an diesem Knoten den Zustand der betreffenden Bildmanipulationsvariablen angeben
Berechnung der Parameter für die Felder zwischen den Knoten entsprechend den Werten der betreffenden Parameter sowie den Werten seiner Steigung oder ersten Ableitung am vorhergehenden und am nachfolgenden Knoten, um so für jedes Feld in der Folge die Bildmanipulationsvariablen zu ermitteln und
Eingabe der so errechneten Bildmanipulationsvariablen in das Bildtransformationssystem als Transformationsbefehle".
Anspruch 1 unterscheidet sich vom zurückgewiesenen Anspruch 1 nur dadurch, daß der Ausdruck "in terms of" ("anhand") im letzten Absatz des Anspruchs (nach a bzw. b) in "in accordance with" ("entsprechend") abgeändert wurde. Anspruch 6 ist identisch mit dem am 15. November 1990 eingereichten Anspruch 6.
IV. Zur Unterstützung seines Antrags äußerte der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung die Vermutung, daß die Prüfungsabteilung Artikel 83 mit 84 EPÜ verwechselt habe. In der Beschwerdebegründung wurde folgendes ausgeführt:
"In der angefochtenen Entscheidung wird es offensichtlich versäumt, den angeblichen Mangel an Klarheit in Zusammenhang mit dem Zweck der Ansprüche zu erörtern. Die Zurückweisung beruht im wesentlichen nur auf zwei Behauptungen. Die erste davon besagt, daß der letzte Teil des Anspruchs "ungenau und unklar ist, da nicht deutlich wird, wie die Werte zu berechnen sind", die zweite, daß "Anspruch 1 die notwendigen Einzelheiten angeben müßte, damit ein Fachmann die Erfindung ausführen kann". Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist keine dieser Behauptungen als Begründung für mangelnde Klarheit geeignet, sondern trifft von der Wortwahl her eher auf eine unzureichende Beschreibung der Erfindung zu: Die zweite Behauptung ist nämlich praktisch eine Umschreibung der Regel 27 (1) e), welche vorschreibt, daß "in der Beschreibung wenigstens ein Weg zur Ausführung der [beanspruchten] Erfindung im einzelnen anzugeben" ist. Insbesondere legen die Behauptungen nicht einmal ansatzweise dar, welches wesentliche Merkmal - aufgrund eines für die Ansprüche maßgeblichen Kriteriums - in den Ansprüchen noch fehlt oder in welcher Hinsicht die Formulierung in bezug auf den Zweck der Ansprüche unklar ist. Die Zurückweisung stützt sich daher nach Ansicht des Beschwerdeführers zu Unrecht auf Artikel 84."
Darüber hinaus wies der Beschwerdeführer darauf hin, daß die Prüfungsabteilung in der mündlichen Verhandlung bestätigt habe, daß keine Einwände wegen mangelnder Offenbarung aufgrund von Artikel 83 EPÜ erhoben würden.
Die Einwände der Prüfungsabteilung wegen mangelnder Klarheit beträfen nur den letzten Absatz von Anspruch 1. Der Beschwerdeführer analysierte diesen Absatz ausführlich wie folgt:
"4.11. Der letzte Absatz von Anspruch 1 besteht aus drei Teilen, von denen der erste den Speichervorgang und die beiden anderen den Interpolationsvorgang der Steuerung betreffen. Es empfiehlt sich, die einzelnen Teile der Reihe nach zu behandeln, weil sich dabei zeigt, daß jeder Teil ein notwendiges technisches Merkmal darstellt, das klar und zutreffend formuliert ist.
4.12. Im ersten Teil wird dargelegt, daß [die Steuerung] die festgelegten Werte der ausgewählten Befehlsparameter für jeden der Knoten abspeichert. In diesem Teil, der nicht streitig ist, ist die auf Seite 52, Zeile 23, Seite 53, Zeile 5 und in dem speziellen Beispiel auf Seite 64, Zeilen 34 und 35 sowie an anderer Stelle offenbarte Funktionsweise der Steuerung kurz und knapp dargestellt.
4.13. Im zweiten Teil heißt es, daß die Steuerung die Werte für die Felder zwischen aufeinanderfolgenden Knoten (a) entsprechend den Werten der jeweiligen Befehlsparameter am vorhergehenden und am nachfolgenden Knoten berechnet. Damit soll in knappen Worten der Vorgang angegeben werden, der nachstehend auf verschiedene Weise beschrieben ist:
(i) [Die Hochstufensteuerung] "interpoliert zwischen den festgesetzten Zeiten und zwischen dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Zustand für jeden Kontrollparameter" (vgl. Seite 52, Zeile 30);
(ii) "interpoliert zwischen den festgesetzten Punkten" (vgl. Seite 52, Zeile 35);
(iii) "zwischen den Knoten wird jeder Befehlsparameter zwischen seinem Zustand am vorhergehenden sowie am nachfolgenden Knoten interpoliert [mit einer polynomen Gleichung dritten Grades, deren Koeffizienten] anhand des Wertes des Parameters an dem betreffenden und am nachfolgenden Knoten sowie anhand des Wertes der Steigung oder ersten zeitlichen Ableitung des Befehlsparameters an dem betreffenden sowie am vorhergehenden Knoten berechnet werden" (vgl. S. 53, Zeilen 21 bis 32.) [Hervorhebung durch die Kammer].
Es ist darauf hinzuweisen, daß eine Interpolation kaum zweckmäßig ist, wenn sie nicht "entsprechend" den Werten der Parameter an den ausgewählten Feldern erfolgt. Die mit der vorliegenden Erfindung bereitgestellte Interpolation entspricht dem Aufbau eines Interpolanten für eine Reihe nichtkolinearer Punkte in einem zweidimensionalen Feld, dessen Ordinatenwerte für einige Abszissenwerte bekannt sind, wobei die Ordinatenwerte bei der vorliegenden Erfindung durch den Parameter dargestellt werden und die Abszisse durch die Zeit. Es steht außer Zweifel, daß eine sinnvolle Interpolation die bekannten Werte mit einbeziehen muß.
4.14. Der letzte Teil von Anspruch 1 bezieht sich auf die Berechnung der Parameterwerte, die "(b) entsprechend den Werten der Steigung oder der ersten Ableitung des jeweiligen Befehlsparameters am vorhergehenden und am nachfolgenden Knoten" erfolgt,"so daß die räumlichen Transformationen einen fließenden, sich stetig verändernden Videoeffekt ergeben".
4.15. Zwar ist es unstreitig, daß sich dieser letzte Teil des Anspruchs ordnungsgemäß auf die Beschreibung stützt; seine Bedeutung für den beanspruchten Gegenstand ist aber - anders als beim zuvor beschriebenen Merkmal - möglicherweise nicht schon auf den ersten Blick offensichtlich. Die Bedeutung läßt sich jedoch unschwer aus der Art der beabsichtigten Wirkung und der elementaren mathematischen Regeln erschließen und wird durch die in der Anmeldung zitierte Veröffentlichung bestätigt.
4.16. Beabsichtigt ist ein fließender, sich stetig ändernder Effekt. Die Anfangsdaten bestehen aus den Parameterwerten für verhältnismäßig wenige aufeinanderfolgende Felder."
Im Anschluß an diese Analyse bezog sich der Beschwerdeführer auf ein in der Beschreibung des Anspruchs zitiertes Lehrbuch von de Boor und legte dar, daß die in Anspruch 1 und der Beschreibung genannten Interpolationstechniken schon 1981 bekannt gewesen seien und auf verschiedenen Interpolationsmethoden beruhten. Er nannte dazu ein Beispiel aus dem o. g. Lehrbuch (S. 49), das angeblich auf die für die vorliegende Erfindung erforderliche Interpolation direkt anwendbar ist. Nach diesem Beispiel "entsprach der Interpolant nicht nur den (gespeicherten) Parameterwerten an den betreffenden festgesetzten Punkten, sondern auch der ersten Ableitung des Parameters an diesen Punkten". Der Beschwerdeführer erklärte, der Verfasser des Lehrbuchs sei von der sog. "schrittweisen linearen Interpolation" ausgegangen. Diese Technik sei allerdings recht ungenau, weshalb der Verfasser darauf hinweise, daß
"für eine gleichmäßigere und auch effizientere Annäherung eine schrittweise polynome Annäherung mit Stücken höherer Ordnung erforderlich ist"; ferner sei "die am häufigsten verwendete (wenn auch offensichtlich nicht die einzige - Anmerkung des Beschwerdeführers) Methode nach wie vor eine schrittweise kubische Annäherungsfunktion."
Der Beschwerdeführer bekräftigte zusammenfassend, daß die Formulierung von Anspruch 1 (im Hinblick auf Artikel 84 EPÜ) klar sei und den für die Erfindung begehrten Schutz eindeutig angebe. Ferner beinhalte er insofern alle notwendigen "wesentlichen Merkmale", als 1. alle gemäß der Beschreibung zur Ausführung der Erfindung notwendigen Merkmale darin enthalten (d. h. durch die Beschreibung gestützt) seien und 2. alle wesentlichen Merkmale zur Abgrenzung der Erfindung vom gegenwärtigen Stand der Technik vorhanden seien.
Der Beschwerdeführer wies außerdem darauf hin, daß in der angefochtenen Entscheidung der Rechtsstand der am 15. November 1990 eingereichten Ansprüche 6 und 7 falsch bewertet worden sei. Der Beschwerdeführer (Anmelder) habe diese Ansprüche zu keinem Zeitpunkt zurückgezogen.
V. Aus diesen Gründen beantragte er:
(i) die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung;
(ii) die Erteilung eines Patents auf die Anmeldung auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
der Ansprüche 1 bis 7 in der am 2. November 1992 eingereichten Fassung,
der Beschreibung, Seiten 1 bis 3 in der am 2. November 1992 und Seiten 4 bis 91 in der am 15. Juli 1989 eingereichten Fassung
der Zeichnungsblätter 1 bis 10 und 12 bis 19 in der ursprünglich eingereichten Fassung und des Blatts 11 in der am 15. Juli 1989 eingereichten Fassung
(iii) die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall, daß die Beschwerdekammer dem Antrag ii oder einem in der Beschwerdebegründung alternativ gestellten Antrag nicht stattgeben könne (der Beschwerdeführer hatte in seiner Beschwerdebegründung erklärt, er sei bereit, die Formulierung der Ansprüche zu ändern, falls die Kammer dies für nötig befinde, und z. B. die Formulierung "entsprechend" im letzten Absatz von Anspruch 1 in "ausgehend von" oder "in Abhängigkeit von" abzuändern).
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Wie aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, wies die Prüfungsabteilung die vorliegende Anmeldung mit der Begründung zurück, daß
"die Anmeldung nicht den Anforderungen von Artikel 84 EPÜ entspricht, da Anspruch 1 nicht klar ist".
Um diese Frage entscheiden zu können, muß zunächst festgestellt werden, worum es bei der Erfindung im wesentlichen geht.
3. Da die Prüfungsabteilung in der angefochtenen Entscheidung keine Dokumente des Stands der Technik anführt, geht die Kammer davon aus, daß das vom Beschwerdeführer angegebene technische Problem als die der Erfindung objektiv zugrunde liegende Aufgabe anzusehen ist. In der Beschwerdebegründung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß der erste Absatz von Anspruch 1 den Ausgangspunkt der Erfindung definiere; demnach lautet die Aufgabe wie folgt:
"Wie kann eine wiederholbare Abfolge von Befehls- oder Steuerparametern für ein Bildtransformationssystem erreicht werden, das so ausgelegt ist, daß es nach Eingabe von Gruppen von Datenelementen, die Videofelder darstellen, für jedes einer Vielzahl aufeinanderfolgender Felder eine modifizierte Datengruppe entsprechend den für dieses Feld geltenden Werten einer Vielzahl von Befehlsparametern errechnet, die für jedes Feld eine räumliche Transformation des von der eingegebenen Datengruppe dargestellten Bildes bestimmen".
Wie der Beschwerdeführer festgestellt hat, erscheint es auf den ersten Blick notwendig, für eine Transformationsabfolge eine große Anzahl von Befehlsparametern zu bestimmen und zu speichern. Erfindungsgemäß läßt sich jedoch eine hinreichend genaue Darstellung der Transformation dadurch erzielen, daß nur für einige ausgewählte Felder die Werte der Befehlsparameter ("Knoten") gespeichert und diese dann für die zwischen den Knoten liegenden Felder interpoliert werden.
Die Kammer ist der Ansicht, daß die drei Absätze im Anspruch 1, die auf den einleitenden ersten Absatz folgen, hinsichtlich der Formulierung völlig klar sind. Sie machen deutlich, daß das Steuersystem Mittel enthalten muß, welche (1) alle aufeinanderfoldenden Felder auswählen, (2) eine im Vergleich zur Gesamtzahl aller aufeinanderfolgenden Felder kleine Anzahl von Knoten programmieren und (3) Werte ausgewählter Befehlsparameter für die erwähnten "Knoten" festlegen. Tatsächlich hat die Prüfungsabteilung die bisher aufgeführten Absätze ja auch nicht als unklar beanstandet.
Die zentrale Idee der Erfindung ist nach Ansicht der Kammer im dritten Absatz von Anspruch 1 enthalten; dort heißt es, daß nur (eine im Vergleich zur Anzahl der Felder kleine Zahl von) "Knoten" programmiert werden. Die im letzten Absatz des Anspruchs 1 genannten Merkmale beschreiben genauer, wie diese Idee in die Praxis umzusetzen ist. Die Lehre der letzten beiden Zeilen dieses Anspruchs, die lediglich das gewünschte Ergebnis der Erfindung angibt, stellt kein echtes technisches Merkmal dar. Dennoch bezeichnet sie in etwa die Bedingungen und auch die Einschränkungen für die im ersten Abschnitt erwähnte Berechnung.
Anspruch 1 ist, wie oben dargelegt, in dem Sinne klar, daß er deutlich formuliert ist und keinen Anlaß zu einer falschen Auslegung seines Wortlauts gibt. Die Kammer ist daher in diesem Fall der Ansicht, daß die Erfordernisse des ersten Teils des zweiten Satzes von Artikel 84 erfüllt sind, d. h. daß sie (die Ansprüche) "deutlich und knapp gefaßt" sind.
4. Der angefochtenen Entscheidung zufolge mangelt es Anspruch 1 insbesondere deshalb an Klarheit, "weil nicht ersichtlich ist, wie die Werte der Befehlsparameter für die Felder zwischen zwei aufeinanderfolgenden Knoten anhand der Werte der betreffenden Befehlsparameter und deren Ableitungen an den Knoten zu berechnen sind". In diesem Punkt kommt die Kammer zum entgegengesetzten Ergebnis:
Nach Artikel 84 Satz 1 EPÜ müssen in einer europäischen Patentanmeldung die "Patentansprüche ... den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird". Die wichtigste Funktion eines Patentanspruchs ist es daher, den für die Erfindung begehrten Schutzumfang festzulegen. Es ist also nicht immer notwendig, daß in einem Anspruch die technischen Merkmale oder Schritte in allen Einzelheiten beschrieben sind. Die Kammer kann sich deshalb dem Teil der Entscheidung der Prüfungsabteilung nicht anschließen, in dem es heißt: "Um deutlich zu sein, müßte Anspruch 1 die erforderlichen Berechnungen so genau angeben, daß ein Fachmann die Erfindung ausführen könnte, ohne dabei selbst erfinderisch tätig zu werden". Nach Auffassung der Kammer genügt es, wenn die Anmeldung als Ganzes (die Ansprüche in Verbindung mit der Beschreibung und den Zeichnungen) die notwendigen Merkmale einer Erfindung (in diesem Falle die Berechnung) so genau beschreibt, daß ein Fachmann die Erfindung ausführen kann. Dieses Erfordernis bezieht sich allerdings auf Artikel 83 EPÜ und ist für Artikel 84 EPÜ ohne Belang.
Der Inhalt von Patentansprüchen unterliegt den Bestimmungen des Artikels 84 und der Regel 29 EPÜ. Nach Artikel 83 muß die Anmeldung als Ganzes (die Ansprüche in Verbindung mit der Beschreibung und den Zeichnungen) und nicht ein einzelner Patentanspruch als solcher ausreichend offenbart sein.
5. Die Kammer stimmt jedoch auch der vom Beschwerdeführer vertretenen Auslegung der Bedeutung des zweiten Teils des zweiten Satzes von Artikel 84 EPÜ (wonach die Ansprüche durch die Beschreibung gestützt sein müssen - vgl. Nr. IV) zu, wonach alle in der Beschreibung als zur Ausführung der Erfindung notwendig bezeichneten Merkmale (wesentliche Merkmale) in einem entsprechenden Anspruch vorkommen müssen (vgl. T 32/82, ABl. EPA 1984, 354).
Es müssen daher die zur Lösung der betreffenden technischen Aufgabe notwendigen Merkmale in dem Anspruch enthalten sein. Im Verfahren vor der Prüfungsabteilung kommt es häufig vor, daß sachdienliche Dokumente angeführt werden, was zur Folge hat, daß das Kernstück einer beanspruchten Erfindung abgeändert werden muß und damit auch die entsprechende Aufgabenstellung in geänderter Form erscheint. In diesen Fällen müssen dem Anspruch oft noch neue wesentliche Merkmale hinzugefügt werden, um die Lösung deutlich zu kennzeichnen und um die Erfindung vom Stand der Technik abzugrenzen.
Im vorliegenden Fall hat die Prüfungsabteilung keine Dokumente erwähnt, anhand deren sich die wesentlichen Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 herausarbeiten ließen und somit eine Abgrenzung der Erfindung gegenüber dem Stand der Technik möglich wäre. Geht man aber davon aus, daß der Stand der Technik und der Ansatzpunkt der Erfindung dem entsprechen, was der Beschwerdeführer vorträgt, so scheint das Kernstück der Erfindung in der Bereitstellung von Knoten zu liegen, von denen aus - wie auch immer - weitere Parameterwerte berechnet werden (vgl. Nr. 3). Da der Erfindung kein einschlägiger Stand der Technik entgegengehalten wurde, der die Interpolation zwischen den Knoten in dem erfindungsgemäßen oder einem eng verwandten technischen Bereich als bekannt offenbart hätte, dürfte sich der Gegenstand des Anspruchs 1 - beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens - prima facie klar von dem vom Beschwerdeführer beschriebenen Stand der Technik unterscheiden. Nach Ansicht der Kammer bedarf es nach Artikel 84 EPÜ in dem Anspruch keiner weiteren Beschreibung der Erfindung zur Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik. Hierfür reichen funktionelle Merkmale aus.
6. Aus der angefochtenen Entscheidung geht hervor, daß die Prüfungsabteilung, wie schon vom Beschwerdeführer vermutet (vgl. Nr. IV, letzten 4 Zeilen), die am 15. November 1990 eingereichten Ansprüche 6 und 7 irrtümlich für zurückgenommen hielt. Auf diese Ansprüche ist sie deshalb auch nicht weiter eingegangen. Die Kammer hat den Eindruck, daß mit dem unabhängigen Anspruch 6 grundsätzlich ein entsprechendes Verfahren bereitgestellt werden sollte. Der Wortlaut von Anspruch 6 ist allerdings noch nicht an den jetzigen Anspruch 1 angepaßt worden.
7. Da die Kammer der Auffassung ist, daß dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben werden sollte, seine Anmeldung von zwei Instanzen auf alle Erfordernisse des EPÜ hin überprüfen zu lassen, macht sie von dem ihr nach Artikel 111 (1) EPÜ zustehenden Ermessen Gebrauch und weist die vorliegende Anmeldung zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurück.
Die Kammer hält in diesem Zusammenhang fest, daß nach der angefochtenen Entscheidung mangelnde Klarheit des Anspruchs 1 der einzige Grund für die Zurückweisung war.
Dies ist auch der einzige Punkt, über den sich die Kammer in dieser Entscheidung ein Urteil gebildet hat; sie ist zu der Auffassung gelangt, daß der Anspruch 1 in seiner jetzigen Fassung nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens den Anforderungen des Artikels 84 EPÜ entspricht, da er klar und knapp gefaßt ist. Die Kammer hat sich jedoch bei der Entscheidungsfindung vorwiegend auf die Ausführungen des Beschwerdeführers gestützt.
Um dem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit einer Überprüfung durch zwei Instanzen zu nehmen, hat die Kammer in der Überlegung, daß die vorrangige Aufgabe der Beschwerdekammern nicht darin besteht, europäische Patentanmeldungen zu prüfen, sondern über Beschwerden zu entscheiden, weder untersucht, ob die Anmeldung in ihrer nunmehrigen Fassung Artikel 76 (1) EPÜ (Inhalt gegenüber der Stammanmeldung), Artikel 84 EPÜ, Satz 2, letzter Teil (Stützung des Anspruchs durch die Beschreibung) und Artikel 123 (2) EPÜ (Anwendbarkeit auf eine Teilanmeldung) entspricht, noch, inwieweit die Erfindung in der beanspruchten Fassung möglicherweise unter die Ausschlußbestimmungen des Artikels 52 (2) EPÜ fällt.
Für den Fall, daß die Erfindung auf erfinderische Tätigkeit geprüft werden muß, möchte die Kammer darauf hinweisen, daß die zuständige Prüfungsabteilung in ihrem Bescheid vom 8. Mai 1985 die Auffassung vertreten hatte, daß der Gegenstand des veröffentlichten, geänderten Anspruchs 22 der Stammanmeldung, der nun den Kern des vorliegenden Anspruchs 1 darstellt, aufgrund des im Prüfungsverfahren angezogenen Stands der Technik für den Fachmann naheliegend sei.
8. Was den Antrag des Beschwerdeführers auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung für den Fall anbelangt, daß die Kammer nicht in der Lage sein sollte, der Erteilung eines Patents auf der Grundlage eines der Anträge des Beschwerdeführers zuzustimmen, so weist die Kammer auf folgendes hin: Da im vorliegenden Fall mit der eigentlichen Prüfung der Anmeldung auf alle Erfordernisse des EPÜ - mit Ausnahme des Artikels 84 - noch nicht einmal begonnen worden ist, erscheint es weder angebracht noch zweckdienlich, den Beschwerdeführer zu einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer zu laden. Wenn die Kammer - wie hier - die Sache an die erste Instanz zurückverweist, besteht nämlich die Gefahr, daß die erste Instanz durch eine mündliche Verhandlung vor der Kammer beeinflußt wird.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage der unter Nummer V ii) genannten Anmeldungsunterlagen an die erste Instanz zurückverwiesen.