BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 25. November 2014 - G 1/13
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | W. van der Eijk |
Mitglieder: | K. Garnett |
| A. Klein |
| R. Moufang |
| R. Murphy |
| U. Oswald |
| G. Weiss |
Patentinhaber/Beschwerdeführer: Sasol Technology (Proprietary) Limited
Einsprechender/Beschwerdegegner: Formalities Bureau Limited
Stichwort: Fischer-Tropsch-Katalysatoren/SASOL TECHNOLOGY II
Relevante Rechtsnormen:
Artikel 99 (1), 112 (1), 121 und 122 EPÜ
Schlagwort: "Zulässigkeit der Vorlage (bejaht)" – "Einsprechendes Unternehmen hört nach nationalem Recht auf zu existieren" – "Rückwirkendes Wiederaufleben des einsprechenden Unternehmens nach nationalem Recht" – "Anerkennung des rückwirkenden Wiederauflebens des einsprechenden Unternehmens nach nationalem Recht durch das EPA (bejaht)" – "Fortsetzung des Einspruchsverfahrens durch das wieder aufgelebte einsprechende Unternehmen (bejaht)" – "Zulässigkeit der Beschwerde (bejaht)"
Leitsatz:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
1. Wird ein Einspruch von einem Unternehmen eingelegt, das später gemäß dem maßgeblichen nationalen Recht in jeder Hinsicht aufhört zu existieren, anschließend aber nach einer Vorschrift dieses Rechts wiederauflebt und als fortgeführt gilt, als hätte es nie aufgehört zu existieren, und treten all diese Ereignisse ein, bevor die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in geänderter Fassung rechtskräftig wird, so muss das Europäische Patentamt die Rückwirkung dieser Vorschrift des nationalen Rechts anerkennen und die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens durch das wiederaufgelebte Unternehmen zulassen.
2. Wird bei einer Sachlage gemäß Frage 1 im Namen des nicht mehr existierenden einsprechenden Unternehmens fristgerecht eine wirksame Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geänderter Fassung eingelegt und erfolgt das – in Frage 1 beschriebene – rückwirkende Wiederaufleben dieses Unternehmens nach Einlegung der Beschwerde und nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 EPÜ, so muss die Beschwerdekammer die Beschwerde als zulässig behandeln.
3. Nicht zutreffend.
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Zwischenentscheidung vom 21. Juni 2013 in der Sache T 22/09 (ABl. EPA 2013, 582) hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.07 der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Rechtsfragen (nachfolgend "Vorlagefragen" genannt) vorgelegt:
1. Wird ein Einspruch von einem Unternehmen eingelegt, das vor dem Erlass der Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in geänderter Fassung aufgelöst wird, anschließend aber nach einer Vorschrift des maßgeblichen nationalen Rechts wieder ins Handelsregister eingetragen wird und nach dieser Vorschrift als fortgeführt gilt, als sei es nie aufgelöst worden, muss dann das Europäische Patentamt die Rückwirkung dieser Vorschrift des nationalen Rechts anerkennen und die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens durch das wieder eingetragene Unternehmen zulassen?
2. Wenn im Namen des aufgelösten Unternehmens gegen die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung Beschwerde eingelegt wird und die – in Frage 1 erläuterte – rückwirkende Wiedereintragung dieses Unternehmens ins Handelsregister nach Einlegung der Beschwerde und nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 EPÜ erfolgt, muss dann die Beschwerdekammer die Beschwerde als zulässig behandeln?
3. Falls Frage 1 oder Frage 2 verneint wird, bedeutet dies, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in geänderter Fassung automatisch nicht mehr wirksam ist, sodass das Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten werden muss?
II. Die maßgeblichen Sachverhalte, die zur Vorlage geführt haben, sind nachstehend zusammengefasst.
a) Am 2. November 2004 legte Formalities Bureau Ltd (nachfolgend "FBL" genannt), eine Gesellschaft nach dem Recht des Vereinigten Königreichs, Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1058580 ein.
b) Am 27. September 2005, als das Einspruchsverfahren noch anhängig war, wurde FBL aus dem Handelsregister des Vereinigten Königreichs gestrichen, und am 4. Oktober 2005 wurde das Unternehmen laut amtlicher Mitteilung in der London Gazette aufgelöst. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs hörte FBL damit auf zu existieren. Grund für diesen Verwaltungsakt war das Versäumnis von FBL, die erforderlichen Erklärungen an den Führer des Handelsregisters zu übermitteln, sodass dieser zu der Ansicht gelangen musste, FBL habe den Geschäftsbetrieb eingestellt.
c) Trotzdem wurde das Einspruchsverfahren im Namen von FBL durch den bisherigen bevollmächtigten Vertreter, Herrn Peter Bawden, fortgesetzt, als ob FBL weiterhin existierte. Am 29. Oktober 2008 erließ die Einspruchsabteilung eine Zwischenentscheidung, wonach das europäische Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hatte, unter Berücksichtigung der von der Patentinhaberin eingereichten geänderten Ansprüche den Erfordernissen des EPÜ genügten.
d) Am 29. Dezember 2008 wurde im Namen von FBL Beschwerde eingelegt, und zwar ebenfalls durch Herrn Peter Bawden.
e) Kurz vor der für den 6. September 2012 anberaumten mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren entdeckte die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend "Patentinhaberin" genannt), dass FBL aufgehört hatte zu existieren. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin unter anderem, dass die Beschwerde für unzulässig erklärt werden solle; FBL beantragte unter anderem die Aussetzung des Verfahrens. Die Beschwerdekammer ordnete eine schriftliche Fortsetzung des Verfahrens an, um FBL die Möglichkeit zu geben, Argumente zur Zulässigkeit der Beschwerde vorzubringen.
f) Am 26. September 2012 wurde beim UK High Court der Antrag gestellt, FBL wieder in das Handelsregister des Vereinigten Königreichs einzutragen. Als Zweck wurde dabei angegeben, FBL die Fortsetzung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens vor der Beschwerdekammer zu ermöglichen. Am 5. Dezember 2012 verfügte der UK High Court die Wiedereintragung des Namens von FBL in das Handelsregister. Wirksamer Tag dieser Wiedereintragung war der 8. Dezember 2012 – der Tag, an dem die gerichtliche Verfügung des UK High Court beim Handelsregister des Vereinigten Königreichs einging. Nach dem Recht des Vereinigten Königreichs galt FBL damit als fortgeführt, als sei das Unternehmen nie aufgelöst oder aus dem Register gelöscht worden, d. h. als hätte es nie aufgehört zu existieren.
g) Am 13. Dezember 2012 beantragte die Patentinhaberin unter anderem den "Widerruf" der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung mit der Begründung, dass das Einspruchsverfahren hinfällig geworden sei, als FBL aufgehört habe zu existieren. Hilfsweise beantragte sie, die im Namen von FBL eingereichte Beschwerde für unzulässig zu erklären.
h) Die Technische Beschwerdekammer entschied daraufhin, die Große Beschwerdekammer mit den oben aufgeführten Fragen zu befassen.
III. Vorlageentscheidung
a) Die Technische Beschwerdekammer befand, dass die Frage, ob eine juristische Person – z. B. ein Unternehmen – existiert, nach dem Recht zu beantworten ist, nach dem diese gegründet wurde, im Falle von FBL also nach dem Recht des Vereinigten Königreichs.
b) Die Beschwerdekammer stellte außerdem fest, dass zwar der Einspruch bei seiner Einlegung zulässig war, das Einspruchsverfahren aber jederzeit zwischen dem Tag, als FBL aufgelöst wurde, und dem Erlass der angefochtenen Entscheidung hätte beendet werden können, weil die einzige Einsprechende nicht mehr existierte. Sie erklärte weiter, dass auch die Beschwerde nach Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig hätte verworfen werden können, weil sie nicht Artikel 107 EPÜ entsprach, denn das Unternehmen existierte zu dem Zeitpunkt, als in seinem Namen Beschwerde eingelegt wurde, und auch während der gesamten Zweimonatsfrist für die Einlegung der Beschwerde nach Artikel 108 EPÜ rechtlich nicht. Da es nicht mehr existierte, konnte es kein Verfahrensbeteiligter gewesen sein und schon gar nicht ein durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung beschwerter Verfahrensbeteiligter.
c) Die Beschwerdekammer war der Auffassung, dass das EPÜ und die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA keine klare Antwort auf die Frage geben, ob diese Mängel kraft einer Vorschrift des nationalen Rechts rückwirkend geheilt werden konnten, nach der FBL wieder in das Handelsregister eingetragen wurde und als nie aufgelöst galt.
d) Nach Ansicht der Beschwerdekammer handelt es sich hierbei insofern um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1) EPÜ, als diese Frage das System der im EPÜ vorgesehenen Rechtsmittel, die Erlangung und die Beibehaltung der Beteiligtenstellung in Verfahren vor dem EPA sowie das Verhältnis zwischen dem EPÜ und dem nationalen Recht betrifft. Eine Entscheidung in dieser Frage ist aus der Sicht der Beschwerdekammer notwendig, weil diese ansonsten nicht feststellen kann, ob eine geeignete Grundlage für die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens durch FBL besteht und ob die Beschwerde zulässig ist.
e) Falls die Mängel nicht durch die nach dem Recht des Vereinigten Königreichs erfolgte Wiedereintragung von FBL in das Handelsregister des Vereinigten Königreichs rückwirkend geheilt werden können, muss laut der Beschwerdekammer entschieden werden, ob dies zur Folge hat, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung automatisch nicht mehr wirksam ist und das angefochtene Patent in der erteilten Fassung aufrechterhalten wird. Sie bezeichnete es als angezeigt, auch diese Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
IV. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2013 und vom 5. März 2014 legte die Patentinhaberin ihren Standpunkt zu der Vorlage dar. FBL nahm mit Schreiben vom 31. Dezember 2013 ebenfalls zu der Vorlage Stellung.
V. Auf Aufforderung der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 9 der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer (VOGBK) äußerte sich der Präsident des Europäischen Patentamts am 9. Dezember 2013 zu der Vorlage.
VI. Auf eine Aufforderung der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 10 (2) VOGBK an Dritte, Stellungnahmen einzureichen, gingen zwei Amicus-curiae-Schriftsätze ein. Der erste mit Datum vom 27. Dezember 2013 stammte von der Internationalen Vereinigung der Patentanwälte (nachfolgend "FICPI" genannt), der zweite mit Datum vom 1. Januar 2014 von einem zugelassenen Vertreter.
VII. Am 13. Mai 2014 erließ die Große Beschwerdekammer eine Mitteilung, in der sie auf einige potenziell relevante rechtliche Fragestellungen hinwies. Sie äußerte Zweifel, ob es sich bei den Vorlagefragen tatsächlich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handle und ob die sich hier stellenden Verfahrensfragen wirklich beantwortet werden müssten, weil sich womöglich bereits aus der bestehenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Antwort darauf herleiten lasse. Sie hinterfragte, ob eine Beantwortung der Vorlagefragen erforderlich sei. Am 15. bzw. 22. Juli 2014 reichten die Patentinhaberin und FBL Erwiderungen auf diese Mitteilung ein.
VIII. Das Vorbringen der Patentinhaberin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Vorlagefragen werfen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, denn sie betreffen a) das Verhältnis zwischen europäischem Patentverfahrensrecht auf der einen und nationalem Recht auf der anderen Seite und b) einen wichtigen Grundsatz, wonach im Einspruchsverfahren jederzeit klar sein muss, wer der Einsprechende ist. Im vorliegenden Fall war, nachdem FBL nicht mehr existierte, nicht klar, wer der Einsprechende war bzw. ob es überhaupt noch einen Einsprechenden gab. Zudem sind grundsätzlich zahlreiche verschiedene Rechtskonstellationen denkbar, die dem einschlägigen Recht des Vereinigten Königreichs vergleichbar sind.
Die bestehende Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu den Umständen, unter denen das Einspruchsverfahren durch den Gesamtrechtsnachfolger eines Einsprechenden fortgesetzt werden kann, sowie dazu, was überhaupt ein Gesamtrechtsnachfolger ist, liefert keine Antwort auf die sich im vorliegenden Fall stellenden Verfahrensfragen.
Die Antwort auf die Vorlagefragen sollte mit dem EPÜ vereinbar sein und so weit wie möglich mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern in Einklang stehen; beide liefern de facto eine klare Antwort auf die Vorlagefragen.
Die Einlegung eines Einspruchs ist im EPÜ geregelt; nach seiner Einlegung geht der Einspruch "in die Obhut" des EPA über und wird ausschließlich nach den Vorschriften des EPÜ behandelt. So ist z. B. die Einsprechendenstellung nicht frei übertragbar und steht nicht zur freien Disposition des Einsprechenden (G 2/04).
Wenn ein Einsprechender aufhört zu existieren, sind die unverzichtbaren Voraussetzungen für einen zulässigen Einspruch nicht mehr erfüllt (T 525/94, T 353/95 und T 1178/04). Ein Einspruch muss jederzeit während des Verfahrens zulässig sein, und seine Zulässigkeit kann – sogar von Amts wegen – in jedem Verfahrensstadium überprüft werden, so auch im Beschwerdeverfahren (G 3/97, G 4/97, T 289/91, T 28/93, T 522/94 und T 1178/04). Ist ein Einspruch einmal unzulässig geworden, kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Der Einspruch kann nicht rückwirkend wiederhergestellt werden, da er der Zuständigkeit und der Gerichtsbarkeit des EPA unterliegt und im EPÜ kein Rechtsbehelf oder Rechtsmittel für seine Wiederherstellung vorgesehen ist.
Laut der Rechtsprechung ist die Frage, ob ein nicht mehr existierender Beteiligter am Verfahren beteiligt bleiben kann, einzig und allein nach dem Verfahrensrecht des EPÜ zu beantworten und nicht nach nationalem Recht; die Einsprechendenstellung ist ausschließlich im Verfahrensrecht des EPÜ geregelt (T 15/01 und T 1421/05). Im Einspruchsverfahren setzt "eine Entscheidung des EPA über die Rechtsbeständigkeit des Patents einen zulässigen Einspruch voraus" (G 3/97 und G 4/97). Auch ein ursprünglich zulässiger Einspruch kann später unzulässig werden. Der anhängige Einspruch von FBL wurde unzulässig, als das Unternehmen aufhörte zu existieren.
Aus T 525/94 geht hervor, dass eine Beschwerde unzulässig wird, wenn die juristische Person, die sie eingelegt hat, nicht mehr existiert. Dasselbe besagen auch T 477/05 und T 480/05. Dass das Beschwerdeverfahren in einzelnen Fällen einfach beendet wurde (T 353/95, T 74/00 und T 2334/08), ändert nichts an der Tatsache, dass die Beendigung des Beschwerdeverfahrens auf eindeutigen Rechtsvorschriften bzw. einer einheitlichen Rechtsprechung beruhen muss.
Das englische Gericht kann zwar ein aufgelöstes Unternehmen wiederaufeben lassen, nicht aber einen von diesem Unternehmen eingelegten Einspruch. Die Einsprechendenstellung ist ein Attribut von FBL, aber nicht Bestandteil der Rechtspersönlichkeit des Unternehmens. Das Urteil des englischen Gerichts hat also die Rechtspersönlichkeit von FBL wiederhergestellt, nicht aber die externen Verzweigungen und Verbindungen des Unternehmens wie etwa Aspekte, die erst durch die Einlegung eines Einspruchs oder einer Beschwerde zustande kommen. So hat das englische Gericht zwar das Wiederaufleben von FBL verfügt, aber keinen bestimmten Zweck dafür angegeben und sich auch nicht zu irgendeinem Aspekt des Einspruchs- oder Beschwerdeverfahrens geäußert.
Nicht zuletzt die Tatsache, dass das Gericht des Vereinigten Königreichs weitere Anweisungen erlassen kann, um das Unternehmen und alle anderen Personen soweit wie möglich ("as nearly as may be") so zu stellen, als sei das Unternehmen nie gelöscht worden (§ 1032 (3) des Gesellschaftsgesetzes des Vereinigten Königreichs aus dem Jahr 2006 (UK Companies Act 2006)), deutet darauf hin, dass es einige Aspekte gibt, die sich durch die rückwirkende Wiedereintragung nicht wiederherstellen lassen. Bestätigt wird dies auch durch § 1034 dieses Gesetzes zum Vermögen eines nicht mehr existierenden Unternehmens.
Sobald ein Einspruch eingelegt ist, fällt er somit in die Zuständigkeit des EPA, und das englische Gericht gibt nicht vor, Fragen zu regeln, die über das Handelsregister des Vereinigten Königreichs hinausgehen.
Die Anerkennung der Rückwirkung der Wiedereintragung von FBL ins Handelsregister und der rückwirkenden Zulässigkeit des Einspruchs und der Beschwerde würde bedeuten, dass FBL ein im EPÜ nicht vorgesehener Rechtsbehelf gewährt würde, und dem Recht des Vereinigten Königreichs Vorrang vor dem EPÜ geben. Das EPÜ sieht Rechtsbehelfe für Fälle vor, in denen ein Verfahrensbeteiligter einen Rechtsverlust erlitten hat (Weiterbehandlung nach Art. 121 EPÜ oder Wiedereinsetzung nach Art. 122 EPÜ); diese stehen im vorliegenden Fall aber nicht zur Verfügung.
Ein Ziel der Verfahren vor dem EPA besteht darin, insbesondere durch die Setzung von Fristen im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu gewährleisten (G 3/97). Die Gewährung eines neuen Rechtsbehelfs, insbesondere ohne jegliche erkennbare Fristen, würde diesem Grundsatz zuwiderlaufen. Zudem würde sie gegen die in G 1/97 aufgestellten Grundsätze verstoßen, die gegen die Einführung neuer Rechtsbehelfe sprechen. Dasselbe gilt für den Grundsatz, wonach das Einspruchsverfahren ein einfaches, zügig durchgeführtes Verfahren sein soll (G 2/04).
Die Beschwerde wiederum steht gemäß Artikel 107 EPÜ jedem Verfahrensbeteiligten zu, der durch eine Entscheidung beschwert ist. Ein Beteiligter jedoch, der nicht mehr existiert, kann keine Beschwerde einlegen. Gemäß Regel 101 (1) EPÜ ist eine Beschwerde, die nicht den Artikeln 106 bis 108 EPÜ entspricht, als unzulässig zu verwerfen. Zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde existierte FBL nicht und konnte nicht klagen (oder verklagt werden) und war somit nicht am Verfahren beteiligt. Daher ist die Beschwerde unzulässig.
Auch hier gibt es keine Vorschrift des EPÜ und keine Rechtsprechung der Beschwerdekammern, wonach Einsprüche oder Beschwerden wiederhergestellt werden können, die unzulässig geworden sind, weil das einsprechende Unternehmen nicht mehr existiert.
Die Unzulässigkeit des Einspruchs und der Beschwerde zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass die Vollmacht des zugelassenen Vertreters ungültig wurde, als FBL aufhörte zu existieren.
Nach deutschem Recht ist die Situation effektiv dieselbe.
Die Große Beschwerdekammer sollte sich auch dazu äußern, ob es eine Verpflichtung gibt, das EPA über wichtige Verfahrenserfordernisse des EPA zu unterrichten, und welche Konsequenzen es hat, wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen wird. Der zugelassene Vertreter des Einsprechenden muss gewusst haben, dass sein Mandant nicht mehr existierte, hat dies dem EPA jedoch nicht mitgeteilt. Ein Vertreter muss dem EPA und den anderen Verfahrensbeteiligten gegenüber nach dem Grundsatz von Treu und Glauben handeln (J 16/05); in den Antworten auf die Vorlagefragen sollte daher auch auf derartige Fälle abgehoben werden. Wäre der zugelassene Vertreter seiner Verpflichtung nachgekommen, so hätte die Einspruchsabteilung den Einspruch umgehend für unzulässig erklären müssen.
Eine weitere Erwägung ist, dass FBL aller Voraussicht nach niemals wiedereingetragen worden wäre, wenn die Patentinhaberin nicht entdeckt hätte, dass das Unternehmen nicht mehr existierte; dann wäre eine endgültige Entscheidung ergangen, die mit dem wesentlichen Verfahrensfehler behaftet gewesen wäre, dass der Einspruch und die Beschwerde unzulässig waren.
IX. Das Vorbringen von FBL lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Vorlagefragen sind von grundsätzlicher Bedeutung, weil eine vergleichbare Situation bei Unternehmen nach dem Recht vieler Länder des Britischen Commonwealth eintreten kann. Allein im Vereinigten Königreich werden jährlich über 4 000 Unternehmen wiedereingetragen. Die Schnittstelle zwischen nationalem Recht und EPÜ bezüglich der Beteiligtenstellung kann auch für andere Verfahren vor dem EPA relevant werden.
Die bestehende Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Übertragung der Einsprechendenstellung auf einen Gesamtrechtsnachfolger ist auf den vorliegenden Fall anwendbar und geeignet, die im Beschwerdeverfahren aufgetretenen Verfahrensfragen zu klären.
Juristische Personen wie Unternehmen existieren nur aufgrund des Rechtssystems, das ihre Gründung und ihren Betrieb regelt. Der Status einer juristischen Person bestimmt sich – anders als der einer natürlichen Person – nach dem nationalen Recht (T 353/95 und T 15/01). Andere Vorschriften des EPÜ, so beispielsweise zur materiellen Patentberechtigung und zu den Arbeitnehmerrechten, räumen dem nationalen Recht Vorrang vor dem EPÜ ein.
Es ist unstrittig, dass das Wiederaufleben von FBL nach dem Recht des Vereinigten Königreichs bewirkte, dass das Unternehmen als fortgeführt galt, als sei es nie aufgelöst oder aus dem Handelsregister des Vereinigten Königreichs gestrichen worden.
Das Wiederaufleben von FBL erfolgte allein zu dem Zweck, diesem Unternehmen die Fortsetzung des Einspruchsbeschwerdeverfahrens zu ermöglichen.
Das EPA muss daher akzeptieren, dass FBL nach dem Wiederaufleben zu allen maßgeblichen Zeitpunkten existiert hat. Es kann sich nicht über nationales Recht hinwegsetzen.
Das Konzept der Rückwirkung ist dem EPÜ nicht fremd. So hat der Widerruf eines Patents Ex-tunc-Wirkung. Dasselbe gilt für Patente, die in geänderter Fassung aufrechterhalten werden.
In anderen Punkten schloss sich die Einsprechende den Ausführungen des Präsidenten an.
X. Der Präsident des EPA führte im Wesentlichen Folgendes aus:
Eine juristische Person, die nicht existiert, kann nicht klagen oder verklagt werden (G 3/99) und kann nicht am Verfahren beteiligt sein bzw. bleiben. Die Beteiligtenstellung ist in allen Verfahrensstadien zu prüfen.
Die bestehende Praxis der Beschwerdekammern in Fällen, in denen ein Unternehmen aufhört zu existieren, ist nicht einheitlich: in T 525/94 beispielsweise wurde die Beschwerde "unzulässig", in T 480/05 und T 353/95 wurde das Beschwerdeverfahren beendet. Eine etablierte erstinstanzliche Praxis gibt es nicht.
Die Existenz und die Geschäftsfähigkeit von juristischen Personen wie Unternehmen bestimmen sich ausschließlich nach dem Rechtssystem, das ihre Gründung und ihren Betrieb regelt. Ob ein Unternehmen aufgehört hat zu existieren, richtet sich ebenfalls nach dem anzuwendenden nationalen Recht. Das EPÜ enthält keine eigenen Vorschriften zu solchen juristischen Personen als Anmelder, Inhaber oder Einsprechende, sodass das einschlägige nationale Recht anzuwenden ist.
Dann stellt sich die Frage, ob dieser Grundsatz in irgendeiner Weise eingeschränkt werden sollte. Diese Frage ist zu prüfen, indem die verschiedenen Situationen beleuchtet werden, die in der Praxis vorkommen könnten, und untersucht wird, welche Auswirkungen eine Anerkennung der rückwirkenden Wiedereintragung eines Unternehmens auf unterschiedliche Interessen haben könnte.
Somit ist zu klären, welche Folgen die Anerkennung der rückwirkenden Wiedereintragung eines Unternehmens in unterschiedlichen rechtlichen Szenarien haben könnte, wobei auch die verschiedenen Herangehensweisen in anderen nationalen Rechtssystemen zu berücksichtigen sind. Es sollte vermieden werden, dass das Ergebnis je nach dem maßgeblichen nationalen Recht ein anderes ist. Argumente für und gegen eine Einschränkung der Befolgung des nationalen Rechts sind zu prüfen, insbesondere unter Berücksichtigung der Grundsätze der Erlangung und der Beibehaltung der Beteiligtenstellung und des Grundsatzes der Rechtssicherheit.
Handelt die Einspruchsabteilung in Unkenntnis der tatsächlichen Stellung des einsprechenden Unternehmens, so bestätigt dessen spätere rückwirkende Wiedereintragung – sofern sie vom EPA anerkannt wird – die Stellung, von der der Patentinhaber, das EPA und die breite Öffentlichkeit zuvor ausgegangen sind und gemäß der sie gehandelt haben. Die Anerkennung der rückwirkenden Existenz hätte somit keine verfahrensrechtlichen Folgen, weil der Verlust der Rechtsstellung – aufgrund der Rechtsfiktion – nie eingetreten ist. Die Rechtssicherheit wird damit gewahrt. Nur der Patentinhaber wäre insofern benachteiligt, als er Anspruch auf eine Beendigung des Verfahrens gehabt hätte.
Auf die Vorlagefragen sollten Antworten gefunden werden, die a) nicht vom Kenntnisstand des einsprechenden Unternehmens oder seines Vertreters abhängen, b) nicht davon abhängen, ob das Einspruchsverfahren nach Regel 84 (2) EPÜ hätte fortgesetzt werden können, wenn die Einspruchsabteilung von der Löschung des einsprechenden Unternehmens gewusst hätte, c) berücksichtigen, dass es möglicherweise weitere Einsprechende gibt, d) das rechtliche Gehör sowie die Frage berücksichtigen, wie das einsprechende Unternehmen während der Zeit, in der es nicht existiert, zu unterrichten ist, und e) einbeziehen, dass solche Fälle in anderen Rechtssystemen (z. B. in Deutschland oder Österreich) anders gehandhabt werden.
Bezüglich einer möglichen Einschränkung des Grundsatzes, wonach sich das EPA in Fragen der Existenz oder Nichtexistenz einer juristischen Person in der Regel nach nationalem Recht richtet, ist zu beachten, dass die Artikel 58 und 60 (1) EPÜ generell auf nationales Recht verweisen. Dasselbe gilt für Fragen der Rechtskraft von Übertragungsurkunden für europäische Patentanmeldungen oder Patente (Art. 74 EPÜ, J 16/05). Die Erlangung der Verfahrensstellung des Anmelders oder Patentinhabers hingegen wird durch das EPÜ geregelt. Regel 22 (3) EPÜ steht der rückwirkenden Anerkennung eines Anmelderwechsels grundsätzlich entgegen; der Grund dafür ist, dass jederzeit klar sein sollte, wer die Verfahrensbeteiligten sind. Eine Ausnahme gilt für den Gesamtrechtsnachfolger eines nicht mehr existierenden Beteiligten.
Bezüglich der Behandlung des Ausscheidens eines Unternehmens als Verfahrensbeteiligter und seines späteren rückwirkenden Wiedereintritts in das Verfahren nach dem EPÜ und in der Praxis lassen sich nur schwer Parallelen zu anderen Fällen ziehen.
"Jedermann" und damit jede nach nationalem Recht anerkannte juristische Person kann Einspruch einlegen (Art. 99 EPÜ). Anders als ein Anmelder oder Patentinhaber hat der Einsprechende aber keine subjektive Rechtsstellung, sondern lediglich eine verfahrensrechtliche Stellung nach dem EPÜ. Damit wird seine Stellung in wesentlich stärkerem Maße durch das autonome Recht des EPÜ bestimmt. Eines der besten Beispiele dafür ist die Tatsache, dass die Einsprechendenstellung nicht frei übertragbar ist (G 2/04), obwohl sich die Rechtskraft einer Übertragungsurkunde nach nationalem Recht richtet. Die Übertragung der Einsprechendenstellung auf einen Gesamtrechtsnachfolger wird im EPÜ anerkannt; was einen Gesamtrechtsnachfolger ausmacht, bleibt aber eine Frage des nationalen Rechts. Diese Grundsätze liefern jedoch keine Antwort auf die Vorlagefragen: Hier hat es nie einen anderen Einsprechenden als FBL gegeben. Dasselbe gilt für die Vorschriften für die Unterbrechung des Verfahrens bei fehlender Geschäftsfähigkeit des Anmelders oder Patentinhabers (R. 142 EPÜ).
Das Einspruchsverfahren soll ein einfaches, zügig durchgeführtes Verfahren sein, sodass es verschiedenen Fristen und Beschränkungen unterliegt (G 2/04). Durch das Wiederaufleben eines erloschenen einsprechenden Unternehmens verlängert sich das Verfahren möglicherweise; dies ist jedoch gegen das Interesse der Öffentlichkeit am Widerruf ungültiger Patente abzuwägen. Auf jeden Fall sieht das EPÜ bereits bestimmte Verfahrensverzögerungen vor, die keinerlei Fristen unterliegen (z. B. R. 142 EPÜ).
Alles in allem gibt es keinen zwingenden, aus dem Wesen des Einspruchsverfahrens ableitbaren Grund, warum die rückwirkende Wiedereintragung eines einsprechenden Unternehmens nicht anerkannt werden sollte.
Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass ein Einsprechender Jahre, nachdem er aufgehört hat zu existieren, dem Verfahren wieder beitreten kann: Regel 129 EPÜ bietet ein Instrument zur Herstellung von Rechtskraft, wenn ein einsprechendes Unternehmen nicht mehr existiert.
Verschiedene im EPÜ vorgesehene Verfahren zielen darauf ab, dass sich die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit auf die Erklärungen der Beteiligten verlassen können, so z. B. im Falle einer Zurücknahme (R. 139 EPÜ).
Vergleiche mit den Rechtsbehelfen der Weiterbehandlung oder der Wiedereinsetzung nach Artikel 121 bzw. 122 EPÜ zeigen keine eindeutige Antwort auf die Vorlagefragen auf.
Aus Gründen der Rechtssicherheit muss zwar jederzeit während des Verfahrens feststehen, wer Verfahrensrechte wirksam geltend machen kann (G 2/04); die Anerkennung der rückwirkenden Wiedereintragung eines einsprechenden Unternehmens läuft dem aber nicht zuwider.
XI. Die FICPI plädierte in ihrer Stellungnahme dafür, dass das Amt die im nationalen Recht vorgesehene Rückwirkung anerkennen sollte. Diese Anerkennung käme nicht der Einführung eines neuen Rechtsbehelfs in das EPÜ gleich, die Nichtanerkennung aber einem Eingriff in das nationale Recht.
XII. Die von einem zugelassenen Vertreter eingereichte Stellungnahme lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wenn ein Einsprechender stirbt oder seine Geschäftsfähigkeit verliert oder wenn der Einspruch zurückgenommen wird, kann die Einspruchsabteilung das Verfahren fortsetzen (R. 84 (2) EPÜ). Selbst nach der Auflösung von FBL hätte sie also das Verfahren fortsetzen und dieselbe Entscheidung treffen können. Die Entscheidung ist rechtskräftig ergangen und nicht ex tunc unwirksam. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung kann nicht aufgehoben werden. Die Fragen 1 und 3 sind also auf jeden Fall zu verneinen. Was Frage 2 betrifft, so war die Beschwerde bei ihrer Einlegung unzulässig, weil FBL zu diesem Zeitpunkt nicht existierte. Das EPÜ enthält Vorschriften zur Behandlung von Fristversäumnissen; auf den vorliegenden Fall ist jedoch keine dieser Vorschriften anwendbar, sodass auch Frage 2 zu verneinen ist.
Entscheidungsgründe
1. Auch wenn klar ist, was die vorlegende Kammer in ihren Fragen meint, könnte die – nach dem Recht des Vereinigten Königreichs korrekte – Bezugnahme auf die "Auflösung" eines Unternehmens doch irreführend sein, denn der Begriff der "Auflösung" eines Unternehmens hat in den verschiedenen Rechtssystemen eine unterschiedliche Bedeutung. Im deutschen Recht beispielsweise bedeutet Auflösung nicht, dass das betreffende Unternehmen aufhört zu existieren. Im Zusammenhang mit den Vorlagefragen wird die Große Beschwerdekammer daher generell davon sprechen, dass ein Unternehmen "aufhört zu existieren". Außerdem muss Frage 1 umformuliert werden, um klarzustellen, in welchem Stadium das Unternehmen wiederauflebt. Darauf geht die Große Beschwerdekammer in der Entscheidungsformel ein.
2. Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
2.1 Die Vorlage wird damit begründet, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt (Art. 112 (1) EPÜ). Eine Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn ihre Auswirkungen über den konkreten Einzelfall hinausgehen und wenn sie z. B. für eine große Zahl vergleichbarer Fälle relevant sein könnte und/oder nicht nur für die Benutzer des europäischen Patentsystems, sondern auch für die Beschwerdekammern und das EPA selbst bedeutsam ist (s. G 1/12 vom 30. April 2014, ABl. EPA 2014, A1141, Nrn. 11 und 12 der Entscheidungsgründe).
2.2 Die vorlegende Kammer war der Auffassung, dass es sich insofern um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, als diese Frage das System der im EPÜ vorgesehenen Rechtsmittel, die Erlangung und die Beibehaltung der Beteiligtenstellung in Verfahren vor dem EPA sowie das Verhältnis zwischen dem EPÜ und dem nationalen Recht betrifft (s. T 22/09, Nr. 9 der Entscheidungsgründe).
2.3 Die Vorlagefragen müssen jedoch in einem breiteren Kontext betrachtet werden:
2.3.1 Zunächst ist festzuhalten, dass die Vorlage ein Unternehmen betrifft, das nicht mehr existiert, und nicht ein Unternehmen, das sich in einem Liquidations- oder Insolvenzverfahren nach nationalem Recht befindet (wie es häufig wegen Zahlungsunfähigkeit eingeleitet wird), dabei aber nach wie vor existiert, wenn auch in der Regel mit eingeschränkter Geschäftsfähigkeit.
2.3.2 Noch wichtiger ist, dass die Vorlage im breiteren Kontext der zahlreichen unterschiedlichen nationalen Rechtssysteme gesehen werden muss, denen juristische Personen unterliegen. So betrifft die Vorlageentscheidung ausschließlich ein Unternehmen, das dem Recht des Vereinigten Königreichs unterliegt. Insbesondere geht es um ein Unternehmen, das aufgehört hat, als juristische Person zu existieren, später aber aufgrund eines im Recht des Vereinigten Königreichs vorgesehenen besonderen Verfahrens wiederaufgelebt ist und infolge dessen als fortgeführt gilt, als hätte es nie aufgehört zu existieren (§ 1028 (1) UK Companies Act 2006). Außerdem regelt das Recht des Vereinigten Königreichs ausdrücklich, was mit etwaigen Vermögenswerten oder Rechten geschieht, die das Unternehmen besaß, unmittelbar bevor es aufhörte zu existieren. Danach gelten sämtliche Vermögenswerte und Rechte, die sich unmittelbar vor dem Erlöschen im Eigentum des nicht mehr existierenden Unternehmens befinden oder für das Unternehmen treuhänderisch verwaltet werden, als sogenannte "bona vacantia" (herrenlose Güter) und gehen somit in das Eigentum der Krone (d. h. der britischen Königin) über und können entsprechend behandelt werden (§ 654 (1) UK Companies Act 1985, das beim Erlöschen von FBL geltende Gesetz). Dem Konzept der "bona vacantia" liegt zugrunde, dass Vermögenswerte oder Rechte nach dem Recht des Vereinigten Königreichs immer jemandes Eigentum sein müssen, in diesem Fall Eigentum der Krone (vgl. Halsbury's Laws of England, 5. Aufl., Bd. 12 (1), Rnr. 231). Das Wiederaufleben von FBL bewirkte, dass alle diese Vermögenswerte wieder in das Eigentum von FBL übergingen (vgl. Halsbury's Laws of England, 5. Aufl., Bd. 12 (1), Rnr. 238).
2.3.3 Gemäß Artikel 99 (1) EPÜ kann jedoch jedermann gegen ein erteiltes europäisches Patent Einspruch einlegen. "Jedermann" schließt dabei jede juristische Person und jede einer juristischen Person nach dem für sie maßgebenden Recht gleichgestellte Gesellschaft ein (s. G 3/99, ABl. EPA 2002, 347, Nr. 9 der Entscheidungsgründe, unter Hinweis auf T 635/88, ABl. EPA 1993, 608, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Einspruch einlegen kann also nicht nur eine nach dem Recht eines EPÜ-Vertragsstaats anerkannte juristische Person, sondern jede juristische Person, die irgendwo auf der Welt in irgendeinem Rechtssystem als solche anerkannt ist. Der Großen Beschwerdekammer ist bekannt, dass es im irischen Recht analoge Vorschriften zu den oben genannten Bestimmungen des UK Companies Act gibt (vgl. § 311 (8) des irischen Gesellschaftsgesetzes aus dem Jahr 1963 (Irish Companies Act, 1963) in der später geänderten Fassung). Möglicherweise ist die Sachlage noch in weiteren Rechtssystemen dieselbe, die aus historischen Gründen Ähnlichkeiten mit dem System des Vereinigten Königreichs haben (wie von FBL auch vorgebracht wurde).
2.3.4 Zumindest für zwei andere nationale Rechtssysteme in Europa scheinen die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Rechtsfragen allerdings nicht relevant zu sein. Soweit der Großen Beschwerdekammer bekannt ist, muss ein Unternehmen nach deutschem Recht, damit es aufhört zu existieren, nicht nur aus dem Handelsregister gestrichen worden sein, sondern auch vermögenslos sein, d. h. es muss die beiden Voraussetzungen als Doppeltatbestand erfüllen. Ist die zweite Voraussetzung nicht erfüllt und erweist sich später für die weitere Abwicklung des Unternehmens oder seines Geschäftsbetriebs eine Wiedereintragung in das Handelsregister als notwendig, so hat diese keine Rückwirkung, sondern ist deklaratorischer Natur in Bezug auf den Fortbestand des Unternehmens: das Unternehmen gilt als ohne Unterbrechung fortgeführt (s. Nr. 2.4 der Ausführungen des Präsidenten). Außerdem würde nach dem Kenntnisstand der Großen Beschwerdekammer die Einsprechendenstellung, die ein Unternehmen vor der Streichung aus dem Handelsregister im Einspruchsverfahren vor dem EPA innehatte, in diesem Zusammenhang als Vermögenswert oder als Teil seines Geschäftsbetriebs gewertet und als nicht abgewickelt gelten ("Auswirkungen auf laufende Prozesse" – s. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 74, Rdn. 27). Obwohl ein Unternehmen, das nicht aufgehört hat zu existieren, aber aus dem Handelsregister gestrichen wurde, nicht geschäftsfähig ist, behält eine Vollmacht, die das Unternehmen einem zugelassenen Vertreter erteilt hat, als es noch geschäftsfähig war, ihre Gültigkeit (s. wiederum Nr. 2.4 der Ausführungen des Präsidenten).
2.3.5 Auch die Rechtslage in Frankreich ist, soweit der Großen Beschwerdekammer bekannt, nicht direkt mit der im Vereinigten Königreich vergleichbar. So unterscheidet sich das französische Recht insofern vom englischen, als die Streichung eines Unternehmens aus dem Handelsregister (dem "RCS") alleine nicht gleichbedeutend mit dem Verlust der Rechtspersönlichkeit ist und damit auch keine Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit des Unternehmens in gerichtlichen Verfahren hat. Die Auflösung eines Unternehmens ist vielmehr nur der erste Schritt auf dem Weg zum Verlust der Rechtspersönlichkeit, d. h. zu dem Punkt, an dem das aufgelöste Unternehmen aufhört zu existieren. Die Rechtspersönlichkeit besteht (für die Zwecke der Liquidation) fort, bis alle dem Unternehmen zugeordneten Vermögenswerte abgewickelt sind; erst wenn alle Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Unternehmens durch Liquidation oder Übertragung veräußert sind, endet seine Rechtspersönlichkeit und hört somit das Unternehmen auf zu existieren. Zudem kann eine Auflösung – im Gegensatz zur Streichung – in der Regel nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Existenz eines Verfahrens setzt die rechtliche Existenz der klagenden oder verklagten Person voraus, denn die rechtliche Existenz begründet die Handlungsfähigkeit der Person in gerichtlichen Verfahren. Während die Rechtspersönlichkeit für die Zwecke der Liquidation fortbesteht, kann nur der Liquidator als rechtlicher Vertreter auftreten. Von ehemaligen Unternehmensvorständen vorgenommene Handlungen, auch Verfahrenshandlungen, sind unwirksam.
2.4 Es sind aber auch andere Fälle denkbar, in denen es zu einer rechtlichen Konstellation kommen kann, wie sie den Vorlagefragen zugrunde liegt. Die Große Beschwerdekammer trägt der Tatsache Rechnung, dass die Fragen zur angenommenen rückwirkenden Existenz eines Unternehmens auch in anderen Situationen als dem vorliegenden Einspruchsbeschwerdeverfahren auftreten könnten. Daher ist sie der Auffassung, dass die Vorlage eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft.
3. Laut Artikel 112 (1) a) EPÜ ist die Große Beschwerdekammer nur zu befassen, wenn ihre Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung der vorlegenden Kammer von der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abhängig ist. Die Große Beschwerdekammer befindet, dass die Vorlagefragen nicht unmittelbar und eindeutig unter Bezugnahme auf das EPÜ beantwortet werden können (s. G 1/12, Nr. 11 der Entscheidungsgründe). In Anbetracht des Vorbringens der Patentinhaberin befindet die Große Beschwerdekammer ferner, dass sich auch aus der bestehenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern keine eindeutigen Antworten auf die im vorliegenden Fall aufgeworfenen Verfahrensfragen herleiten lassen, sodass eine Beantwortung der Vorlagefragen notwendig ist.
4. Die Vorlage ist somit zulässig.
5. Wie bereits festgestellt, lassen sich die Vorlagefragen nicht unmittelbar und eindeutig unter Bezugnahme auf das EPÜ beantworten. Daher ist die Große Beschwerdekammer der Auffassung, dass die Antworten in der Wechselwirkung zwischen dem nationalen Recht und dem EPÜ zu suchen sind. Dabei erscheinen folgende Fakten relevant:
5.1 Juristische Personen wie Unternehmen existieren nur aufgrund des nationalen Rechtssystems, das ihre Gründung, ihre anschließende Existenz und ihre Beendigung regelt (der hier und nachfolgend verwendete Begriff "nationales Rechtssystem" schließt im Falle von juristischen Personen wie einer Societas Europaea auch regionales Recht ein). Für Verfahren nach dem EPÜ ist die Existenz oder Nichtexistenz einer juristischen Person ausschließlich eine Frage des nationalen Rechts (s. z. B. T 15/01, ABl. EPA 2006, 153, Nr. 9 der Entscheidungsgründe). Die Rechtspersönlichkeit einer in Verfahren nach dem EPÜ auftretenden Person bestimmt sich auf derselben Grundlage wie vor den nationalen Gerichten, nämlich anhand der Fähigkeit, im eigenen Namen zu klagen oder verklagt zu werden (s. G 3/99, a. a. O., Nr. 9 der Entscheidungsgründe).
5.2 Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz des nationalen Rechts und auch des EPÜ, dass juristische Personen, die nicht existieren, kein Verfahren einleiten und nicht an einem Verfahren teilnehmen können (s. z. B. T 353/95 vom 25. Juli 2000, Nr. 2 der Entscheidungsgründe).
5.3 Anders als die Stellung des Anmelders oder Inhabers eines europäischen Patents ist die Stellung des Einsprechenden eine reine Verfahrensstellung, und es ist Gegenstand des im EPÜ geregelten Verfahrensrechts, wie sie begründet wird (s. G 3/97, ABl. EPA 1999, 245, Nr. 2.1 der Entscheidungsgründe). Der Status einer juristischen Person als solcher ist nach dem einschlägigen nationalen Recht zu bestimmen; dagegen unterliegt das Recht, Einspruch einzulegen, an entsprechenden Verfahren vor der Einspruchsabteilung beteiligt zu sein, Beschwerde einzulegen und am Beschwerdeverfahren beteiligt zu sein, sowie das Recht, eine rechtskräftige Entscheidung über die eigenen Anträge zu erhalten, einzig und allein dem Verfahrensrecht des EPÜ (s. T 15/01, a. a. O., Nr. 9 der Entscheidungsgründe).
5.4 Die Vorlagefragen sollten auch unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze wie denen der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der Verfahrensökonomie sowie in Abwägung der Interessen der Beteiligten und der breiten Öffentlichkeit beantwortet werden (s. T 1091/02, ABl. EPA 2005, 14, Nr. 2.4.1 der Entscheidungsgründe).
6. Die Große Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass der Ausgangspunkt bei der Beurteilung, ob eine juristische Person existiert oder aufgehört hat zu existieren und ob sie handlungsfähig ist, der im EPÜ eindeutig anerkannte Grundsatz sein sollte, dass nationales Recht zugrunde zu legen ist (s. oben Nr. 5.1). In einem ersten Schritt sollte das EPA daher im vorliegenden Falle zumindest insoweit eindeutig dem Recht des Vereinigten Königreichs folgen, als es anerkennen sollte, dass FBL als Unternehmen existiert hat und handlungsfähig war, bevor es aufhörte zu existieren, und dass dasselbe auch für die Zeit nach seinem Wiederaufleben gilt.
7. Hinsichtlich des nächsten Schritts vertritt die Große Beschwerdekammer vorläufig die Auffassung, dass das EPA auch bezüglich der Fiktion der rückwirkenden Existenz einer solchen juristischen Person dem nationalen Recht folgen sollte. Damit würde lediglich der allgemeine Grundsatz angewandt, dass für derartige Fragen ausschließlich das nationale Recht maßgeblich ist.
8. Der Befolgung des nationalen Rechts durch das EPA sind natürlich Grenzen gesetzt. So könnte das EPA z. B. keine Vorschrift des nationalen Rechts anerkennen, die einem Unternehmen Verfahrensrechte verleiht, die dem EPÜ zuwiderlaufen. Solche Fragen fallen in den alleinigen Zuständigkeitsbereich des EPA und können nicht dem nationalen Recht überlassen werden. Eine Schnittstelle zwischen nationalem Recht und EPÜ ist beispielsweise die Übertragung von Einsprüchen: die Wirksamkeit des Vertrags, mit dem der Einspruch von einer Partei auf eine andere übertragen wird, unterliegt zwar dem jeweiligen nationalen Recht; die Einsprechendenstellung ist aber nicht frei übertragbar (s. G 2/04, ABl. EPA 2005, 549).
9. Somit stellt sich die Frage, ob dieser Unterordnung unter das nationale Recht angesichts der Sachlage im vorliegenden Fall irgendwelche Grenzen gesetzt werden sollten, z. B. wegen etwaiger negativer Konsequenzen, die sich anderenfalls für die Patentinhaberin, sonstige Verfahrensbeteiligte, das EPA oder die breite Öffentlichkeit ergeben würden. Die Antwort sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass ein einsprechendes Unternehmen aufhören kann zu existieren und dann jederzeit vor dem, im oder nach dem Einspruchsverfahren wiederaufleben kann. Sie sollte nicht davon abhängen, aus welchen Gründen das einsprechende Unternehmen aufgehört hat zu existieren oder inwieweit der Vorstand des Unternehmens oder sein zugelassener Vertreter möglicherweise Schuld daran tragen. Die möglichen Auswirkungen des Verhaltens eines Beteiligten oder seines Vertreters auf das Verfahren sind eine andere Sache und nicht Gegenstand dieser Vorlage (s. unten Nr. 17).
10. Die Patentinhaberin, die Einspruchsabteilung und die vorlegende Kammer gingen bis September 2012 davon aus, dass FBL existierte. Eine Anerkennung der rückwirkenden Existenz von FBL würde lediglich diese Annahme bestätigen.
11. Was die breite Öffentlichkeit angeht, so ist es sehr unwahrscheinlich, dass ein interessiertes Mitglied der Öffentlichkeit bei einer Einsichtnahme in das Handelsregister des Vereinigten Königreichs festgestellt hätte, dass FBL nicht mehr existierte, und sich dann – z. B. für die Zwecke seiner Geschäftstätigkeit – ausschließlich auf diese Information verlassen hätte. Wenn dieses Mitglied der Öffentlichkeit Interesse am Verfahren vor dem EPA gehabt hätte, hätte es sich vermutlich eher auf die Angaben verlassen, die dem Patentregister des EPA zu entnehmen und/oder im öffentlich zugänglichen Teil der Akte einsehbar waren. Aufgrund der Informationen aus all diesen Quellen wäre es möglicherweise irritiert gewesen, hätte aber aller Wahrscheinlichkeit nach die beim EPA verfügbaren Informationen nicht einfach ignoriert.
12. Würden dagegen im Einspruchsverfahren ergriffene Schritte rückwirkend – potenziell viele Jahre nach Einlegung des Einspruchs – für nichtig erklärt, so würden sich die Annahmen, von denen die Patentinhaberin, das EPA und die Öffentlichkeit bis dahin ausgegangen sind, als falsch erweisen.
13. Die Interessenlage der Patentinhaberin ist natürlich eine andere. Durch eine Anerkennung des rückwirkenden Wiederauflebens von FBL würde ihr – laut ihrem Vorbringen – das Recht verwehrt, das Beschwerde- und das Einspruchsverfahren als unzulässig einstellen zu lassen. Dieses Vorbringen wirft jedoch die Frage auf, ob die Patentinhaberin ein solches Recht überhaupt hatte. Im Einspruchsverfahren wäre ein Patentinhaber gewiss berechtigt, eine Beendigung des Verfahrens auf dem geeigneten Wege zu beantragen, nachdem die Nichtexistenz des einsprechenden Unternehmens entdeckt wurde. Dasselbe gilt für das Beschwerdeverfahren. Stellte das einsprechende Unternehmen dann einen Gegenantrag auf Aussetzung des Verfahrens, um sich um sein Wiederaufleben zu bemühen, stünde die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer vor dem Problem, dass das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt gar nicht existierte. Ob die Einspruchsabteilung bzw. die Beschwerdekammer das Verfahren unter diesen Umständen – gegebenenfalls von Amts wegen – für diese Zwecke aussetzt, ist nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer deren Ermessen anheimgestellt. (Im vorliegenden Fall war FBL wiederaufgelebt, nachdem die Kammer eine schriftliche Fortsetzung des Verfahrens angeordnet hatte, um FBL die Möglichkeit zu geben, weitere Vorbringen einzureichen (s. oben Nr. II e))).
14. Die Große Beschwerdekammer erkennt den berechtigten Anspruch der Patentinhaberin auf Beendigung des Einspruchsverfahrens an, kommt aber zu dem Ergebnis, dass sich die Waage nicht so eindeutig in Richtung der Patentinhaberin neigt, dass das EPA das rückwirkende Wiederaufleben eines Unternehmens nach nationalem Recht unter den vorliegenden Umständen in Abrede stellen sollte. Ebenso wichtig ist es, dass die Verfahrensbeteiligten, das EPA und die Öffentlichkeit auf die öffentlichen Register vertrauen können und ihrem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung getragen wird. Die Große Beschwerdekammer bestätigt daher ihre vorläufige Schlussfolgerung (s. oben Nr. 7).
15. Diese Schlussfolgerung scheint der allgemeinen Rechtsposition in anderen nationalen Rechtssystemen nicht zuwiderzulaufen, soweit diese der Großen Beschwerdekammer bekannt und als äquivalent zu betrachten ist (s. oben Nrn. 2.3.4 und 2.3.5).
16. Einzelne Vorbringen der Patentinhaberin:
16.1 Natürlich akzeptiert die Große Beschwerdekammer die allgemeinen Grundsätze, dass eine juristische Person, die nicht existiert, nicht am Verfahren beteiligt sein oder bleiben kann, dass von einem nicht existierenden Unternehmen eingelegte Einsprüche oder Beschwerden grundsätzlich unzulässig sind, dass die Einspruchsabteilung das Verfahren beenden kann, wenn der einzige Einsprechende aufhört zu existieren, und dass das Beschwerdeverfahren auf dem geeigneten Wege beendet werden sollte, wenn der einzige Beschwerdeführer, der auch Einsprechender war, aufhört zu existieren. Keiner dieser Grundsätze kann jedoch zwangsläufig so erweitert werden, dass er auch auf den Fall anwendbar ist, in dem ein einsprechendes Unternehmen nach nationalem Recht rückwirkend wiederauflebt. Eben diese Tatsache steht aber im Zentrum der Vorlagefragen.
16.2 In den Fällen, die die Patentinhaberin zur Stützung ihres Vorbringens angezogen hat, dass die Beschwerde eines erloschenen Unternehmens unzulässig sei (T 525/94 vom 17. Juni 1998, T 353/95 vom 25. Juli 2000, T 477/05 vom 22. Februar 2007 und T 480/05 vom 8. März 2007), hatte der Beschwerdeführer offenbar aufgehört zu existieren, sodass das Beschwerdeverfahren beendet wurde. Auch diese Fälle zeigen zwar, dass FBL in dem Zeitraum, als dieses Unternehmen nicht existierte, dasselbe Schicksal hätte erleiden können, doch tragen sie nicht zur Beantwortung der Fragen bei, was passieren sollte, wenn ein Einsprechender/Beschwerdeführer nach nationalem Recht als ohne Unterbrechung fortgeführt gilt.
16.3 Die Patentinhaberin verwies ferner auf den Grundsatz, dass das Einspruchsverfahren ein einfaches, zügig durchgeführtes Verfahren sein soll (G 2/04, a. a. O., Nr. 2.1.4 der Entscheidungsgründe). Gewiss kann die Entdeckung, dass das einsprechende Unternehmen nicht mehr existiert, zu einer Verfahrensverzögerung führen, wenn das Verfahren ausgesetzt wird, damit das Unternehmen sein Wiederaufleben beantragen kann. Im vorliegenden Fall aber nahm die Wiedereintragung von FBL etwa drei Monate in Anspruch und vollzog sich in einem Zeitraum, in dem das Verfahren ohnehin ausgesetzt war, damit die Beteiligten weitere Vorbringen einreichen konnten. Sollte die Verzögerung unvertretbar sein oder einen Verfahrensmissbrauch darstellen, so ist den Einspruchsabteilungen und Beschwerdekammern ein Rechtsmittel an die Hand gegeben: anstatt das Verfahren auszusetzen, können sie es beenden.
16.4 Die Schlussfolgerung der Großen Beschwerdekammer bedeutet nicht, dass das nationale Recht Vorrang vor dem EPÜ hat. Das EPÜ und das nationale Recht (in diesem Fall das Recht des Vereinigten Königreichs) sind in dieser Hinsicht nicht miteinander unvereinbar.
16.5 Das EPÜ sieht für den Fall eines Rechtsverlusts verschiedene Rechtsbehelfe vor, z. B. Weiterbehandlung oder Wiedereinsetzung (Art. 121 bzw. 122 EPÜ). Die Patentinhaberin hat zur Stützung ihres Vorbringens, dass die Große Beschwerdekammer bezüglich einer Ausweitung der im EPÜ kodifizierten Rechtsbehelfe sehr restriktiv sein sollte, auf G 1/97 (ABl. EPA 2000, 322, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, 2. Absatz) verwiesen. Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Gewährung neuer Rechtsbehelfe, sondern darum, ob in Bezug auf die vermeintliche Existenz eines Unternehmens das nationale Recht maßgeblich sein sollte.
16.6 Die Schlussfolgerung der Großen Beschwerdekammer bedeutet nicht, dass ein Patentinhaber in einem solchen Fall darauf gefasst sein muss, dass ein erloschener Einsprechender viele Jahre später wieder auftreten könnte. Wenn z. B. ein Einspruch als unzulässig zurückgewiesen wurde, weil er von einem nicht existierenden Einsprechenden eingereicht wurde, kann das einsprechende Unternehmen später nicht die Zustellung dieser Entscheidung abstreiten (und vorbringen, dass diese deshalb noch nicht rechtskräftig sei) und gleichzeitig geltend machen, dass es ohne Unterbrechung als fortgeführt galt (s. auch unten Nr. 19). Am Rande möchte die Große Beschwerdekammer bemerken, dass auch das geltende Recht des Vereinigten Königreichs das Wiederaufleben eines Unternehmens grundsätzlich nur innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren ab seinem Erlöschen zulässt (§ 1030 (4) UK Companies Act 2006).
16.7 Die Patentinhaberin hat vorgebracht, dass sich die Unzulässigkeit des Einspruchs und der Beschwerde auch darin zeige, dass die Vollmacht des zugelassenen Vertreters ungültig geworden sei, als FBL aufhörte zu existieren. Dieses Vorbringen wirft jedoch erstens die Frage der Rückwirkung des Wiederauflebens eines Unternehmens auf, und zweitens gilt ein Vertreter nach Regel 152 (8) EPÜ so lange als bevollmächtigt, bis das Erlöschen seiner Vollmacht dem Europäischen Patentamt angezeigt worden ist.
16.8 Entgegen dem Vorbringen der Patentinhaberin hält es die Große Beschwerdekammer für irrelevant, dass aus dem Urteil des englischen Gerichts nicht hervorgeht, zu welchem Zweck FBL wiedereingetragen wurde. Dasselbe gilt für das Vorbringen, dass das Gericht des Vereinigten Königreichs weitere Anweisungen erlassen könne, um das Unternehmen soweit wie möglich so zu stellen, als sei es nie gelöscht worden. Zur Stützung dieser Vorbringen wurden keine Beweismittel eingereicht. Soweit der Großen Beschwerdekammer bekannt ist, greift die Vorschrift, dass ein Unternehmen rückwirkend wiederauflebt, nach dem Recht des Vereinigten Königreichs genau entsprechend ihrem Wortlaut (vgl. Urteil des Court of Appeal of England and Wales in der Sache Peaktone Ltd v. Joddrell, [2012] EWCA Civ 1035).
17. Hinsichtlich des Wunsches der Patentinhaberin, die Große Beschwerdekammer solle sich auch dazu äußern, ob es eine Verpflichtung gebe, das EPA über wichtige Verfahrenserfordernisse des EPA zu unterrichten, und welche Konsequenzen es habe, wenn dieser Verpflichtung nicht nachgekommen werde, ist zu sagen, dass dies nicht Gegenstand der Vorlagefragen ist und auch keine Grundlage für eine solche "Äußerung" gegeben ist. Die vorlegende Kammer hat es vielmehr abgelehnt, eine solche Frage in die Entscheidung aufzunehmen (s. T 22/09, Nr. 11 der Entscheidungsgründe):
"Die Beschwerdegegnerin hat nicht erläutert, warum die Frage, inwieweit die Verfahrensbeteiligten verpflichtet sind, das EPA über bestimmte Sachverhalte zu unterrichten, von Relevanz ist und der Großen Beschwerdekammer vorgelegt werden sollte. Insbesondere hat sie sich nicht dazu geäußert, welche konkreten Folgen ein Verstoß gegen eine solche Verpflichtung (so sie denn bestünde) aus ihrer Sicht im vorliegenden Fall hätte. Daher erscheint es der Kammer nicht erforderlich, diese Frage der Großen Beschwerdekammer vorzulegen."
18. Im Tenor beantwortet die Große Beschwerdekammer die Fragen 1 und 2 also jeweils mit "ja"; Frage 3 braucht sie unter diesen Umständen nicht zu beantworten. Wie sie bereits ausgeführt hat, müssen die Vorlagefragen dahin gehend umformuliert werden, dass das betreffende Unternehmen nicht aufgelöst wurde, sondern "aufgehört hat zu existieren". Außerdem ließ Frage 1 offen, in welchem Stadium das Unternehmen wiederauflebt, sodass hier eine weitere Umformulierung notwendig ist.
19. Abschließend ist klarzustellen, dass in Fällen wie diesem sämtliche Verfahrensschritte, die vollzogen wurden, während das einsprechende Unternehmen nicht existierte, volle Wirkung entfalten sollten. Das wiederaufgelebte Unternehmen darf nicht besser gestellt sein, als wenn es während der gesamten Zeit tatsächlich weiterbestanden hätte.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
1. Wird ein Einspruch von einem Unternehmen eingelegt, das später gemäß dem maßgeblichen nationalen Recht in jeder Hinsicht aufhört zu existieren, anschließend aber nach einer Vorschrift dieses Rechts wiederauflebt und als fortgeführt gilt, als hätte es nie aufgehört zu existieren, und treten all diese Ereignisse ein, bevor die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des angefochtenen Patents in geänderter Fassung rechtskräftig wird, so muss das Europäische Patentamt die Rückwirkung dieser Vorschrift des nationalen Rechts anerkennen und die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens durch das wiederaufgelebte Unternehmen zulassen.
2. Wird bei einer Sachlage gemäß Frage 1 im Namen des nicht mehr existierenden einsprechenden Unternehmens fristgerecht eine wirksame Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geänderter Fassung eingelegt und erfolgt das – in Frage 1 beschriebene – rückwirkende Wiederaufleben dieses Unternehmens nach Einlegung der Beschwerde und nach Ablauf der Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 EPÜ, so muss die Beschwerdekammer die Beschwerde als zulässig behandeln.
3. Nicht zutreffend.