BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidungen der Technische Beschwerdekammern
Entscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.3.4 vom 23. Juli 2004 - T 1091/02 - 3.3.41
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzende: | U. Kinkeldey |
Mitglieder: | R. Moufang |
| R. Gramaglia |
Patentinhaber/Beschwerdegegner: F. HOFFMANN-LA ROCHE AG
Einsprechender 1/Beschwerdeführer: bioMérieux B.V.
Einsprechender 2/weiterer Verfahrensbeteiligter: Vysis Inc.
Stichwort: Nachweisverfahren/HOFFMANN-LA ROCHE
Artikel: 99 (1), 104 (1), 105, 107, 108, 112 (1) a), 117 (1), 122 und 133 (3) EPÜ
Regel: 20 (1), (2) und (3), 21, 60 (2), 61, 64 a), 65 (1) und (2), 88, 92 (1) und (2) EPÜ
Schlagwort: "Übertragung der Einsprechendenstellung - materiellrechtliche Erfordernisse - Formerfordernisse - von der angeblichen Erwerberin der Einsprechendenstellung eingereichte Beschwerde - Hilfsantrag, die Beschwerde als von der ursprünglichen Einsprechenden eingereicht zu betrachten - Vorlage an die Große Beschwerdekammer"
Leitsätze
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1 a) Ist die Einsprechendenstellung frei übertragbar?
1 b) Falls die Frage 1 a) zu verneinen ist:
Kann eine juristische Person, die bei Einlegung des Einspruchs eine 100%ige Tochter der Einsprechenden war und die den Geschäftsbetrieb weiterführt, auf den sich das angefochtene Patent bezieht, die Einsprechendenstellung erwerben, wenn ihre gesamten Aktien von der Einsprechenden an eine andere Firma übertragen werden und die an dieser Transaktion beteiligten Personen der Übertragung des Einspruchs zustimmen?
2. Falls die Frage 1 a) oder b) zu bejahen ist:
a) Welche Formerfordernisse sind zu erfüllen, bevor die Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen werden kann? Ist es insbesondere erforderlich, den Sachverhalt durch lückenlose Beweisunterlagen zu belegen?
b) Ist eine Beschwerde, die von einer angeblichen neuen Einsprechenden eingelegt wird, unzulässig, wenn diese Formerfordernisse nicht vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift erfüllt werden?
3. Falls die Fragen 1 a) und b) zu verneinen sind:
Ist eine Beschwerde zulässig, wenn die Beschwerdeschrift zwar im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingereicht wird, hilfsweise aber beantragt wird, die Beschwerde als im Namen der beschwerdeberechtigten Person eingereicht zu betrachten?
Sachverhalt und Anträge
I. Die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 520 794 wurde am 26. November 1997 bekanntgemacht. Gegen das Patent legten Akzo Nobel N.V. (Einsprechende 1) und Vysis Inc. (Einsprechende 2) Einspruch ein. Mit Entscheidung vom 11. Juli 2002, die am 16. August 2002 schriftlich erging, wies die Einspruchsabteilung die Einsprüche zurück.
II. Gegen diese Entscheidung wurde am 25. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt. Aus der Beschwerdeschrift ging hervor, daß die Beschwerde im Namen von bioMérieux B.V. eingelegt worden war, da diese Firma mittlerweile Eigentümerin des Geschäftsbereichs Diagnostik von Akzo Nobel N.V. sei, auf den sich der Einspruch beziehe. In der Beschwerdeschrift hieß es ferner, daß man hilfsweise und als reine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, daß die Beschwerde im Namen von bioMérieux B.V. für unzulässig befunden werde, beantrage, die Beschwerde als im Namen von Akzo Nobel N.V. eingereicht zu betrachten. Es wurde eine einzige Beschwerdegebühr entrichtet.
Mit der Beschwerdeschrift wurde eine von den Vertretern von Akzo Nobel N.V., bioMérieux B.V. und bioMérieux S.A. im August 2002 unterzeichnete Erklärung eingereicht, deren Inhalt sich wie folgt zusammenfassen läßt: Zum Geschäftsbetrieb der Akzo Nobel N.V. habe u. a. das Segment Diagnostik gehört, das in ihrem Unternehmensbereich Organon Teknika B.V. zusammengefaßt gewesen sei. Den Einspruch habe Akzo Nobel N.V. im Interesse ihres europäischen Geschäftsbereichs Diagnostik eingelegt, der in ihrem Namen von der Organon Teknika B.V. geführt worden sei. Akzo Nobel N.V. und bioMérieux S.A. hätten mit Wirkung vom 30. Juni 2001 eine Vereinbarung geschlossen, um den Geschäftsbereich Diagnostik der Organon Teknika B.V. von Akzo Nobel N.V. an bioMérieux S.A. zu übertragen. Seither habe Organon Teknika B.V. den Geschäftsbereich Diagnostik als 100%ige Tochter von bioMérieux S.A. fortgeführt, und zwar zunächst unter dem alten Namen und ab Februar 2002 unter dem Namen bioMérieux B.V. In der Erklärung wird ausdrücklich auf das Einspruchsbeschwerdeverfahren zu dem europäischen Patent Nr. 0 285 057 (T 746/00) verwiesen, in dessen Rahmen dieselbe Erklärung bereits der Technischen Beschwerdekammer 3.3.8 vorgelegt worden sei. Auf den vorliegenden Einspruch wird in der Erklärung nicht ausdrücklich Bezug genommen.
III. Am 27. Dezember 2002 reichte die Beschwerdeführerin die Beschwerdebegründung ein.
IV. Am 14. Mai 2003 erließ die Kammer eine Mitteilung, in der sie die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde aufwarf und die Beteiligten zu einer speziell dieser Frage gewidmeten mündlichen Verhandlung lud.
V. Mit Schreiben vom 27. Juni 2003 reichte die Beschwerdeführerin eine weitere, im Juni 2003 von den Vertretern von Akzo Nobel N.V., bioMérieux B.V. und bioMérieux S.A. unterzeichnete Erklärung ein, die denselben Wortlaut hatte wie die frühere Erklärung, aber einen ausdrücklichen Hinweis auf den vorliegenden Einspruch enthielt. Ferner übermittelte die Beschwerdeführerin eine Vollmacht für ihren zugelassenen Vertreter.
VI. Die weiteren Ausführungen und Beweismittel der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Während Akzo Nobel N.V. die Strategie verfolge, Einsprüche, die den Geschäftsbetrieb ihrer Tochterunternehmen beträfen, im eigenen Namen einzulegen, sei es bei bioMérieux S.A. üblich, Einsprüche im Namen des jeweiligen Tochterunternehmens einzureichen. Als bioMérieux S.A. die Tochter Organon Teknika B.V. von Akzo Nobel N.V. erwarb, sei daher entschieden worden, den Einspruch auf Organon Teknika B.V. zu übertragen.
b) Die vorgelegten Erklärungen belegten eindeutig, daß alle an der Transaktion Beteiligten im guten Glauben gehandelt hätten. Ein Verfahrensmißbrauch liege nicht vor.
c) Die Tatsache, daß Akzo Nobel N.V. auch nach dem Wirksamwerden des Verkaufs von Organon Teknika B.V. noch einschlägige Patentanmeldungen eingereicht habe, lasse sich mit ihrer Geschäftstätigkeit im Veterinärbereich oder ihrer Sorge um die Wahrung von Prioritätsrechten begründen.
d) Im Beschwerdeverfahren T 746/00, in dem ursprünglich Akzo Nobel N.V. eine der Einsprechenden gewesen sei, seien der Übergang der Einsprechendenstellung auf die Organon Teknika B.V. und deren Umbenennung in bioMérieux B.V. ordnungsgemäß eingetragen worden. Daher vertraue bioMérieux B.V. im vorliegenden Fall darauf, daß die Übertragung der Einsprechendenstellung zur Zufriedenheit der Kammer belegt sei.
VII. Die Ausführungen und Beweismittel der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Einsprechendenstellung könne nur im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge oder einer Übertragung desjenigen Unternehmensteils, auf den sich der Einspruch beziehe, übertragen werden. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (z. B. T 659/92, ABl. EPA 1995, 519) und den Richtlinien für die Prüfung im EPA (D-I.4).
b) Der vorliegende Einspruch sei kein untrennbarer Bestandteil des Geschäftsbetriebs der Organon Teknika B.V., sondern gehöre der Akzo Nobel N.V. Die bloße Behauptung, der Einspruch sei stets mit dem Geschäftsbetrieb dieser Tochter verknüpft gewesen, sei keine gültige Grundlage für eine nachträgliche "Berichtigung" der Identität der ursprünglichen Einsprechenden.
c) Auch wenn Akzo Nobel N.V. die Tochtergesellschaft besessen habe, habe ihr damit nicht zwangsläufig der betreffende Geschäftsbereich gehört, der sich im Eigentum der Tochter befunden habe.
d) Akzo Nobel N.V. habe ihren Geschäftsbetrieb nicht an die Tochtergesellschaft übertragen.
e) Die Tatsache, daß Akzo Nobel N.V. Aktien an bioMérieux S.A. übertragen habe, sei nicht gleichbedeutend mit einer Übertragung des betreffenden Geschäftsbetriebs, der bei der Organon Teknika B.V. verblieben sei.
f) Akzo Nobel N.V. habe auch nach dem 30. Juni 2001 noch Patente auf dem Gebiet der Diagnostik angemeldet und damit anhaltendes kommerzielles Interesse an diesem Geschäftsbereich bewiesen. Das lasse inhaltliche Zweifel an der im Juni 2003 unterzeichneten Erklärung aufkommen. Es sei höchst fraglich, ob zum Zeitpunkt der angeblichen Übertragung der Einsprechendenstellung tatsächlich der gesamte von dem Einspruch betroffene Geschäftsbetrieb der Akzo Nobel N.V. in den Händen der Organon Teknika B.V. lag.
g) Bei Einlegung der Beschwerde habe die Beschwerdeführerin nicht darauf vertrauen können, als Einsprechende anerkannt zu werden. In dem parallelen Verfahren T 746/00 sei die Eintragung von Organon Teknika B.V. als neue Einsprechende 3 erst im Januar 2003 bekanntgemacht worden.
h) Nach der Entscheidung T 670/95 vom 9. Juni 1998 sei die Übertragung der Einsprechendenstellung durch Vortrag und Nachweis eines Tatbestandes zu belegen. Das sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die vorgelegten Erklärungen seien vage und vermischten Tatsachen und rechtliche Aspekte.
i) Durch die "vorsorgliche" Nennung von Akzo Nobel N.V. als Beschwerdeführerin werde die Beschwerde nicht zulässig, da es im EPÜ keine Grundlage für eine solche Schlußfolgerung gebe. Die Regeln 65 (2) und 88 EPÜ seien hier nicht anwendbar. Die Angabe von bioMérieux B.V. als Beschwerdeführerin sei eindeutig beabsichtigt gewesen und nicht irrtümlich erfolgt.
j) Zudem sei die Beschwerde nicht von einem ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter eingelegt worden.
VIII. Am 29. Juli 2003 fand die mündliche Verhandlung statt. Die Einsprechende 2, die sich nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde geäußert hatte, nahm nicht daran teil.
IX. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Beschwerde für zulässig zu erklären und sie im Namen von bioMérieux B.V. (Hauptantrag), von bioMérieux S.A. (erster Hilfsantrag), von bioMérieux B.V. und Akzo Nobel N.V. (zweiter Hilfsantrag) oder von Akzo Nobel N.V. (dritter Hilfsantrag) weiterzubehandeln. Sie beantragte ferner eine Verteilung der Kosten.
Des weiteren schlug die Beschwerdeführerin vor, die Große Beschwerdekammer mit folgenden Fragen zu befassen:
1. Ist der beschwerte Verfahrensbeteiligte im Sinne des Artikels 107 EPÜ der Beteiligte, dem der Einspruch gehört (d. h. der faktisch beschwerte Beteiligte), oder der Beteiligte, der im Register als Beteiligter am Einspruchsverfahren genannt ist?
2. Wenn es der faktisch beschwerte Beteiligte ist, sind dann die Regeln 20, 21 und 61 EPÜ anzuwenden?
3. Gibt es über G 4/88 hinaus noch weitere nachgeordnete Erfordernisse für die Übertragung eines Einspruchs, einer Beschwerde oder einer Beteiligtenstellung wie z. B.
- Beweismittel (Vorlage)
- Eintragung ins Register
- Übertragung eines Einspruchs an einen anderen Beteiligten als den Erwerber
- Eigentümer des Geschäftsbetriebs/einsprechender Beteiligter?
4. Können - falls das Beweismaterial von einem Beteiligten oder von der Kammer angefochten wird - hilfsweise weitere Belege beigebracht werden?
X. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Verwerfung der Beschwerde wegen Unzulässigkeit und eine Kostenverteilung.
Ferner schlug sie vor, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfragen vorzulegen:
1. Gilt Regel 20 EPÜ für die Eintragung von Änderungen in der Identität eines Einsprechenden oder eines Einsprechenden/Beschwerdeführers?
2. Unter welchen Umständen kann eine Erklärung, die im Namen des Übertragenden und des Erwerbers von Geschäftsbereichen, auf die sich ein Einspruch bezieht, unterzeichnet wurde, als ausreichendes Beweismaterial für den Nachweis der Transaktion gelten?
3. Welchen Rechtsmaßstab sollte die Kammer in der Frage anlegen, ob das Beweismaterial für die Übertragung von Geschäftsbereichen, auf die sich ein Einspruch bezieht, ausreichend ist? Gilt "nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit" oder "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit"?
4. Wenn Beweismaterial als Beleg für die Übertragung von Geschäftsbereichen, auf die sich ein Einspruch bezieht, für unzureichend befunden wird, kann dieser Mangel dann durch die Einreichung weiterer Beweismittel behoben werden?
5. Gibt es eine Rechtsfiktion zugunsten des Erwerbers eines Geschäftsbereichs, auf den sich ein Einspruch bezieht, oder trägt der Erwerber die Beweislast für seine Verfahrensstellung?
6. Ist es, damit die Verwerfung einer Beschwerde eines Einsprechenden nach Regel 65 (1) EPÜ verhindert wird, erforderlich, daß jede Änderung in der Person des Einsprechenden/Beschwerdeführers vor Ablauf der Frist nach Artikel 108 EPÜ eingetragen wird?
7. Ist die Stellung eines Einsprechenden als beschwerter Verfahrensbeteiligter im Sinne des Artikels 107 EPÜ frei übertragbar oder kann sie nur gemäß den in G 4/88 (ABl. EPA 1989, 480) dargelegten Grundsätzen übertragen werden?
XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte die Kammer, daß die sachliche Debatte beendet sei und die Entscheidung schriftlich ergehen werde.
Entscheidungsgründe
1. Nach Artikel 107 EPÜ steht das Recht, eine Entscheidung mit der Beschwerde anzufechten, nur beschwerten Verfahrenbeteiligten zu. Entspricht die Beschwerde nicht dem Artikel 107 EPÜ, so verwirft die Beschwerdekammer sie als unzulässig, sofern die Mängel nicht bis zum Ablauf der nach Artikel 108 EPÜ maßgebenden Fristen beseitigt worden sind (Regel 65 (1) EPÜ).
1.1 Im vorliegenden Fall ist in der Beschwerdeschrift ausdrücklich bioMérieux B.V. als Beschwerdeführerin genannt. Somit ist zu überprüfen, ob bioMérieux B.V. zu dem Zeitpunkt, als die Beschwerde eingelegt wurde, oder zumindest bei Ablauf der Beschwerdefrist am Einspruchsverfahren beteiligt war.
1.2 Die Beschwerdeführerin beansprucht die Einsprechendenstellung auf der Grundlage des von Akzo Nobel N.V. eingelegten Einspruchs. Laut der Beschwerdeführerin sei dieser Einspruch im Interesse der früher vollständig im Eigentum von Akzo Nobel N.V. befindlichen Unternehmenstochter Organon Teknika B.V. eingereicht worden, da das Streitpatent das technische Gebiet der Diagnostik betreffe und Akzo Nobel N.V. seinen Geschäftsbereich Diagnostik bei dieser Tochter konzentriert hatte. Dennoch erwarb mit der Einlegung des Einspruchs nur Akzo Nobel N.V. und nicht Organon Teknika B.V. die Stellung einer Einsprechenden. Das ergibt sich aus der Entscheidung G 3/97 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1999, 245, Nrn. 2.1 und 2.2 der Entscheidungsgründe), der zufolge derjenige der Einsprechende ist, der die im EPÜ geregelten Voraussetzungen für die Einlegung eines Einspruchs erfüllt, und es daher neben dem formell legitimierten Einsprechenden keinen anderen "wahren" Einsprechenden geben kann. Organon Teknika B.V. kann somit nicht als die ursprüngliche Einsprechende angesehen werden (siehe auch T 788/01 vom 13. Juni 2003, Nr. 2.3.1 der Entscheidungsgründe).
1.3 Allerdings könnte BioMérieux B.V. aufgrund einer Übertragung des Einspruchs von Akzo Nobel N.V. die Einsprechendenstellung erworben haben. Die Beschwerdeführerin behauptet, daß eine solche Übertragung stattgefunden habe, als Akzo Nobel N.V. die früher vollständig in ihrem Besitz befindliche Tochter Organon Teknika B.V. an bioMérieux S.A. verkauft und abgetreten habe. Infolge dieser Transaktion sei, so die Argumentation, der Einspruch gegen das Streitpatent von Akzo Nobel N.V. auf Organon Teknika B.V. übergegangen, deren Name später in bioMérieux B.V. geändert wurde. Ob bioMérieux B.V. die behauptete Einsprechendenstellung zukommt, hängt somit davon ab, ob die formal- und materiellrechtlichen Erfordernisse für eine Übertragung der Einsprechendenstellung erfüllt sind.
Materiellrechtliche Erfordernisse für die Übertragung der Einsprechendenstellung
2. Das EPÜ enthält keine explizite Vorschrift bezüglich der materiellrechtlichen Erfordernisse für die Übertragung der Einsprechendenstellung. In Regel 60 (2) EPÜ heißt es jedoch, daß das Einspruchsverfahren auch ohne die Beteiligung der Erben des verstorbenen Einsprechenden fortgesetzt werden kann. Die Übertragung der Einsprechendenstellung auf die Erben des Einsprechenden wird somit im EPÜ implizit anerkannt (siehe G 4/88, Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Dieser Grundsatz gilt auch für andere Formen der Gesamtrechtsnachfolge, z. B. wenn eine juristische Person mit einer anderen verschmilzt. In diesem Fall tritt der Gesamtrechtsnachfolger in die Einsprechendenstellung ein (siehe G 4/88, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, T 349/86, ABl. EPA 1988, 345, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, T 475/88 vom 23. November 1989, Nr. 1 der Entscheidungsgründe, T 1204/97 vom 11. April 2003, Nr. 1.1 der Entscheidungsgründe).
2.1 Eine Übertragung der Einsprechendenstellung kann anerkanntermaßen auch noch in weiteren Fällen stattfinden. So hat die Große Beschwerdekammer in G 4/88 entschieden, daß ein vor dem EPA anhängiger Einspruch als zum Geschäftsbetrieb
des Einsprechenden gehörend zusammen mit jenem Bereich dieses Geschäftsbetriebs an einen Dritten übertragen oder abgetreten werden kann, auf den sich der Einspruch bezieht. Die Große Beschwerdekammer nahm ausdrücklich keine Stellung zu der allgemeineren Frage, ob die Einsprechendenstellung auch unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses übertragen werden kann.
2.2 In mehreren nachfolgenden Entscheidungen (siehe z. B. T 659/92, Nr. 2 der Entscheidungsgründe, T 670/95, Nr. 2 der Entscheidungsgründe, T 298/97, ABl. EPA 2002, 83, Nrn. 7.1, 7.2 und 12.2 der Entscheidungsgründe, T 711/99, zur Veröffentlichung im ABl. EPA vorgesehen, Nr. 2.1.5 der Entscheidungsgründe) wurden die Voraussetzungen, unter denen in G 4/88 eine Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen wurde, als unverzichtbar angesehen. Nach dieser Rechtsprechung setzt die Übertragung der Einsprechendenstellung (außer bei einer Gesamtrechtsnachfolge) eine Übertragung des gesamten einschlägigen Geschäftsbetriebs oder eines Teils davon voraus. Die Entscheidung G 3/97 (Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe) bestätigt diese Rechtsprechung in gewisser Weise, weil darin - zur Stützung der Entscheidungsbegründung - festgestellt wird, daß die Verfahrensbeteiligung nicht zur freien Disposition des Einsprechenden steht.
2.3 Zu prüfen ist, ob die in der genannten Rechtsprechung formulierten Erfordernisse im vorliegenden Fall erfüllt sind, d. h., ob der Geschäftsbetrieb, auf den sich der Einspruch bezieht, von Akzo Nobel N.V. auf Organon Teknika B.V. übertragen wurde.
2.3.1 Laut den von den Vertretern von Akzo Nobel N.V., bioMérieux B.V. und bioMérieux S.A. unterzeichneten Erklärungen wurde die am 30. Juni 2001 in Kraft getretene Vereinbarung zwischen Akzo Nobel N.V. und bioMérieux S.A. geschlossen. Als Folge dieser Vereinbarung wurden die gesamten Aktien der ehemals im Besitz von Akzo Nobel N.V. befindlichen Organon Teknika B.V. an bioMérieux S.A. übertragen.
2.3.2 Zweifelhaft scheint bereits, ob der Verkauf und die Übertragung von Aktien einer rechtlich eigenständigen Firma durch das Mutterunternehmen an einen Dritten als Übertragung des Geschäftsbetriebs dieser Firma gelten können. Selbst wenn dies zu bejahen wäre, wäre der Erwerber dieses Geschäftsbetriebs prima facie bioMérieux S.A. und nicht Organon Teknika B.V. gewesen, da letztere nicht als an der obigen Vereinbarung beteiligt aufscheint. Ferner ist schwerlich nachvollziehbar, wie Organon Teknika B.V., in deren Händen der Geschäftsbereich Diagnostik ja bereits lag, diesen durch die Übertragung ihrer Aktien vom Mutterunternehmen an bioMérieux S.A. "neuerlich" hätte erwerben können. Die Kammer gelangt daher zu dem Schluß, daß die in der obengenannten Rechtsprechung formulierten Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
2.4 Die Kammer ist aber dennoch der Auffassung, daß die Sachlage, so wie sie von der Beschwerdeführerin dargestellt wird, alles in allem der Situation ziemlich ähnlich ist, in der die Große Beschwerdekammer in G 4/88 die Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen hat. Wäre Organon Teknika B.V. keine eigenständige juristische Person, sondern lediglich ein Unternehmensteil von Akzo Nobel N.V. gewesen, so wäre der Verkauf dieses Unternehmensteils als Übertragung des betreffenden Geschäftsbereichs angesehen worden. Die genannte Rechtsprechung scheint die Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung von der Unternehmensstruktur des Einsprechenden abhängig zu machen: Legt ein Mutterunternehmen einen Einspruch ein, der sich auf den Geschäftsbetrieb einer rechtlich eigenständigen Tochter bezieht, so führt der Verkauf dieser Tochter nicht zur Übertragung der Einsprechendenstellung. Betrifft der Einspruch hingegen den Geschäftsbetrieb eines Unternehmensteils, so kann mit dem Verkauf dieses Unternehmensteils unter Umständen die Einsprechendenstellung übertragen werden.
2.4.1 Eine so unterschiedliche rechtliche Handhabung nahezu gleicher Sachverhalte weckt Zweifel an der Gültigkeit der rechtlichen Annahmen, die der genannten Rechtsprechung zugrunde liegen. Die Kammer hält es daher für angebracht, diese rechtlichen Annahmen näher zu betrachten, d. h. die Annahmen, denen zufolge
- die Einsprechendenstellung grundsätzlich nicht frei übertragbar ist und
- die Sachlage in G 4/88 lediglich eine eng begrenzte Ausnahme von diesem Grundsatz darstellt, die nicht ausgedehnt werden sollte.
Dabei geht die Kammer von der Prämisse aus, daß verfahrensrechtliche Fragen, die im EPÜ nicht ausdrücklich geregelt sind, unter Berücksichtigung allgemeiner Grundsätze wie denen der Gleichbehandlung, der Rechtssicherheit und der Verfahrensökonomie sowie in Abwägung der Interessen der Beteiligten und der breiten Öffentlichkeit zu beantworten sind.
2.5 Freie Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung?
2.5.1 Grundsatz der Gleichbehandlung: Es ist allgemein anerkannter Grundsatz, daß die Beteiligten eines Verfahrens vor einem Gericht gleichzubehandeln sind. Dieser Grundsatz ist in Einspruchsbeschwerdeverfahren vor den Beschwerdekammern des EPA strikt zu beachten (siehe z. B. G 1/86, ABl. EPA 1987, 447, Nrn. 13 bis 15 der Entscheidungsgründe, G 9/91, ABl. EPA 1993, 408, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Insbesondere in der Entscheidung G 1/86 heißt es, daß es zu einer nicht vertretbaren Diskriminierung des Einsprechenden führen würde, wenn er - im Gegensatz zum Patentinhaber - nicht gemäß Artikel 122 EPÜ wieder in die Frist nach Artikel 108 dritter Satz EPÜ eingesetzt werden könnte.
Die Kammer weist darauf hin, daß die Stellung des Patentinhabers frei übertragbar ist, sofern die Formerfordernisse der Regel 20 EPÜ erfüllt sind: Wenn ein europäisches Patent während des Einspruchsverfahrens übertragen wird, nimmt der neue, im Patentregister eingetragene Patentinhaber im Einspruchs- wie auch im Beschwerdeverfahren den Platz des früheren Patentinhabers ein (siehe T 656/98, ABl. EPA 2003, 385, Nr. 4.3 der Entscheidungsgründe). Nach der Entscheidung T 553/90 (ABl. EPA 1993, 666, Nr. 2.4 der Entscheidungsgründe) kann seine Legitimation in diesen Verfahren auch nicht angefochten werden.
Die Kammer räumt ein, daß die Situation des Patentinhabers nicht gänzlich mit der des Einsprechenden übereinstimmt. Die Übertragung der Beteiligtenstellung vom alten auf den neuen Patentinhaber setzt die Übertragung eines gewerblichen Schutzrechts voraus; ein Schutzrecht ist hingegen nicht involviert, wenn eine Übertragung der Einsprechendenstellung geltend gemacht wird. Es scheint jedoch fragwürdig, ob dieser Unterschied allein grundlegend andere Verfahrensregeln für die Übertragbarkeit der jeweiligen Beteiligtenstellung rechtfertigen kann. Die Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung einzuschränken, könnte daher eine Ungleichbehandlung der Verfahrensbeteiligten bedeuten.
2.5.2 Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie: Prozessuale Rechtssicherheit wird im allgemeinen als ein grundlegendes Rechtsgut im Verfahren vor dem EPA erachtet (T 824/00, ABl. EPA 2004, 5, Nr. 6 der Entscheidungsgründe). Die Rechtssicherheit erfordert unter anderem, daß sich das Europäische Patentamt auf die Erklärungen der Verfahrensbeteiligten verlassen kann (J 10/87, ABl. EPA 1989, 323, Nr. 12 der Entscheidungsgründe). Dazu muß das EPA verläßlich wissen, wer die Verfahrensbeteiligten sind. Ferner sind im Interesse einer zügigen Durchführung des Einspruchsverfahrens (siehe G 3/97, Nr. 3.2.3 der Entscheidungsgründe) schwierige und zeitaufwendige Untersuchungen zur Feststellung der richtigen Verfahrensbeteiligten soweit wie möglich zu vermeiden.
Anders als die Technische Beschwerdekammer 3.3.7 in ihrer Entscheidung T 711/99 (Nr. 2.1.5 f) der Entscheidungsgründe) ist diese Kammer der Auffassung, daß sich Rechtssicherheit und Verfahrensökonomie verbessern ließen, wenn die Einsprechendenstellung frei übertragbar wäre. Die Einspruchsabteilungen und Beschwerdekammern könnten sich dann einfach auf entsprechende Verfahrenserklärungen des alten und des neuen Einsprechenden verlassen, ohne weitere sachliche Überprüfungen oder komplexe rechtliche Beurteilungen vornehmen zu müssen. Einen Gegensatz dazu stellt die Praxis dar, die Übertragung der Einsprechendenstellung von der Erfüllung bestimmter materiellrechtlicher Kriterien abhängig zu machen, wie z. B. der Übertragung eines relevanten Geschäftsbetriebs im Sinne der Entscheidung G 4/88. Wie die Rechtsprechung zeigt, ist nicht immer leicht festzustellen, ob diese Kriterien erfüllt sind (siehe z. B. T 659/92, Nrn. 3 bis 3.3 der Entscheidungsgründe, T 298/97, Nrn. 7 bis 7.8 der Entscheidungsgründe, T 9/00, ABl. EPA 2002, 275, Nr. 2 c) dd) der Entscheidungsgründe), wodurch sich das Verfahren beträchtlich in die Länge ziehen kann. Unter Umständen gilt es, Tatsachen zu überprüfen und komplexe Fragen des Vertrags-, Unternehmens- oder Kartellrechts zu entscheiden. Da das EPA die Identität der Verfahrensbeteiligten von Amts wegen festzustellen hat, könnten selbst dann komplizierte Ermittlungen notwendig werden, wenn der Patentinhaber die Übertragung der Einsprechendenstellung gar nicht anficht.
2.5.3 Interesse des Einsprechenden: Die Umstände, die einen Einsprechenden dazu veranlassen mögen, eine Übertragung seiner Beteiligtenstellung auf eine andere Person in Betracht zu ziehen, sind vielfältig. Auslöser können, wie im vorliegenden Fall, geschäftliche Transaktionen sein, die die wirtschaftlichen Interessen des Einsprechenden tangieren. Es darf angenommen werden, daß Einsprechende eine Übertragung ihrer Beteiligtenstellung normalerweise nicht ohne triftigen Grund anstreben. Die Kammer glaubt daher nicht, daß man im Falle einer freien Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung ernsthaft befürchten müßte, daß Einsprechende ein abstruses oder unseriöses Verhalten an den Tag legen.
Die Beschwerdegegnerin hatte vorgebracht, daß die freie Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung zu einem schädlichen "Handel" mit Einsprüchen führen könnte, d. h., jemand könnte gegen ein europäisches Patent Einspruch erheben, nur um seine Einsprechendenstellung später an einen anderen zu "verkaufen". Dieses Szenario scheint jedoch ein eher theoretisches zu sein. Gänzlich auszuschließen ist es zwar nicht, doch kann dasselbe auch ohne die Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung erreicht werden, wenn auch weniger offensichtlich: Der "Händler" könnte Einsprechender bleiben und sich dafür von einem Dritten bezahlen lassen (siehe T 649/92, ABl. EPA 1998, 97, Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe, wo die Möglichkeit eines verborgenen "wahren" Einsprechenden erörtert ist).
2.5.4 Interesse des Patentinhabers: Die Kammer ist der Meinung, daß der neue Einsprechende in allen Fällen, in denen eine Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen wird, keine bessere Verfahrensstellung als der frühere Einsprechende haben wird. Befindet sich das Einspruchsverfahren z. B. in einem Stadium, in dem ein vom früheren Einsprechenden vorgebrachter neuer Einspruchsgrund nicht zugelassen werden konnte, so wird auch der neue Einsprechende diesen Grund nicht einführen können. Anders verhält es sich mit der Stellung eines Dritten, der seinen Beitritt zum Verfahren gemäß Artikel 105 EPÜ erklärt (siehe G 1/94, ABl. EPA 1994, 787, Nr. 13 der Einspruchsgründe).
Es ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Übertragung der Einsprechendenstellung negative Auswirkungen auf die Verfahrensstellung des Patentinhabers haben sollte. Selbst wenn der frühere Einsprechende - im Ausnahmefall - damit rechnen muß, daß die Kostenentscheidung nach Artikel 104 (1) EPÜ zu seinen Ungunsten ausfällt, gefährdet die Übertragung nicht die Rechte des Patentinhabers: eine Kostenverteilung kann immmer noch angeordnet werden, erforderlichenfalls auch zu Lasten des ursprünglichen Einsprechenden (siehe T 789/89, ABl. EPA 1994, 482, Nr. 2.6 der Entscheidungsgründe, der zufolge ein Einsprechender, der seinen Einspruch zurücknimmt, nichts an seiner Stellung als Beteiligter in bezug auf Fragen der Kostenverteilung ändert).
Es läßt sich argumentieren, daß die Übertragung der Einsprechendenstellung für den Patentinhaber das Risiko erhöht, daß er sich plötzlich einem Einsprechenden gegenübersieht, der im Vergleich zum ursprünglichen Einsprechenden über mehr finanzielle und rechtliche Mittel verfügt. Doch sind die Verfahren vor dem EPA nicht so konzipiert, daß sie generell Schutz vor diesem Risiko böten. Das zeigt sich z. B. daran, daß die Übertragung der Einsprechendenstellung im Fall einer Fusion zugelassen wird (siehe Nr. 2). Im übrigen geht der Einsprechende aufgrund der freien Übertragbarkeit der Beteiligtenstellung des Patentinhabers dasselbe Risiko ein (siehe Nr. 2.5.1).
2.5.5 Interesse der Öffentlichkeit: Das Einspruchsverfahren nach dem EPÜ ist als Popularrechtsbehelf gedacht, der Dritten Gelegenheit geben soll, die Gültigkeit eines erteilten Patents anzufechten (G 9/93, ABl. EPA 1994, 891, Nr. 3 der Entscheidungsgründe, G 3/97, Nrn. 3.2.1 und 3.2.3 der Entscheidungsgründe). Die Große Beschwerdekammer hat anerkannt, daß es ein öffentliches Interesse daran gibt, "daß jeder Einspruch in der Sache geprüft … wird" (G 3/97, Nr. 3.2.3 der Entscheidungsgründe). Dieses Interesse könnte gefährdet sein, wenn sich die Einsprechendenstellung nur in Ausnahmefällen übertragen läßt. Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, daß ein Einsprechender, der seine Einsprechendenstellung nicht auf eine andere Person übertragen darf, wenn er das möchte, seinen Einspruch einfach zurücknimmt oder auf eine aktive Beteiligung am Einspruchsverfahren verzichtet. Beides würde die öffentliche Kontrollfunktion des Einspruchsverfahrens in bezug auf das Streitpatent schwächen.
2.5.6 Allgemeine Rechtsgrundsätze: Mitunter wird auf einen "allgemeinen Rechtsgrundsatz" (T 711/99, Nr. 2.1.5 der Entscheidungsgründe) oder das "Wesen … eines bloßen Prozeßrechtsverhältnisses" (siehe BGH, GRUR 1968, 613, Nr. II 2 c)) verwiesen, um Beschränkungen der Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung zu rechtfertigen. In der Tat scheint es bei den meisten Gerichtsverfahren so zu sein, daß es nicht im Ermessen eines Verfahrensbeteiligten liegt, seine Stellung auf eine andere Person zu übertragen, und daß eine Übertragung nur unter bestimmten Umständen zugelassen wird (nach deutschem Zivilprozeßrecht ist eine Übertragung z. B. nur möglich, wenn das Gericht sie für sachdienlich erachtet und die Gegenpartei einwilligt, siehe Baumbach et al., Zivilprozeßordnung, 60. Aufl., München 2002, § 263 Nr. 5 ff.).
Die Einspruchsverfahren vor dem EPA weisen jedoch Besonderheiten auf, die dafür sprechen könnten, daß die Einsprechendenstellung hier flexibler übertragbar sein sollte als eine Beteiligtenstellung in den meisten anderen Gerichtsverfahren. Wie oben erwähnt (Nr. 2.5.1), ist die Verfahrensstellung des Patentinhabers frei übertragbar. Die Übertragbarkeit der Einsprechendenstellung zu beschränken, könnte somit zu einem Ungleichgewicht in den Verfahrensrechten der betreffenden Parteien führen. Außerdem kann nach Artikel 99 (1) EPÜ jedermann Einspruch einlegen. Die Darlegung eines wie immer gearteten Interesses des Einsprechenden am Widerruf des Patents, gegen das Einspruch eingelegt wurde, ist nicht gefordert (G 3/97, Nr. 3.2.1 der Einspruchsgründe, T 590/93, ABl. EPA 1995, 337, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Die Verfasser des EPÜ haben diesen uneingeschränkten Ansatz in bezug auf den ursprünglichen Erwerb der Einsprechendenstellung offensichtlich gewählt, um das öffentliche Interesse an einer möglichen Kontrolle des erteilten Patents zu schützen. Daher ist die Frage berechtigt, ob eine ähnliche Handhabung nicht auch bei einem mittelbaren Erwerb der Einsprechendenstellung, also ihrer Übertragung, angebracht wäre.
2.6 Erweiterung der Schlußfolgerung in G 4/88?
Wenn die Einsprechendenstellung, entgegen der Argumentation unter Nummer 2.5, nicht als frei übertragbar anzusehen ist, stellt sich ferner die Frage, ob die von der Großen Beschwerdekammer in G 4/88 getroffenen Schlußfolgerungen als enge Ausnahme zu interpretieren sind, die nur gilt, wenn der ursprüngliche Einsprechende den relevanten Geschäftsbetrieb überträgt, oder ob sie auch anwendbar sind, wenn der ursprüngliche Einsprechende eine 100%ige Tochter überträgt, auf deren Geschäftsbetrieb sich der Einspruch bezieht.
2.6.1 Die Kammer ist der Auffassung, daß beide Situationen im Hinblick auf das jeweilige Interesse sehr ähnlich sind (siehe Nr. 2.4). In beiden Fällen hat der ursprüngliche Einsprechende infolge einer größeren Geschäftstransaktion ein berechtigtes Interesse an der Übertragung des Einspruchs. Gewiß hätte der Einspruch im zweiten Fall - anders als im ersten - von vornherein im Namen der Tochter eingereicht werden können, auf deren Geschäftsbetrieb er sich bezieht (siehe T 711/99, Nr. 2.1.3 der Entscheidungsgründe, wo dieser Unterschied für wesentlich befunden wurde). Dennoch sollte die Entscheidung, den Einspruch im Namen der Muttergesellschaft einzureichen, nicht als prima facie unvernünftig oder gar schikanös angesehen werden. Diese Entscheidung kann aus gutem Grund getroffen worden sein, etwa um der zentralen Patentabteilung der Muttergesellschaft die Arbeit zu erleichtern oder Angestellten der Muttergesellschaft die Führung von Einspruchsverfahren vor dem EPA zu ermöglichen, da in der Ausführungsordnung zum EPÜ die in Artikel 133 (3) Satz 2 EPÜ vorgesehene Möglichkeit nicht ausgestaltet worden ist (siehe T 298/97, Nr. 4.2 der Entscheidungsgründe). Fällt später die enge rechtliche und wirtschaftliche Verbindung weg, die bei Einlegung des Einspruchs zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft bestand, so erlischt in der Regel das Interesse der Muttergesellschaft an dem Einspruch. Die Beendigung der Beziehungen zwischen einem Einsprechenden und seiner betreffenden Tochter ist der Übertragung relevanter Geschäftsbereiche durchaus vergleichbar. Indem die Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen wird, wird in beiden Fällen vermieden, daß die Einsprechendenstellung auf der einen Seite und die relevanten Geschäftsbereiche auf der anderen auf rechtlich und wirtschaftlich nicht miteinander verbundene Unternehmen verteilt werden.
2.6.2 Es gibt durchaus Anhaltspunkte dafür, daß die rechtlichen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen einer Mutter- und ihrer Tochtergesellschaft für die Übertragung der Einsprechendenstellung von Belang sind. In den Richtlinien für die Prüfung im EPA (D-1.4) heißt es: "Zulässig ist auch der Eintritt der Hauptgesellschaft in die Einsprechendenstellung der eingegliederten Gesellschaften" (im Englischen: "acquiring companies may also take over oppositions filed by acquired companies" und im Französischen: "Est également possible la subrogation de la société mère aux sociétés affiliées dans la qualité d'opposant."). Wenn also das Eingehen von Unternehmensbeziehungen zu einer Übertragung der Einsprechendenstellung führen kann (siehe auch das Urteil des BGH in GRUR 1968, 613, Nr. II.2 f)), dann erscheint es plausibel, daß auch das Lösen dieser Verbindungen zu einer Übertragung der Einsprechendenstellung führen kann (siehe deutsches Bundespatentgericht, Bl. f. PMZ 1991, 245).
2.7 Ausgehend von den obigen Erwägungen (Nrn. 2.5 und 2.6) tendiert die Kammer dazu, eine Übertragung der Einsprechendenstellung zuzulassen, wenn der ursprüngliche Einsprechende die Tochtergesellschaft, auf deren Geschäftsbetrieb sich der Einspruch bezieht, verkauft und übereignet. In Anbetracht der abweichenden Rechtsprechung der Beschwerdekammern und insbesondere der Entscheidung T 711/99 hält es die Kammer jedoch für erforderlich, gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ die Große Beschwerdekammer mit dieser Frage zu befassen (siehe Nr. 1 der Entscheidungsformel).
3. Formerfordernisse für die Übertragung der Einsprechendenstellung
3.1 Allgemeines: Das EPÜ enthält keine ausdrücklichen Vorschriften bezüglich der Formerfordernisse für die Übertragung der Einsprechendenstellung. Ungeachtet der breit gefaßten Überschrift "Eintragung von Rechtsübergängen" betrifft Regel 20 EPÜ nur die Übertragung von Patentanmeldungen und - entsprechend - von Patenten während der Einspruchsfrist oder im Einspruchsverfahren (Regel 61 EPÜ). Es ließe sich aber argumentieren, daß das formale Schema in Regel 20 EPÜ einen verallgemeinerbaren Grundsatz darstellt und soweit wie möglich auch bei Anträgen auf Übertragung eines Einspruchs Anwendung finden sollte.
Aus den Absätzen 1 und 2 geht klar hervor, daß sich Regel 20 EPÜ in erster Linie auf die Eintragung eines Rechtsübergangs in das europäische Patentregister bezieht. Absatz 3 hat jedoch noch weitere wichtige Konsequenzen: Die Übertragung einer Patentanmeldung oder eines Patents wird dem Europäischen Patentamt gegenüber erst und nur insoweit wirksam, als sie ihm durch Vorlage von Urkunden nachgewiesen wird, aus denen glaubhaft hervorgeht, daß der Rechtsübergang stattgefunden hat. Diese Vorschrift macht den Erwerb der Verfahrensstellung als Patentanmelder oder -inhaber in laufenden Erteilungs- oder Einspruchsverfahren offenbar vom Formerfordernis der Vorlage von Urkunden abhängig.
3.2 Zuständigkeit: Unabhängig von einer möglichen analogen Anwendung der Regel 20 (3) EPÜ auf die Übertragung von Einsprüchen fällt die Entscheidung, ob einem angeblichen Einsprechenden die Stellung eines Verfahrensbeteiligten zukommt oder nicht, in die ausschließliche Zuständigkeit desjenigen Organs, vor dem das Einspruchsverfahren anhängig ist, also in die der Einspruchsabteilung oder der Beschwerdekammer. Diese Entscheidung setzt nicht voraus, daß der Name des angeblichen neuen Einsprechenden bereits in das europäische Patentregister eingetragen wurde, und ebensowenig steht es ihr als Hinderungsgrund entgegen, wenn im Patentregister verwaltungstechnisch ein anderslautender früherer Eintrag vorgenommen wurde. Diese Auffassung deckt sich mit der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe T 799/97 vom 4. Juli 2001, Nr. 3.2 a) der Entscheidungsgründe, T 602/99 vom 21. November 2003, Nr. VIII des Teils "Sachverhalt und Anträge", T 854/99 vom 24. Januar 2002, Nr. 1.5 der Entscheidungsgründe, T 9/00, Nr. 1 e) bb) der Entscheidungsgründe). Anzumerken ist ferner, daß der Name des Einsprechenden weder unter den Eintragungen in das europäische Patentregister nach Regel 92 (1) EPÜ noch in einer der Mitteilungen des Präsidenten des EPA nach Regel 92 (2) EPÜ genannt ist.
3.3 Anträge und Beweismittel: Im vorliegenden Fall enthielt die Beschwerdeschrift Informationen zur angeblichen Übertragung des Einspruchs sowie als Anlage eine von den Vertretern von Akzo Nobel N.V., bioMérieux B.V. und bioMérieux S.A. unterzeichnete Erklärung. Die Erklärung bezog sich jedoch nicht ausdrücklich auf den vorliegenden Einspruch. Weitere Beweisunterlagen, einschließlich einer den vorliegenden Einspruch betreffenden Erklärung, wurden erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht.
Die Formerfordernisse für eine behauptete Übertragung der Einsprechendenstellung hängen - zumindest in gewissem Grade - von den materiellrechtlichen Erfordernissen ab. Wenn Einsprüche frei übertragbar wären (siehe vorstehend Nr. 2.5), könnten die Formerfordernisse bereits durch entsprechende Verfahrenserklärungen als erfüllt gelten, die der ursprüngliche und der neue Einsprechende beim zuständigen Organ des EPA einreichen oder vor diesem abgeben. Weitere Beweisunterlagen wären dann nicht erforderlich.
Wenn jedoch die Übertragung der Einsprechendenstellung nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wird (u. a. bei Verkauf und Übertragung von Aktien einer 100%igen Tochter, auf deren Geschäftsbetrieb sich der Einspruch bezieht, siehe vorstehend Nr. 2.6), sind die formalen und die das Beweismaterial betreffenden Erfordernisse unter Umständen schwieriger zu erfüllen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob der angebliche neue Einsprechende - analog zum Erfordernis der Regel 20 (3) EPÜ - die Tatsachen, welche die Übertragung rechtfertigen, durch vollständige Beweisunterlagen innerhalb der Beschwerdefrist belegen muß und ob eine Beschwerde des neuen Einsprechenden unzulässig wird, wenn er dies nicht innerhalb der Beschwerdefrist tut.
In mehreren Entscheidungen kamen die Beschwerdekammern zu dem Schluß, daß für Verfahren vor dem EPA als wirksamer Zeitpunkt der Übertragung der Einsprechendenstellung der Tag zu gelten habe, an dem die Übertragung beim EPA beantragt wurde und entsprechende Beweismittel beigebracht wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibe der ursprüngliche Einsprechende Verfahrensbeteiligter, so daß eine vorher in seinem Namen eingereichte Beschwerde als zulässig und eine vorher im Namen des neuen Einsprechenden eingereichte Beschwerde als unzulässig gelte (T 1137/97 vom 14. Oktober 2002, Nrn. 1 und 4 der Entscheidungsgründe, T 870/92 vom 8. August 1997, Nrn. 2 und 3.1 der Entscheidungsgründe, T 670/95, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Diese Formerfordernisse für die Zulassung einer Änderung der Einsprechendenstellung dienten der Rechtssicherheit im Hinblick darauf, wer die jeweiligen Verfahrensbeteiligten seien (T 1137/97, Nr. 4 der Entscheidungsgründe).
In anderen Entscheidungen haben die Kammern jedoch verspätet eingereichte Beweise für die Übertragung eines Einspruchs zugelassen oder waren zumindest bereit, diese zuzulassen. So wurde z. B. in der Sache T 563/89 (Nr. IV des Teils "Sachverhalt und Anträge" sowie Nr. 1.1 der Entscheidungsgründe) eine vom angeblichen neuen Einsprechenden eingelegte Beschwerde für zulässig befunden, obwohl eine Abschrift des betreffenden Verkaufsvertrags erst nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht wurde. In T 298/97 (Nr. VIII des Teils "Sachverhalt und Anträge" sowie Nrn. 7.3 und 7.7 der Entscheidungsgründe) wurde dem Beschwerdeführer lange nach Ablauf der Frist nach Artikel 108 Satz 3 EPÜ noch reichlich Gelegenheit gegeben, Belege für die Übertragung des Einspruchs beizubringen. Für unzulässig erklärt wurde die Beschwerde nur, weil die verlangten Beweise als nicht ausreichend betrachtet wurden.
Der obige Überblick über die Rechtsprechung der Beschwerdekammern und die verschiedenen Lösungswege belegt die Notwendigkeit, die Große Beschwerdekammer mit der in Nummer 2 der Entscheidungsformel formulierten Frage zu befassen. Dabei könnten nach Ansicht der Kammer im Interesse einer sachgerechten Beurteilung folgende Aspekte Berücksichtigung finden:
- Das in Regel 20 (1) und (3) EPÜ verankerte Formerfordernis scheint gut geeignet für einseitige Verfahren, die darauf gerichtet sind, eine Übertragung eintragen zu lassen. Für mehrseitige Verfahren, in denen Tatsachen vom anderen Verfahrensbeteiligten entweder akzeptiert oder bestritten werden können, scheint es weniger geeignet.
- Artikel 117 (1) EPÜ enthält eine nicht erschöpfende Aufzählung zulässiger Beweismittel. Keinem davon wird gegenüber den anderen von vornherein eine stärkere Beweiskraft zuerkannt. Es gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (siehe z. B. T 482/89, ABl. EPA 1992, 646, Nrn. 2.1 und 2.2 der Entscheidungsgründe). Wenn Regel 20 (1) und (3) EPÜ analog auf die Übertragung der Einsprechendenstellung angewendet würde, könnte daraus ein Konflikt mit Artikel 117 (1) EPÜ erwachsen.
4. Zulässigkeit der Beschwerde in bezug auf den Hilfsantrag in der Beschwerdeschrift
4.1 Sollte bioMérieux B.V. nicht als beschwerdeberechtigt im Sinne des Artikels 107 EPÜ anzusehen sein, ergäbe sich in bezug auf den in der Beschwerdeschrift enthaltenen Hilfsantrag eine weitere Frage. Die Beschwerdeschrift wurde zwar ausdrücklich im Namen von bioMérieux B.V. eingereicht, doch hieß es darin auch, daß hilfsweise und als reine Vorsichtsmaßnahme für den Fall, daß die Beschwerde im Namen von bioMérieux B.V. für unzulässig befunden werde, im Namen von Akzo Nobel N.V. Beschwerde eingelegt werde.
4.2 Aus der Beschwerdeschrift geht also hervor, daß der Vertreter der ursprünglichen Einsprechenden und der angeblichen neuen Einsprechenden hinsichtlich der beschwerdeberechtigten Person unsicher war. Diese Unsicherheit scheint später sogar noch gewachsen zu sein, da der Vertreter in der mündlichen Verhandlung beantragte, die Beschwerde im Namen von bioMérieux B.V. (Hauptantrag) oder von bioMérieux S.A. (erster Hilfsantrag) oder von bioMérieux B.V. und Akzo Nobel N.V. (zweiter Hilfsantrag) oder von Akzo Nobel N.V. (dritter Hilfsantrag) weiterzuverfolgen.
4.3 Es ist ein allgemein anerkannter Grundsatz in Verfahren vor dem EPA, daß die Beteiligten Hilfsanträge stellen können (siehe z. B. T 234/86, ABl. EPA 1989, 79, Nr. 5.5.1 der Entscheidungsgründe, T 5/89, ABl. EPA 1992, 348, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe). Dieser Grundsatz gilt auch für Beschwerdeverfahren. Eine Ausnahme bildet jedoch eine hilfsweise eingelegte Beschwerde. In der Entscheidung J 16/94 (ABl. EPA 1997, 331) hatte sich die Juristische Kammer mit einem Fall zu befassen, in dem der Anmelder als Hauptantrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die erste Instanz beantragt und als (zweiten) Hilfsantrag Beschwerde eingelegt hatte. Sie befand diese Beschwerde für unzulässig, weil darin nicht die definitive (sondern nur eine bedingte) Absicht eines Beteiligten, Beschwerde einzulegen, zum Ausdruck komme. In der Sache T 854/02 vom 14. Oktober 2002 hatte die Einsprechende ihre Beschwerde an die Bedingung geknüpft, daß die Patentinhaberin Beschwerde einlegt und die Kammer ein Zulässigkeitserfordernis positiv beurteilt. Die Beschwerde wurde für unzulässig befunden.
4.4 Die faktischen Umstände in J 16/94 und T 854/02 sind nicht dieselben wie im vorliegenden Fall, in dem sich argumentieren läßt, daß die Beschwerde als solche nicht an Bedingungen geknüpft war und sich der Hilfsantrag (für den keine gesonderte Beschwerdegebühr gezahlt wurde) nur darauf bezog, wer als Beschwerdeführerin zu betrachten sei. Insofern ist fraglich, ob im vorliegenden Fall der Rechtsauffassung der Entscheidungen J 16/94 und T 854/02 zu folgen ist.
4.5 Außerdem kann der in der Beschwerdeschrift enthaltene Hilfsantrag auch als bedingter Antrag auf Berichtigung des Namens der Beschwerdeführerin aufgefaßt werden. Nach Regel 64 a) EPÜ muß die Beschwerdeschrift den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers enthalten. Entspricht die Beschwerde nicht der Regel 64 a) EPÜ, so kann dieser Mangel auf Aufforderung durch die Beschwerdekammer auch noch nach Ablauf der Beschwerdefrist beseitigt werden (R. 65 (2) EPÜ).
In mehreren Beschwerdekammerentscheidungen wurde die Position vertreten, daß nicht nur dann ein Mangel im Sinne der Regel 65 (2) EPÜ vorliegt, wenn die
Beschwerdeschrift überhaupt keine ausdrücklichen Angaben dieser Art enthält, sondern auch dann, wenn sie unrichtige Angaben enthält (T 340/92 vom 5. Oktober 1994, Nr. 1 der Entscheidungsgründe, T 1/97 vom 30. März 1999, Nr. 1.4 der Entscheidungsgründe, T 97/98, ABl. EPA 2002, 183, Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe; die gleiche Auffassung wurde in T 715/01 vom 24. September 2002, Nr. 10 der Entscheidungsgründe bezüglich der Beschwerdebegründung vertreten). Dabei wurde in Kauf genommen, daß eine Berichtigung des Mangels dazu führen kann, daß eine andere natürliche oder juristische Person an die Stelle der in der Beschwerdeschrift angegebenen Person tritt (T 97/98, Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). In T 97/98 hielt man es für unangemessen oder gar widersinnig, in solchen Fällen den Wechsel des Namens des Beschwerdeführers nicht zuzulassen, wenn nach den Regeln 64 a) und 65 (2) EPÜ nach Ablauf der Beschwerdefrist selbst komplett fehlende Angaben noch berichtigt werden können.
4.6 Die Schlußfolgerungen der vorgenannten Entscheidungen beschränken sich auf Fälle, in denen irrtümlich ein falscher Name des Beschwerdeführers angegeben war. Voraussetzung für das Vorliegen eines Mangels ist, daß die Angabe falsch war, so daß ihre Berichtigung keine nachträgliche Meinungsänderung zur Person des Beschwerdeführers widerspiegelt, sondern vielmehr nur zum Ausdruck bringt, was beim Einlegen der Beschwerde beabsichtigt war (T 97/98, Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). In T 656/98 (Nr. 7 der Entscheidungsgründe) sah die Kammer keinen Ermessensspielraum für eine Anwendung von Regel 65 (2) EPÜ, wenn die Beschwerde bewußt im Namen eines nicht eingetragenen Erwerbers des Streitpatents eingelegt worden sei. Eine Berichtigung nach Regel 65 (2) EPÜ wird somit an ähnliche Bedingungen geknüpft wie eine Berichtigung nach Regel 88 EPÜ. Tatsächlich wurde Regel 88 EPÜ in einigen Entscheidungen auch auf Fälle angewendet, in denen der Beschwerdeführer falsch angegeben war (siehe T 814/98 vom 8. November 2000, Nr. 1 der Entscheidungsgründe, T 460/99 vom 30. August 2001, Nr. 1 der Entscheidungsgründe).
4.7 Die zitierte Rechtsprechung bietet insgesamt wenig Unterstützung dafür, daß die bewußte Angabe eines Beschwerdeführers in Verbindung mit der hilfsweisen Angabe eines weiteren Beschwerdeführers als korrigierbarer Mangel im Sinne der Regel 65 (2) EPÜ angesehen werden könnte. Im vorliegenden Fall geht es nicht um einen faktischen Fehler, sondern lediglich um Unsicherheit in bezug auf die richtige rechtliche Beurteilung der Situation. Da diese Unsicherheit jedoch in der Beschwerdeschrift durch die Formulierung des Hilfsantrags offengelegt wurde, war sowohl für die Kammer als auch für die anderen Verfahrensbeteiligten klar die Absicht erkennbar, daß eine Beschwerde im Namen derjenigen juristischen Person eingelegt werden sollte, die im Einspruchsverfahren die Stellung der Einsprechenden 1 einnahm. Daher ließe sich einwenden, daß es übertrieben formalistisch wäre und einer unbilligen Härte gegenüber einer gutgläubig handelnden Beschwerdeführerin gleichkäme, eine Berichtigung des Namens der Beschwerdeführerin unter diesen Umständen nicht zuzulassen.
4.8 Der oben dargelegte Sachverhalt wirft eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil er die Auslegung des Artikels 107 Satz 1 EPÜ und damit eine der grundlegenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde berührt. Deswegen hat sich die Kammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ dafür entschieden, die Große Beschwerdekammer mit der in Nummer 3 der Entscheidungsformel formulierten Frage zu befassen.
5. Relevanz der Vorlagefragen für den Ausgang des Beschwerdeverfahrens
5.1 Die Beschwerdegegnerin hat die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde des weiteren mit dem Argument angefochten, daß die Beschwerdeschrift nicht von einem ordnungsgemäß bevollmächtigten Vertreter eingereicht worden sei. In Anbetracht der mit Schreiben vom 27. Juni 2003 eingereichten Bevollmächtigung des derzeitigen Vertreters ist diese Anfechtung nach Ansicht der Kammer jedoch nicht überzeugend.
5.2 Die Beschwerdeführerin meint, daß sie aufgrund der Eintragung von bioMérieux B.V. als neuer Einsprechenden im Beschwerdeverfahren T 746/00 zu Recht erwarten durfte, daß die Übertragung des Einspruchs nachgewiesen sei. Aus der Beschwerdeakte T 746/00 und den diesbezüglichen Einträgen im europäischen Patentregister geht jedoch hervor, daß die Übertragung der Einsprechendenstellung in besagtem Verfahren noch nicht eingetragen war, als in der vorliegenden Sache Beschwerde eingelegt wurde. Außerdem ist die Entscheidung, ob einem angeblichen Einsprechenden im Beschwerdeverfahren die Stellung eines Verfahrensbeteiligten zukommt, von der zuständigen Beschwerdekammer unabhängig von jedweden Einträgen im Patentregister zu treffen (siehe vorstehend Nr. 3.2). Somit kann der Grundsatz des Vertrauensschutzes im vorliegenden Fall keine Anwendung finden.
5.3 In Anbetracht der obigen Ausführungen gelangt die Kammer zu dem Schluß, daß der vorliegende Fall eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zu den Fragen in der Entscheidungsformel erfordert. Bei der Formulierung wurden die Vorschläge der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin (siehe Nrn. IX und X) berücksichtigt. Über die Anträge der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin auf Kostenverteilung wird die Kammer in ihrer endgültigen Entscheidung befinden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen vorgelegt:
1 a) Ist die Einsprechendenstellung frei übertragbar?
1 b) Falls die Frage 1 a) zu verneinen ist:
Kann eine juristische Person, die bei Einlegung des Einspruchs eine 100%ige Tochter der Einsprechenden war und die den Geschäftsbetrieb weiterführt, auf den sich das angefochtene Patent bezieht, die Einsprechendenstellung erwerben, wenn ihre gesamten Aktien von der Einsprechenden an eine andere Firma übertragen werden und die an dieser Transaktion beteiligten Personen der Übertragung des Einspruchs zustimmen?
2. Falls die Frage 1 a) oder b) zu bejahen ist:
a) Welche Formerfordernisse sind zu erfüllen, bevor die Übertragung der Einsprechendenstellung zugelassen werden kann? Ist es insbesondere erforderlich, den Sachverhalt durch lückenlose Beweisunterlagen zu belegen?
b) Ist eine Beschwerde, die von einer angeblichen neuen Einsprechenden eingelegt wird, unzulässig, wenn diese Formerfordernisse nicht vor Ablauf der Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift erfüllt werden?
3. Falls die Fragen 1 a) und b) zu verneinen sind:
Ist eine Beschwerde zulässig, wenn die Beschwerdeschrift zwar im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingereicht wird, hilfsweise aber beantragt wird, die Beschwerde als im Namen der beschwerdeberechtigten Person eingereicht zu betrachten?