BESCHWERDEKAMMERN
Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 30. April 2014 - G 1/12
(Übersetzung)
Zusammensetzung der Kammer:
Vorsitzender: | W. van der Eijk |
Mitglieder: | G. Weiss |
| T. Kriner |
| R. Menapace |
| U. Oswald |
| A. Pézard |
| C. Rennie-Smith |
Patentinhaber/Beschwerdeführer:
Zenon Technology Partnership
Einsprechender/Beschwerdegegner:
Siemens Industry, Inc.
Stichwort: -
Relevante Rechtsnormen:
Artikel 14 (4), 106, 107, 108, 109, 112 (1), 133 (2) und (3) EPÜ
Regel 5 Satz 2, 41 (2) c), 76 (1) und (2), 99 (1), 100 (1), 101 (1) und (2), 109 Satz 1, 116 (1), 131 (2) Satz 2, 132 (2) Satz 2, 137 (1), 139 Satz 1 EPÜ
Relevante Rechtsnormen (EPÜ 1973):
Regel 43, 66 (1), 65 (2), 71a (1), 88 Satz 1 EPÜ
Schlagwort:
"Zulässigkeit der Beschwerde" - "Identität der Beschwerdeführerin" - "Beschwerde im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingelegt - angeblicher Fehler hinsichtlich der Identität" - "Mangel im Sinne der Regeln 101 (2) und 99 (1) a) EPÜ" - "Mängelberichtigung nach Regel 139 Satz 1 EPÜ"
Leitsatz:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
Frage 1
Die umformulierte Frage 1 - nämlich ob es in dem Fall, dass eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, möglich ist, diesen Fehler nach Regel 101 (2) EPÜ auf einen Antrag hin zu korrigieren, den Namen durch den des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen - wird bejaht, sofern die Erfordernisse der Regel 101 (1) EPÜ erfüllt sind.
Frage 2
Im Verfahren vor dem EPA findet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Anwendung. Dies gilt auch für den Problemkreis in dieser Vorlagesache.
Frage 3
Im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers greift nach den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern aufgestellten Bedingungen das allgemeine Verfahren für die Berichtigung von Mängeln nach Regel 139 Satz 1 EPÜ.
Frage 4
In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 und 3 muss die Frage 4 nicht beantwortet werden.
Sachverhalt und Anträge
I. Mit Zwischenentscheidung vom 30. Januar 2012 in der Sache T 445/08 (ABl. EPA 2012, 588) hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.07 der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Rechtsfragen vorgelegt:
(1) Wenn eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, ist dann ein Antrag, stattdessen diese andere juristische oder natürliche Person anzugeben, als Beseitigung von "Mängeln" im Sinne der Regel 101 (2) EPÜ zulässig?
(2) Wenn die Frage bejaht wird, welche Art von Beweismittel kommt als Nachweis der wirklichen Absicht in Betracht?
(3) Wenn die erste Frage verneint wird, kann dann gleichwohl die Absicht des Beschwerdeführers eine Rolle spielen und die Anwendung der Regel 139 EPÜ rechtfertigen?
(4) Wenn die Fragen 1 und 3 verneint werden, gibt es noch andere Möglichkeiten als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (falls anwendbar)?
II. Im Verfahren, das zur Vorlage führte, war die Anmeldung, auf die das europäische Patent Nr. 1140330 erteilt wurde, am 18. November 1999 im Namen von ZENON ENVIRONMENTAL INC. eingereicht worden. Nach seiner Erteilung wurde das Patent am 30. Mai 2006 an Zenon Technology Partnership übertragen, und der Rechtsübergang wurde vom EPA mit Wirkung vom 10. Februar 2007 registriert.
Das Patent wurde mit Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 28. Dezember 2007 widerrufen. Der Name der Patentinhaberin wurde in dieser Entscheidung als Zenon Technology Partnership angegeben.
Mit einem Schreiben, das am 15. Februar 2008 einging, wurde Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift hatte folgenden Wortlaut:
"Europäisches Patent Nr. 1140330 (99955620.2-062)
Zenon Technology Partnership
Hiermit wird Beschwerde [Hervorhebung im Original] gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung [sic] vom 28. Dezember 2007 über die Zurückweisung der oben genannten Patentanmeldung [sic] eingelegt. Es wird beantragt, die Entscheidung in vollem Umfang aufzuheben, sodass das Patent aufrechterhalten werden kann ...
Name, Anschrift und Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin sind:
ZENON ENVIRONMENTAL INC
845 Harrington Court
Burlington
Ontario L7N 3P3
Canada
ZENON ENVIRONMENTAL INC ist ein kanadisches Unternehmen.
Falls die Beschwerdekammer zu irgendeinem Zeitpunkt eine für die Ansprüche der Anmelderin [sic] nachteilige Entscheidung ins Auge fasst, wird hiermit eine mündliche Verhandlung zur Erörterung der Sache beantragt."
Auf eine Mitteilung der Geschäftsstellenbeamtin reagierte die Patentinhaberin, Zenon Technology Partnership, mit Schreiben vom 13. März 2008, das am 17. März 2008 einging; darin wurde bestätigt, dass "die Beschwerde natürlich im Namen der aktuellen Inhaberin, d. h. von Zenon Technology Partnership, hätte eingelegt werden sollen", und eine Berichtigung dieses Fehlers beantragt.
III. Mit Schreiben vom 13. März 2008 stellte die Einsprechende (Beschwerdegegnerin) die Zulässigkeit der Beschwerde in Abrede, weil diese von der Firma ZENON ENVIRONMENTAL INC. eingelegt worden sei, die nicht die eingetragene Patentinhaberin sei. Die tatsächliche Patentinhaberin, Zenon Technology Partnership, und die Firma ZENON ENVIRONMENTAL INC., die die Beschwerde eingelegt habe, seien nicht identisch, sodass Letztere nicht zur Einlegung einer Beschwerde anstelle der eingetragenen Patentinhaberin berechtigt sei. Sie führte die Entscheidung T 656/98 (ABl. EPA 2003, 385) an und bezeichnete es als äußerst unwahrscheinlich, dass ZENON ENVIRONMENTAL INC. die Rechtsnachfolgerin von Zenon Technology Partnership sei.
IV. Der Vertreter der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) antwortete am 23. Juni 2008 auf eine Mitteilung der Kammer vom 16. April 2008 und erklärte, er handle im Namen von Zenon Technology Partnership und beantrage eine Berichtigung gemäß Regel 139 EPÜ (R. 88 EPÜ 1973) "bzw. alternativ eine Entscheidung nach Regel 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973), wonach die Identität des Beschwerdeführers nicht (richtig) angegeben" und der Mangel somit zu beseitigen sei. Dabei verwies er auf die Entscheidungen T 715/01 vom 24. September 2002, T 460/99 vom 30. August 2001 und T 97/98 (ABl. EPA 2002, 183).
V. Schriftliche Vorbringen wurden ausgetauscht und in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ausführlicher dargelegt. Am 30. Januar 2012 entschied die Kammer, der Großen Beschwerdekammer Fragen vorzulegen.
VI. Vorlageentscheidung
Die Kammer 3.3.07 wies zunächst darauf hin, dass die Beschwerdeschrift in der eingereichten Fassung gemäß Artikel 107 EPÜ nicht zulässig war, weil das beschwerdeführende Unternehmen nicht am Einspruchsverfahren beteiligt und damit durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert war. Der Berichtigungsantrag war erst in Erwiderung auf das Schreiben der Geschäftsstellenbeamtin und damit nach Ablauf der einschlägigen Zweimonatsfrist nach Regel 101 (1) EPÜ gestellt worden. Die einzige verbleibende Frage war deshalb, ob die beantragte Berichtigung, die zur Zulässigkeit der Beschwerde führen würde, nach Regel 101 (2) oder 139 EPÜ möglich war.
Darüber hinaus stellte die Kammer 3.3.07 fest, dass die Beschwerdeführerin in der Beschwerdeschrift genau genannt war, die allen Erfordernissen der Regeln 99 (1) a) und 41 (2) c) EPÜ genügte.
Zudem äußerte sie - übereinstimmend mit der Beschwerdegegnerin - die vorläufige Auffassung, dass Regel 101 (2) EPÜ, die die Beseitigung von Mängeln gemäß Regel 99 (1) a) EPÜ gestattet, nur eine Beseitigung von Mängeln rechtfertigen kann, die der Vervollständigung der Angaben zum Beschwerdeführer dient, wenn diese in der Beschwerdeschrift unvollständig waren und der Beschwerdeführer aus der Beschwerdeschrift bereits identifizierbar war.
Sie untersuchte die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Fragen der Berichtigung des Namens des Beschwerdeführers und ordnete diese den folgenden drei Kategorien zu:
A: Entscheidungen, in denen die Berichtigung des Namens des Beschwerdeführers nach den Regeln 99 (1) a) und 101 (2) EPÜ (R. 64 a) und 65 (2) EPÜ 1973) zugelassen wurde, weil zwar ein Mangel vorlag, aber der Akte entnommen werden konnte, wer der wirkliche Beschwerdeführer war
Die Kammer analysierte folgende Entscheidungen dieser Kategorie (in der nachstehenden Reihenfolge): T 340/92 vom 5. Oktober 1994, T 483/90 vom 14. Oktober 1992, T 613/91 vom 5. Oktober 1993, T 1/97 vom 30. März 1999, T 97/98 (ABl. EPA 2002, 183), T 867/91 vom 12. Oktober 1993, T 814/98 vom 8. November 2000, T 15/01 (ABl. EPA 2006, 153), T 715/01 vom 24. September 2002 und T 1421/05 vom 18. Januar 2011.
Die Kammer gelangte zu dem Schluss, dass die diesen Entscheidungen gemeinsamen Gründe so zu verstehen sein könnten, dass nach Regel 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973) die gesamte Nennung des Beschwerdeführers ersetzt werden könnte, sofern die wirkliche Absicht festgestellt wird, Beschwerde im Namen der richtigen Person einzulegen, wobei einer der möglichen Nachweise für die wirkliche Absicht der Umstand ist, dass niemand anderes gemäß Artikel 107 EPÜ beschwerdeberechtigt gewesen wäre (Nr. 5.5 der Entscheidungsgründe). Für entscheidend wurde also die wirkliche Absicht befunden, die die Kammern zu der Entscheidung geführt hat, dass die Angabe falsch war, und diese wirkliche Absicht wurde mithilfe der Informationen aus der Akte oder anhand des Umstands festgestellt, dass der Vertreter derselbe war (Nr. 5.7 der Entscheidungsgründe).
B: Entscheidungen, in denen der Berichtigungsantrag zurückgewiesen wurde, weil die Beschwerdeschrift keine behebbaren Fehler, sondern einen Rechtsirrtum enthielt
Die Kammer analysierte folgende Entscheidungen dieser Kategorie (in der nachstehenden Reihenfolge): G 2/04 (ABl. EPA 2005, 549), T 128/10 vom 10. Dezember 2010 und T 656/98 (ABl. EPA 2003, 385).
Die Kammer befand, dass G 2/04 nicht zu entnehmen ist, dass die Große Beschwerdekammer den allgemeinen Aussagen von T 97/98 oder deren Anwendung in T 715/01 wirklich beipflichtet, weil diese insbesondere folgenden Schluss gezogen hatte: "Angesichts des übergeordneten Interesses, dass ein Beteiligter identifizierbar sein muss, sieht die [Große Beschwerde-]Kammer keinen Grund, den Anwendungsbereich von Regel 65 (2) oder Regel 88 Satz 1 EPÜ [1973] auszudehnen" (s. G 2/04, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe). Mit anderen Worten: Wenn kein Mangel im Sinne der Regeln 99 (1) a) und 101 (2) EPÜ vorliegt, besteht kein Grund, nach der wirklichen Absicht zu suchen, wobei die Große Beschwerdekammer die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Regeln 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973) und 139 EPÜ (R. 88 EPÜ 1973) offengelassen hat (T 445/08, Nr. 5.9.3 der Entscheidungsgründe).
Sowohl in T 128/10 als auch in T 656/98 lag ein eindeutiger Rechtsirrtum der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin vor. Beide hatten übersehen, dass die Registrierung eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung als Patentinhaber im Verfahren vor dem EPA und damit für die Beschwerdeberechtigung ist. Dagegen besteht der Fehler im vorliegenden Fall darin, dass eine Beschwerde im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingelegt wurde (T 445/08, Nr. 5.9.7 der Entscheidungsgründe).
C: Entscheidungen, in denen die Regel 88 EPÜ 1973 (die jetzige R. 139 EPÜ) als Rechtsgrundlage für die Berichtigung diente
Die Kammer analysierte folgende Entscheidungen dieser Kategorie (in der nachstehenden Reihenfolge): T 715/01, T 814/98 und T 15/01 (alle a. a. O.).
Die Kammer stellte fest, dass die Kammer in der Sache T 715/01 die Regel 88 EPÜ 1973 ausgeschlossen und sich stattdessen für die Anwendung der Regel 65 (2) EPÜ 1973 entschieden hatte. In T 814/98 war die Berichtigung des Namens der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der Regel 88 EPÜ 1973 ohne vorherige Diskussion über die Anwendbarkeit dieser Regel zugelassen worden. In anderen Entscheidungen (z. B. T 15/01) war die Möglichkeit der Berichtigung ohne weitere Ausführungen erwähnt worden.
Aus all diesen Entscheidungen schloss die Kammer, dass die Zulässigkeit der Beschwerde davon abhängt, welche Rolle nach Regel 101 (2) EPÜ in Verbindung mit Regel 99 (1) a) EPÜ oder nach Regel 139 EPÜ der Absicht des Beschwerdeführers zugemessen bzw. nicht zugemessen wird (Nr. 6.2 der Entscheidungsgründe). Das Problem bei einigen Entscheidungen der Kategorie A war, dass die Kammern eine sehr breite Definition von "Mangel" akzeptiert und auf das Konzept der "wirklichen Absicht" zurückgegriffen hatten, um solche Mängel - z. B. auch Abweichungen - als unbeabsichtigt falsche Angabe zu bezeichnen (Nr. 7.1.2 der Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Fall könnte geschlossen werden, dass die Beschwerde im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingelegt wurde und keinen Mangel nach Regel 99 (1) a) EPÜ enthielt, sodass es keinen Grund für die Anwendung der Regel 101 (2) EPÜ gab. Andererseits blieb die Frage offen, ob eine falsche Angabe als heilbarer Mangel im Sinne der Regel 101 (2) EPÜ betrachtet werden kann, weil die Beschwerdeführerin behauptete, die wirkliche Absicht sei gewesen, eine Beschwerde im Namen von Zenon Technology Partnership einzulegen, und dabei ähnliche Argumente vorbrachte, wie sie zur Feststellung der wirklichen Absicht zulässig sind. Daher war ungewiss, ob und - wenn ja - unter welchen Umständen die wirkliche Absicht herangezogen werden kann, um das Vorliegen eines heilbaren Mangels nach Regel 101 (2) in Verbindung mit Regel 99 (1) a) EPÜ zu prüfen. Diese Ungewissheit betrifft die Zulässigkeit der Beschwerde, also eine wichtige Rechtsfrage (Nrn. 7.2 - 7.4 der Entscheidungsgründe).
VII. Mit Schreiben vom 29. Juni 2012, das im Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer vorgelegt wurde, legte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) ihren Standpunkt zu den vier Fragen dar. Ihre Ausführungen zu den Fragen 1 und 3 lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zunächst analysierte sie die Rechtsprechung der Beschwerdekammern und erklärte, die ständige Rechtsprechung zu Regel 65 (2) EPÜ 1973 (R. 101 (2) EPÜ) zeige, dass "Mängel" im Sinne dieser Regel sowohl Fehler im Zusammenhang mit Auslassungen als auch solche im Zusammenhang mit Handlungen einschlössen (z. B. ursprünglich fehlerhafte Angabe von Name und Anschrift des Beschwerdeführers). Alle Informationen in einer Beschwerdeschrift würden einbezogen und nicht losgelöst vom Verfahren, in dem die Beschwerde eingelegt wurde, sondern im Zusammenhang mit diesem Verfahren geprüft. In einigen Fällen würden besondere Faktoren berücksichtigt - beispielsweise, ob die Gesamtrechtsnachfolge automatisch Anwendung finde, oder Aspekte im Zusammenhang mit "gemeinsamen Beschwerdeführern" oder "Gruppenbeteiligten" -, die die Frage der relevanten ständigen Rechtsprechung zu Regel 65 (2) 1973 (R. 101 (2) EPÜ) aufwürfen. Unter all der einschlägigen Rechtsprechung seien die Entscheidungen T 1/97 und insbesondere T 97/98 als repräsentativ zu betrachten, die Schlüsselentscheidungen zum Anwendungsbereich der Regel 65 (2) EPÜ 1973 seien. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) brachte vor, dass diese Rechtsprechung unter den in T 97/98 dargelegten Voraussetzungen eine Berichtigung nach Regel 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973) möglicherweise zulasse, bei der Name und Anschrift eines irrtümlich angegebenen, nicht beschwerdeberechtigten Beschwerdeführers durch Name und Anschrift des richtigen, beschwerdeberechtigten Beschwerdeführers ersetzt würden. Die ständige Rechtsprechung sehe die ausgewogene Anwendung von Regel 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973) vor, die dem Zweck der Regel 99 (1) EPÜ (R. 64 EPÜ 1973) gerecht werde und Artikel 107 EPÜ gebührend Rechnung trage. Es sei kein Grund ersichtlich, diese ständige Rechtsprechung als fehlerhaft oder der gesetzgeberischen Absicht zuwiderlaufend anzusehen.
Ein restriktiverer Ansatz bei der Anwendung der Regel 101 (2) EPÜ, wie er von der vorlegenden Kammer in Betracht gezogen werde, würde die Regel 101 (2) EPÜ zu einem reinen Bürokratieakt degradieren (s. Nr. i, Seite 50). Der Ansatz, wonach kein Mangel im Sinne von Regel 99 (1) a) EPÜ und damit auch kein Grund für die Anwendung der Regel 101 (2) EPÜ vorliege, wenn das Ergebnis eines Fehlers dennoch eine "vollständige" Identität in dem Sinne sei, dass die nach Regel 41 (2) c) EPÜ erforderlichen standardmäßigen formalen Angaben vorhanden seien, würde auf einer völlig "introspektiven" Betrachtung der in einer Beschwerdeschrift angegebenen Identität basieren, d. h. losgelöst vom erstinstanzlichen Verfahren und von der erstinstanzlichen Entscheidung, gegen die die Beschwerde gerichtet sei, und würde die offenkundige Bedeutung von Artikel 107 EPÜ herabsetzen (s. Nr. ii, Seite 51). Schließlich verstieße der Ansatz, dass kein Grund zur Feststellung der "wirklichen Absicht" bestehe, wenn kein "Mangel" im Sinne der Regel 101 (2) EPÜ vorliege, gegen G 2/04, wo die "wirkliche Absicht" ganz offensichtlich bei der Feststellung berücksichtigt worden sei, dass unter den gegebenen Umständen kein Mangel vorliege, der nach Regel 65 (2) EPÜ 1973 beseitigt werden könnte (s. Nr. iii, Seite 52).
So schloss die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin), dass die Frage 1 zu bejahen sei.
Zu Frage 3 brachte sie vor, dass die Anwendbarkeit der Regel 139 EPÜ nicht von der Antwort auf die Frage 1 abhängig sei. Ob ein Antrag gemäß Regel 139 EPÜ auf Berichtigung fehlerhafter Angaben zur Identität des Beschwerdeführers, beispielsweise in der Beschwerdeschrift, von der Kammer in Ausübung ihres Ermessens positiv zu bescheiden sei, hänge von der Einschätzung der Kammer ab. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern müsse im Rahmen dieser Einschätzung die "wirkliche Absicht" berücksichtigt werden.
VIII. Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 legte auch die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) ihren Standpunkt zu den vorgelegten Rechtsfragen dar.
Sie verwies auf einen der allgemeinen Grundsätze eines jeden Verfahrensrechts (im Verfahren vor dem EPA wie vor den Behörden der Vertragsstaaten), wonach die Rechtssicherheit für Dritte gewahrt werden müsse. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Entscheidung müsse für Dritte daher nach einer festgelegten und kurzen Frist unmissverständlich klar sein, ob die betreffende Entscheidung angefochten werden könnte, ob sie tatsächlich angefochten wurde und - wenn ja - von wem, oder ob sie rechtskräftig sei. Regel 101 EPÜ behandle zwei völlig unterschiedliche Arten von Mängeln, nämlich in Absatz 1 die mangelhafte Erfüllung von Erfordernissen, die Rechtssicherheit für Dritte gewährleisten sollten, und in Absatz 2 formale Mängel, die erst zum Tragen kämen, wenn die Rechtssicherheit für Dritte gewahrt worden sei, sodass unmissverständlich klar sei, dass eine Entscheidung tatsächlich zulässigerweise angefochten wurde und von wem. Der Wortlaut der Regel 101 (1) mit dem Verweis auf Artikel 107, der Wortlaut der Regel 101 (2) mit dem Verweis auf Regel 99 (1) a), die wiederum auf Regel 41 (2) c) verweise, und der Wortlaut dieser beiden letztgenannten Regeln seien in allen drei Sprachen des EPÜ völlig unmissverständlich, sodass diese Vorschriften als solche nicht für Interpretationen offen seien und ganz sicher nicht für Interpretationen, die die eindeutige und klar definierte Grenze zwischen Regel 101 (1) und Regel 101 (2) verwischten und - mehr noch - dabei den Grundsatz der Rechtssicherheit für Dritte missachteten. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) schloss daraus, dass die Frage 1 dahin gehend zu beantworten sei, dass der Mangel (die falsche Angabe) nicht im Rahmen von Regel 101 (2) EPÜ beseitigt werden könne.
Bezüglich der Frage 3 argumentierte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende), dass die Regel 101 EPÜ spezielle Vorschriften zur Beseitigung bestimmter Mängel einer Beschwerde - nämlich der in Regel 101 EPÜ genannten - enthalte. Dagegen sei in Regel 139 EPÜ dargelegt, wie sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim EPA eingereichten Unterlagen berichtigt werden könnten. In Anwendung des allgemeinen Grundsatzes "lex specialis derogat legi generali" könne die Regel 139 (lex generalis) zur Berichtigung von sprachlichen Fehlern, Schreibfehlern und Unrichtigkeiten herangezogen werden, wenn - und nur wenn - es sich dabei nicht um Mängel handle, die unter Regel 101 (lex specialis) fielen. Daraus schloss sie, dass die Frage 3 so beantwortet werden müsse, dass der Mangel (die falsche Angabe) nicht im Rahmen von Regel 139 EPÜ berichtigt werden könne.
IX. Die Große Beschwerdekammer forderte den Präsidenten des Europäischen Patentamts gemäß Artikel 9 der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer (VOGBK) auf, sich zu äußern; seine Äußerungen sind, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, nachstehend zusammengefasst.
Zunächst ging der Präsident ausführlich auf die Praxis der erstinstanzlichen Abteilungen bei der Berichtigung der Angaben zur Person des Anmelders oder des Einsprechenden gemäß Regel 139 EPÜ ein, die auf der einschlägigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern basiere und als zufriedenstellend angesehen werde.
Eine Unrichtigkeit in einer beim EPA eingereichten Unterlage liege dann vor, wenn die Unterlage nicht die wirkliche Absicht desjenigen wiedergebe, für den sie eingereicht worden sei. Die Unrichtigkeit könne eine unrichtige Angabe sein oder sich aus einer Auslassung ergeben. Ein Antrag, dass an die Stelle des Anmelders eine Person treten solle, die zum Zeitpunkt der Einreichung der Patentanmeldung auf keinen Fall als Anmelder genannt werden sollte, selbst wenn die Absicht des Anmelders bei der Einreichung auf falschen Annahmen (z. B. einer falschen Einschätzung der Sachlage) basierte, falle nicht unter die Regel 139 EPÜ. Daher müsse zum Zeitpunkt der Einreichung der Anmeldung beim Versuch, der ursprünglichen Absicht Ausdruck zu geben, ein tatsächlicher Irrtum aufgetreten sein.
In Bezug auf die konkreteren Fragen, also auf Fehler bei der Angabe des Beschwerdeführers, wurde darauf hingewiesen, dass die Beschwerdekammern unter den obigen Umständen die Berichtigung der Angaben zum Beschwerdeführer stets zugelassen hätten. Die Kammern seien sich in ihren Entscheidungen aber nicht darüber einig, ob Regel 101 (2) und/oder Regel 139 Satz 1 EPÜ die geeignete Rechtsgrundlage für die Korrektur einer falschen Bezeichnung des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift darstelle. In der Rechtsprechung werde der Schwerpunkt zu Recht auf die wirkliche Absicht des Beteiligten gelegt, weswegen auf der einen Seite die Berichtigung von Fehlern zugelassen werde, auf der anderen Seite aber Versuche zurückgewiesen würden, die Durchsetzung eines Sinneswechsels zu ermöglichen. Diese Rechtsprechung sollte nicht durch einen formalistischeren Ansatz umgestoßen werden. Unabhängig davon, welcher der beiden möglichen Rechtsbehelfe gewählt werde (R. 101 (2) oder R. 139 EPÜ), müssten die Besonderheiten der Fragen der Identität eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren berücksichtigt werden. Im erstinstanzlichen Verfahren sei die richtige Identität des Anmelders oder des Einsprechenden in der Regel nicht ohne Weiteres der Akte zu entnehmen, sodass an die Beweislast für die wirkliche Absicht hohe Anforderungen gestellt werden müssten. Bei einem Fehler bezüglich der Identität eines Beteiligten im Beschwerdeverfahren dagegen führten die in der Akte verfügbaren Informationen in Verbindung mit der Erwartung, dass die Beteiligten angemessen handeln und eindeutig unzulässige Verfahrenserklärungen vermeiden dürften, in der Regel zu einem hohen Maß an Sicherheit bezüglich der Person, in deren Namen die Beschwerde eingelegt werden sollte.
X. Auf eine Aufforderung der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 10 (2) VOGBK an Dritte, Stellungnahmen einzureichen, gingen drei Amicus-curiae-Schriftsätze ein. Der erste stammte von einer Schweizer Privatperson, die auch zugelassener Vertreter vor dem EPA ist. Der zweite und der dritte wurden von europäischen Patentanwaltskanzleien vorgelegt. Sie enthalten umfassende Analysen der einschlägigen Vorschriften des EPÜ und der einschlägigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Die von einem der Dritten übermittelten nationalen Vorschriften wurden ebenfalls berücksichtigt.
XI. Am 17. Oktober 2013 versandte die Große Beschwerdekammer eine Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 6. Februar 2014 nebst einer Mitteilung, in der auf einige Rechtsfragen von potenzieller Bedeutung hingewiesen wurde. Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin legten in ihren am 2. Dezember 2013 bzw. am 13. Januar 2014 eingegangenen Schriftsätzen nochmals kurz ihre Standpunkte dar.
XII. In der mündlichen Verhandlung führten die Beteiligten im Wesentlichen ihre bereits schriftlich vorgelegten Argumente aus.
Zulässigkeit der Vorlage
Nachdem die Frage der Zulässigkeit der Vorlage erstmals von einem der Mitglieder der Großen Beschwerdekammer aufgeworfen worden war, war dies die erste Gelegenheit für die Beteiligten, sich dazu zu äußern.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) erklärte, dass die Vorlage für unzulässig befunden werden könnte, denn aus ihrer Sicht sei in der Rechtsprechung kein Konflikt bezüglich der vorgelegten Fragen erkennbar. Aus den Passagen in G 2/04 (Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe) gehe klar hervor, dass die von den Kammern im Anschluss an die Entscheidung T 97/98 entwickelte Rechtsprechung in diesem Fall angewandt werden könne und die übrigen in G 2/04 genannten Aspekte irrelevant und vielmehr Randthemen seien, die von der Großen Beschwerdekammer in obiter dicta angesprochen worden seien. Somit bestehe keine Unstimmigkeit in der Rechtsprechung der Kammern und keine Notwendigkeit, die in den Vorlagefragen an die Große Beschwerdekammer genannten Aspekte zu klären.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) brachte vor, dass die einschlägige Rechtsprechung nicht alle möglichen Arten von Fehlern bei der Angabe des Namens des Beschwerdeführers abdecke. G 2/04 habe nicht beantwortet, wie der "wirklichen Absicht" Rechnung getragen werden müsse und ob Regel 101 (2) oder Regel 139 EPÜ im Falle eines Fehlers bezüglich der Identität des Beschwerdeführers Anwendung finde (s. Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe). Außerdem habe sich die Große Beschwerdekammer in G 2/04 nicht zu dem von den Kammern in verschiedenen Entscheidungen zu Regel 101 (2) EPÜ angewandten Konzept der "wirklichen Absicht" geäußert und dieses schon gar nicht bestätigt. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass die Anwendung dieses Konzepts dazu führen würde, dass Berichtigungen zugelassen würden, die Artikel 107 EPÜ zuwiderliefen. In Anbetracht der bestehenden Rechtsunsicherheit seien die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen zulässig.
Fragen
Bezüglich der Fragen 1 und 2 brachte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) vor, dass die Entscheidung T 97/98 gegen keine Rechtsvorschrift verstoße und von den Beschwerdekammern in der Folge konsequent angewandt worden sei, sodass ihre Stichhaltigkeit nicht infrage gestellt werden könne. Hätte der Gesetzgeber sie missbilligt, so hätte er wahrscheinlich die Vorschriften des EPÜ geändert. Sie wies darauf hin, dass der Präsident des Amts in seiner Stellungnahme keine Einwände gegen diese Entscheidung erhoben habe. Dagegen erklärte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende), dass die betreffenden Vorschriften, nämlich Regel 101 (1) und (2) sowie Regel 139 EPÜ in Übereinstimmung mit den Artikeln 31 und 32 des Wiener Übereinkommens ausgelegt werden müssten, die die Große Beschwerdekammer immer wieder in verschiedenen Entscheidungen angewandt habe (s. insbesondere G 5/83, G 1/91, G 1/97 und unlängst G 3/08). Lege man Regel 101 (1) in Verbindung mit Artikel 107 EPÜ gemäß Artikel 31 des Wiener Übereinkommens im Lichte ihres "Zieles und Zweckes" aus, so müssten Dritte im Interesse der Rechtssicherheit nach Ablauf der zweimonatigen Beschwerdefrist wissen, wer der Beschwerdeführer sei. Regel 101 (2) EPÜ wiederum betreffe lediglich einfache Fehler im Namen und/oder in der Anschrift und somit keine Mängel bezüglich der Identität des Beschwerdeführers im Sinne von Artikel 107 EPÜ. Daher sei nach Ablauf der Zweimonatsfrist keine Berichtigung mehr möglich, und insbesondere nicht nach dem Mechanismus von Regel 101 (2) EPÜ.
Bezüglich der Frage 3 verwies die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) auf ihr schriftliches Vorbringen, wonach die Berichtigung von Fehlern nach Regel 139 EPÜ unabhängig von der Beantwortung der Frage 1 lediglich die Vorschriften der Regel 101 (2) EPÜ ergänze. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) wiederholte ihre schriftlich vorgebrachten Argumente, dass es sich bei Regel 101 EPÜ um lex specialis handle und Regel 139 EPÜ daher in diesem Fall nicht anwendbar sei. Aus den vorbereitenden Dokumenten zu Regel 88 EPÜ 1973 (der jetzigen R. 139 EPÜ) gehe dies klar hervor, denn die Beschwerdeschrift sei keine "beim Europäischen Patentamt eingereichte Unterlage", sondern vielmehr eine Verfahrenserklärung. Zur Stützung dieser Argumentation führte sie die Erklärungen der Delegationen in BR/135/71, Seiten 30 und 31, Nummern 58 - 61 und M/PR/I, Nummer 2405 an, insbesondere die Anmerkungen der irischen Delegation, und wies ausdrücklich darauf hin, dass die Vorschriften der Regel 88 EPÜ 1973 auf analoge Vorschriften im PCT zurückgingen, wo weder Einspruch noch Beschwerde vorgesehen sei.
XIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung gab der Vorsitzende der Großen Beschwerdekammer bekannt, dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde.
Entscheidungsgründe
Vorbemerkungen zu den anzuwendenden Vorschriften - EPÜ und Ausführungsordnung 1973 oder EPÜ und Ausführungsordnung 2000
1. In dem der Vorlageentscheidung zugrunde liegenden Verfahren entschied die Einspruchsabteilung, das europäische Patent im Anschluss an das Einspruchsverfahren zu widerrufen, das im Januar 2006 nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung am 6. April 2005 eingeleitet worden war, d. h. als das EPÜ 1973 noch in Kraft war. Die Entscheidung datiert aber vom 28. Dezember 2007 und erging somit nach dem Inkrafttreten des EPÜ 2000 am 13. Dezember 2007. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingelegt.
2. Daher ist zunächst zu klären, ob das EPÜ 1973 und seine Ausführungsordnung oder das EPÜ 2000 und seine Ausführungsordnung anwendbar sind.
3. Grundsätzlich sind nach Artikel 1 Nummer 1 Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (Sonderausgabe Nr. 1 zum ABl. EPA 2007, 197) die Artikel 106 und 108 EPÜ in der revidierten Fassung auf die bei ihrem Inkrafttreten anhängigen europäischen Patentanmeldungen und bereits erteilten europäischen Patente anzuwenden. Das hier verfahrensgegenständliche europäische Patent wurde vor dem 13. Dezember 2007 erteilt, sodass nach dem Wortlaut des genannten Beschlusses die Artikel 106 und 108 EPÜ in der revidierten Fassung heranzuziehen sind. Artikel 107 EPÜ ist dagegen in Artikel 1 Nummer 1 Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats nicht genannt, sodass es insoweit gemäß Artikel 7 Absatz 1 Satz 2 der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (vgl. Sonderausgabe Nr. 1 zum ABl. EPA 2007, 196) bei der Anwendung von Artikel 107 EPÜ 1973 verbleibt, wobei diese Vorschrift allerdings unverändert geblieben ist.
4. Richtet sich die Beurteilung der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde nach den genannten Artikeln des EPÜ 1973 und des EPÜ 2000, gilt dies folglich auch für die diesen Vorschriften zugeordneten und diese ausgestaltenden ("ausführenden") Bestimmungen der Ausführungsordnung zum EPÜ. Nach Artikel 2 Satz 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 7. Dezember 2006 zur Änderung der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen 2000 (Sonderausgabe Nr. 1 zum ABl. EPA 2007, 89) ist die Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 auf die bei ihrem Inkrafttreten bereits erteilten europäischen Patente anzuwenden, die dem EPÜ 2000 unterliegen ("Die Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 ist auf alle dem EPÜ 2000 unterliegenden europäischen [...] Patente [...] anzuwenden"; "The Implementing Regulations to the EPC 2000 shall apply to all [...] European patents, [...], in so far as the foregoing are subject to the provisions of the EPC 2000"; "Le règlement d'exécution de la CBE 2000 s'applique à l'ensemble des [...] brevets européens, [...], dans la mesure où ils sont soumis aux dispositions de la CBE 2000"). Damit kann nur gemeint sein, dass eine Regel der Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 dann anzuwenden ist, wenn bzw. soweit der dieser Regel zugeordnete und sie ausgestaltende Artikel des EPÜ 2000 auf die zu behandelnde Anmeldung anwendbar ist. Die anwendbaren Ausführungsbestimmungen sind damit die Regeln 99 und 101 EPÜ, die Artikel 108 EPÜ zugeordnet sind.
5. Die Vorlageentscheidung T 445/08 betrifft die Zulässigkeit der Beschwerde. Die anwendbaren Vorschriften sind somit Artikel 106 und 108 EPÜ 2000, Artikel 107 EPÜ 1973, der im Rahmen der Revision des EPÜ nicht geändert wurde, sowie die Regeln 99 und 101 (1) und (2) EPÜ 2000. Da Artikel 107 EPÜ 1973 durch das EPÜ 2000 nicht geändert wurde, wird diese Vorschrift im Folgenden als "Artikel 107 EPÜ" bezeichnet.
Zulässigkeit der Vorlage
6. Laut Artikel 112 (1) a) EPÜ befasst eine Beschwerdekammer "zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, [...] die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält". Aus dem Wortlaut dieser Vorschrift geht klar hervor, dass eine Befassung der Großen Beschwerdekammer nur dann erfolgen kann, wenn zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung eine Klärung geboten ist oder die vorlegende Kammer im Falle einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Auffassung ist, dass aus diesen Gründen zur Beilegung der Sache eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erforderlich ist.
7. Im vorliegenden Fall betreffen die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen die Zulässigkeit einer Beschwerde, die von einer Person eingelegt wurde, die auf den ersten Blick nicht dazu berechtigt zu sein schien, sowie die im EPÜ zur Beseitigung von Mängeln vorgesehenen Mechanismen, die anwendbar sein könnten, wenn diese Person behauptet, dass dies auf Mängel bei der Angabe des Namens der Beschwerdeführerin zurückzuführen sei.
8. Da die in diesem Fall vorgelegten Rechtsfragen auch die Zulässigkeit der Beschwerde betreffen, muss die Große Beschwerdekammer in der nachstehenden Reihenfolge prüfen, ob die folgenden Anforderungen für die Zulässigkeit der Vorlage erfüllt sind: "Vorlage zur Zulässigkeit der Beschwerde", "einheitliche Rechtsanwendung/Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" und "Notwendigkeit einer Entscheidung". Die Große Beschwerdekammer stellt zunächst fest, dass in dieser Sache die vorlegende Kammer eine Beschwerdekammer im Sinne des Artikels 21 (4) a) EPÜ ist, dass ein Beschwerdeverfahren anhängig ist und dass von ihr eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde erbeten wurde.
"Vorlage zur Zulässigkeit der Beschwerde"
9. Die vorgelegten Rechtsfragen betreffen die Zulässigkeit der Beschwerde. Somit stellt sich die Frage, ob eine Vorlage zu einer Beschwerde, die von der vorlegenden Kammer noch nicht für zulässig befunden wurde, überhaupt zulässig ist. Grundsätzlich setzt eine Vorlage eine zulässige Beschwerde voraus. Wie aber bereits in den Entscheidungen G 8/92 vom 5. März 1993 (Nr. 3 der Entscheidungsgründe) und G 3/99 (ABl. EPA 2002, 347, Nr. 4 der Entscheidungsgründe) festgestellt, geht die Große Beschwerdekammer zwar prinzipiell davon aus, dass eine Vorlage nur dann zulässig ist, wenn die Beschwerde zulässig ist, doch gilt dies nicht, wenn die Zulässigkeit der Beschwerde Gegenstand der Vorlage ist. Ohne diese Ausnahme würde den Kammern in Fällen wie diesem die Möglichkeit genommen, die Große Beschwerdekammer mit Rechtsfragen zu befassen, die für die Zulässigkeit einer Beschwerde von grundsätzlicher Bedeutung sind. Dies würde Artikel 112 (1) a) EPÜ zuwiderlaufen, dem keine derartigen Einschränkungen zu entnehmen sind. Daher kann eine Beschwerdekammer im Sinne des Artikels 21 (4) a) EPÜ der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen zur Zulässigkeit der Beschwerde vorlegen.
"Einheitliche Rechtsanwendung/ Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung"
10. Nach Artikel 112 EPÜ gibt es zwei Gründe, aus denen die Große Beschwerdekammer mit Fragen befasst werden kann. Der erste Grund - die "einheitliche Rechtsanwendung" - kommt zum Tragen, wenn die Kammern voneinander abweichende Entscheidungen erlassen haben oder wenn eine Kammer von der Auslegung oder Erläuterung des EPÜ durch eine oder mehrere Kammern in der früheren Rechtsprechung abweichen will. Der zweite Grund - die "Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" (wo im EPÜ 2000 ausschließlich der englische Wortlaut von "important" in "fundamental importance" geändert wurde, um ihn mit der deutschen und der französischen Fassung in Einklang zu bringen) - setzt voraus, dass eine Kammer der Auffassung ist, dass die Frage nicht unmittelbar und eindeutig unter Bezugnahme auf das EPÜ beantwortet werden kann. Eine Rechtsfrage ist auch von grundsätzlicher Bedeutung, wenn ihre Auswirkungen über den konkreten Einzelfall hinausgehen. Diese Bedeutung ist gegeben, wenn die Rechtsfrage für eine große Zahl vergleichbarer Fälle relevant sein könnte.
11. Im vorliegenden Fall erfüllen fast alle Fragen in der Vorlageentscheidung das Erfordernis, dass sie Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung bezüglich der Zulässigkeit der Beschwerde und der beiden Rechtsverfahren, d. h. Regel 101 (2) und Regel 139 Satz 1 EPÜ, aufwerfen, die potenziell zur Beseitigung von Mängeln bei der Angabe des Beschwerdeführers anwendbar sind. Die Große Beschwerdekammer ist der Auffassung, dass die Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Beschwerde, die von einer Person eingelegt wurde, die auf den ersten Blick nicht dazu berechtigt zu sein scheint, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung betrifft, weil sie für eine potenziell große Zahl von Fällen relevant sein wird und daher nicht nur für die Beteiligten an diesem konkreten Beschwerdeverfahren von enormem Interesse ist. Zudem ist die Klärung dieser Rechtsfrage nicht nur für die Benutzer des europäischen Patentsystems bedeutsam, sondern auch für alle Beschwerdekammern und das EPA selbst, d. h. für die erstinstanzliche Abteilung im Prüfungsverfahren bei der Anwendung der Vorschriften zur Abhilfe (Art. 109 EPÜ), wonach eine Entscheidung unter anderem nur dann korrigiert werden kann, wenn die Beschwerde für zulässig erachtet wurde, und auch für die erstinstanzliche Abteilung im Einspruchsverfahren, da die Vorschriften zur Zulässigkeit des Einspruchs (R. 76 (1) und (2) EPÜ) ähnlich formuliert sind wie die Vorschriften in Regel 101 (1) und (2) EPÜ. In der Tat haben sowohl die am Beschwerdeverfahren Beteiligten als auch der Präsident des Amts in seiner Stellungnahme auf die ähnliche Formulierung von Regel 76 (1) und (2) und Regel 101 (1) und (2) EPÜ hingewiesen und Argumente zur Rechtslage in den beiden Fällen vorgebracht.
12. Das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung ist im vorliegenden Fall ebenfalls erfüllt:
Laut der Analyse der vorlegenden Kammer wurde in einigen Entscheidungen aus der Rechtsprechung die Beseitigung von Mängeln bei der Angabe des Namens des Beschwerdeführers gemäß Regel 101 (2) EPÜ zugelassen, und zwar unter Anwendung einer breiten Definition des Begriffs "Mangel", unter Rückgriff auf das subjektive Konzept der "wirklichen Absicht", das einer eingehenden Prüfung durch die Kammer bedarf, und durch Einführung der Möglichkeit, "den Angaben in der Beschwerdeschrift, erforderlichenfalls mithilfe sonstiger aktenkundiger Informationen, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, von wem die Beschwerde hätte eingelegt werden sollen" (vgl. dazu Nrn. 7.2 bis 7.4 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung). Dagegen haben die Kammern in anderen Entscheidungen zu vergleichbaren Fällen Regel 139 Satz 1 EPÜ angewandt, ohne eine Feststellung zum Verfahren für die Beseitigung von Mängeln gemäß Regel 101 (2) EPÜ zu treffen (s. beispielsweise T 964/98 vom 22. Januar 2002). In diesen Fällen wurde der Fehler ausschließlich auf der Grundlage der "wirklichen Absicht" des Antragstellers berichtigt.
13. Außerdem wollte die vorlegende Kammer möglicherweise eine andere Richtung einschlagen als in den Entscheidungen, in denen das Verfahren nach Regel 101 (2) EPÜ für die Berichtigung eines falschen Namens angewandt wurde. In Nummer 3 der Entscheidungsgründe erklärte sie Folgendes: "Tendenziell kann die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin zustimmen, dass unter den vorliegenden Umständen keine Mängel hinsichtlich der Erfordernisse der Regeln 101 (2) und 99 (1) a) EPÜ bestehen. Letztere definiert unter Einbeziehung der Regel 41 (2) c) EPÜ die standardmäßigen formalen Angaben, die zum Ausfüllen der Beschwerdeschrift erforderlich sind und die Nennung des Beschwerdeführers ermöglichen. In Artikel 107 EPÜ hingegen ist ein Zulässigkeitserfordernis festgelegt, das der Beschwerdeführer - nachdem er genannt ist - erfüllen muss, um beschwerdeberechtigt zu sein."
"Notwendigkeit einer Entscheidung"
14. Laut Artikel 112 (1) a) EPÜ ist die Große Beschwerdekammer nur zu befassen, wenn ihre Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung der vorlegenden Kammer in der konkreten, ihr vorliegenden Sache von der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abhängig ist. Im vorliegenden Fall betreffen die vorgelegten Fragen die Zulässigkeit der Beschwerde. Da die vorlegende Kammer auf jeden Fall über diese Frage entscheiden muss, ist die Große Beschwerdekammer davon überzeugt, dass eine Entscheidung über die Vorlage erforderlich ist.
15. In Anbetracht der obigen Ausführungen ist die Vorlage zulässig.
Eine Minderheit der Großen Beschwerdekammer vertritt bezüglich der Zulässigkeit der Vorlage eine andere Meinung, die am Ende dieser Entscheidung dargelegt wird.
Vorlagefragen
16. Frage 1
"Wenn eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, ist dann ein Antrag, stattdessen diese andere juristische oder natürliche Person anzugeben, als Beseitigung von "Mängeln" im Sinne der Regel 101 (2) EPÜ zulässig?"
Bei Auslegung dieser Frage vor dem Hintergrund der Nummern 7.3 bis 7.11 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung ist die Große Beschwerdekammer der Auffassung, dass eigentlich Folgendes gefragt wird:
Wenn eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, ist es dann möglich, diesen Fehler auf einen Antrag hin, den Namen durch den Namen des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen, nach Regel 101 (2) EPÜ zu korrigieren?
Daher betrifft die Vorlagefrage nicht nur die Zulässigkeit des Antrags als solche, sondern auch die Frage, ob ein derartiger Antrag eine mögliche Erwiderung auf eine Mitteilung nach Regel 101 (2) EPÜ ist, und damit indirekt, ob im Falle eines solchen Fehlers die Kammer eine Mitteilung nach Regel 101 (2) EPÜ erlassen kann.
Analyse der Vorschriften zur Zulässigkeit der Beschwerde
17. Die Artikel 106, 107 und 108 EPÜ regeln die Bedingungen für die Zulässigkeit der Beschwerde. Artikel 106 EPÜ (Beschwerdefähige Entscheidungen) bestimmt, welche Entscheidungen welcher Organe des EPA mit der Beschwerde anfechtbar sind. Artikel 107 EPÜ (Beschwerdeberechtigte und Verfahrensbeteiligte) - der für diese Vorlage relevanteste Artikel - sieht vor, dass jeder Verfahrensbeteiligte, der durch eine Entscheidung beschwert ist, Beschwerde einlegen kann. Artikel 108 EPÜ (Frist und Form) regelt, wie und insbesondere wann die Beschwerdeschrift und die Beschwerdebegründung eingereicht werden müssen.
18. Die Artikel 106, 107 und 108 EPÜ 1973 regeln die Voraussetzungen, die bei Ablauf der zweimonatigen Frist für die Einlegung der Beschwerde bzw. der viermonatigen Frist für die Begründung der Beschwerde erfüllt sein müssen, damit die Beschwerde als zulässig angesehen werden kann. Sind diese Voraussetzungen bei Fristablauf nicht erfüllt, ist die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (s. Regel 101 (1) EPÜ). Sinn der Befristung für die Erfüllung der in den Vorschriften genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beschwerde ist, dass bei Fristablauf feststehen und feststellbar sein soll, ob die Beschwerde zulässig ist, und das Verfahren der Beurteilung der Beschwerde in der Sache durch die Beschwerdekammer eröffnet wird. Folglich kann dafür, ob eine Beschwerde nach Vorschriften als zulässig angesehen werden kann, die auf die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist abstellen, allein die Sach- und Rechtslage bei Fristablauf maßgebend sein.
19. Regel 101 (1) und (2) EPÜ enthält die Vorschriften zur Umsetzung unter anderem der Artikel 106 bis 108 EPÜ einschließlich spezifischer Bestimmungen zur Beurteilung der Zulässigkeit von Beschwerden. Bezüglich der Verwerfung einer Beschwerde als unzulässig und der Ausräumung eines Unzulässigkeitsgrunds, der sich insbesondere aus der Nichterfüllung der in diesen Artikeln festgelegten Bedingungen ergibt, sieht Regel 101 (1) EPÜ Folgendes vor: Entspricht die Beschwerde nicht den Artikeln 106, 107 und 108 EPÜ, so verwirft die Beschwerdekammer sie als unzulässig, sofern die Mängel nicht vor Ablauf der Fristen nach Artikel 108 EPÜ beseitigt worden sind.
20. Artikel 108 EPÜ nennt jedoch zwei verschiedene Fristen. Die erste ist in den Sätzen 1 und 2 dargelegt und ermöglicht es dem Beschwerdeführer, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung einer Entscheidung Beschwerde einzulegen, indem er die Beschwerdeschrift einreicht. Vor Ablauf dieser Zweimonatsfrist müssen mehrere wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein, die in den Artikeln 106 bis 108 EPÜ festgelegt sind: Angabe der angefochtenen Entscheidung (Art. 106 in Verbindung mit R. 99 (1) b) EPÜ), Angabe des Beschwerdeführers (Art. 107 in Verbindung mit R. 99 (1) a) EPÜ) und Einreichung der Beschwerdeschrift gemäß den in der Ausführungsordnung vorgeschriebenen Voraussetzungen unter Entrichtung der Beschwerdegebühr. Als zweite Frist sieht Artikel 108 EPÜ Satz 3 vor, dass innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung die Beschwerdebegründung einzureichen ist. Nachdem ausdrücklich vorgeschrieben ist, dass der Beschwerdeführer (mit Name und Anschrift) in der Beschwerdeschrift genannt sein muss, muss die Beteiligtenstellung natürlich innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ feststehen, weil dies der maßgebliche Zeitraum im Sinne von Regel 101 (1) EPÜ ist. Andernfalls wird die Beschwerde für unzulässig befunden, "sofern die Mängel nicht vor Ablauf der Fristen nach Artikel 108 [EPÜ] beseitigt worden sind". Mit anderen Worten muss die Identität des wahren Beschwerdeführers, d. h. der Person, in deren Namen die Beschwerde tatsächlich eingelegt wurde, spätestens bei Ablauf der Zweimonatsfrist gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ feststehen.
21. Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass der Beschwerdeführer innerhalb der Zweimonatsfrist nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ identifizierbar sein muss. Das EPÜ sieht vor, dass der Beschwerdeführer innerhalb dieser Frist unmittelbar identifizierbar ist, damit verschiedene Vorschriften Anwendung finden können. Je nachdem, wer der Beschwerdeführer ist, könnte er berechtigt sein, die Beschwerdeschrift in einer anderen Sprache als in einer Amtssprache des EPA einzureichen (Art. 14 (4) EPÜ), und für ihn könnten Vertretungserfordernisse gemäß Artikel 133 (2) oder (3) EPÜ gelten. Auch müssen die allgemeinen Erfordernisse in Bezug auf die Rechtsfähigkeit und die Beschwerdebefugnis dieser Person erfüllt sein. Ob dies der Fall ist und ob die genannten Vorschriften Anwendung finden, kann nicht von der nachträglichen Vorlage von Nachweisen für seine Identität abhängig sein, weswegen er innerhalb der Beschwerdefrist identifizierbar sein muss. Dies ergibt sich nicht nur aus den einschlägigen Vorschriften des EPÜ, sondern wurde auch in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern einhellig bestätigt.
22. Regel 101 (2) EPÜ hingegen sieht Folgendes vor: Stellt die Beschwerdekammer fest, dass die Beschwerde Regel 99 Absatz 1 a) EPÜ nicht entspricht, so teilt sie dies dem Beschwerdeführer mit und fordert ihn auf, innerhalb einer zu bestimmenden Frist die festgestellten Mängel zu beseitigen. Werden diese nicht rechtzeitig beseitigt, so verwirft die Beschwerdekammer die Beschwerde als unzulässig. Regel 101 (2) EPÜ zum Verfahren für die Berichtigung von Name und Anschrift des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Erfordernisse der Regel 41 (2) c) EPÜ könnte angewandt werden, wenn die Beschwerdeschrift, die Beschwerdebegründung oder ein anderes, später vom Beschwerdeführer vorgelegtes Dokument (was aus dem Begriff "Beschwerde" in R. 101 (2) EPÜ eindeutig hervorgeht, der als "die Beschwerde insgesamt" zu verstehen ist - s. T 715/01, a. a. O., Nr. 10 der Entscheidungsgründe) mit einem Mangel behaftet ist, sofern die Identität des Beschwerdeführers bereits innerhalb der oben erwähnten Zweimonatsfrist festgestellt worden ist. Mit anderen Worten ist sie auf Mängel anzuwenden, die nicht die Feststellung der wahren Identität des Beschwerdeführers als solchem beeinträchtigen, wie z. B. Rechtschreibfehler oder die unvollständige Angabe des Namens des Beschwerdeführers.
23. Aus dieser Analyse der Vorschriften können folgende Schlüsse gezogen werden:
a) In Anbetracht des in Regel 101 (1) EPÜ enthaltenen ausdrücklichen Verweises auf Artikel 107 EPÜ und der Möglichkeit, Mängel nur innerhalb der zweimonatigen Beschwerdefrist nach Artikel 108 Satz 1 EPÜ zu beseitigen, muss die Identität des Beschwerdeführers, d. h. der beschwerdeberechtigten Person, spätestens bis zum Ablauf der in Artikel 108 Satz 1 EPÜ vorgeschriebenen Zweimonatsfrist feststehen.
b) Eine Person, die eine Beschwerdekammer mit einer Beschwerde befasst, muss also innerhalb der in Artikel 108 Satz 1 EPÜ vorgeschriebenen Zweimonatsfrist ihren locus standi nachweisen; ansonsten wird die Beschwerde für unzulässig erklärt. Diese Person ist berechtigt, innerhalb derselben Frist auf eigene Initiative einen Unzulässigkeitsgrund auszuräumen.
c) Regel 101 (2) EPÜ betrifft Mängel bezüglich der Angabe von Name und Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 99 (1) a) EPÜ. Diese können nach Aufforderung durch die Beschwerdekammer unabhängig von den Fristen gemäß Artikel 108 EPÜ beseitigt werden.
Rechtsprechung der Beschwerdekammern und Auslegung von Regel 101 (2) EPÜ
24. In der Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird die Regel 101 (2) EPÜ (die frühere R. 65 (2) EPÜ 1973) so ausgelegt, dass eine Berichtigung der Angaben zur Person des Beschwerdeführers unter den dort festgelegten Bedingungen innerhalb einer in der Mitteilung festgelegten Frist zulässig ist, auch wenn die in Artikel 108 EPÜ vorgesehenen Beschwerdefristen bereits abgelaufen sind.
25. Diese Rechtsprechung wurde mit drei Entscheidungen geschaffen, die in der Vorlageentscheidung angeführt sind: T 340/92, T 1/97 und T 97/98 (alle a. a. O.); ihr wurde in verschiedenen anderen Entscheidungen gefolgt, in denen in der Regel auf T 97/98, die im Amtsblatt des EPA veröffentlichte Entscheidung, verwiesen wurde.
Dieser Rechtsprechung liegt folgende Argumentation zugrunde:
26. Laut Regel 99 (1) a) EPÜ muss die Beschwerdeschrift den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthalten. Neben den verwaltungstechnischen Zwecken besteht der Zweck dieser Vorschrift darin, zu gewährleisten, dass der Beschwerdeführer identifiziert und so festgestellt werden kann, ob die Beschwerde von einem Verfahrensbeteiligten im Sinne des Artikels 107 EPÜ eingelegt wurde oder nicht (s. T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). Mängel einschließlich der Notwendigkeit, den Namen der angegebenen Person durch einen anderen zu ersetzen, und fehlende Angaben im Namen oder in der Anschrift des Beschwerdeführers können nach Aufforderung durch die Beschwerdekammer auch nach Ablauf der in Artikel 108 EPÜ vorgesehenen Zweimonatsfrist nach Maßgabe von Regel 101 (2) Satz 1 EPÜ behoben werden (s. T 1/97, a. a. O., Nr. 1.1 der Entscheidungsgründe und T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). Laut der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Behebung des Mangels oder der fehlenden Angabe aber nur möglich, wenn sie "keine nachträgliche Meinungsänderung zur Person des Beschwerdeführers widerspiegelt" (s. T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe), d. h. der Beschwerdeführer muss innerhalb dieser Beschwerdefrist ausreichend identifizierbar sein (s. T 1/97, a. a. O., Nr. 1.1 der Entscheidungsgründe und T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). Dies ist der Fall, wenn "den Angaben in der Beschwerdeschrift, erforderlichenfalls mit Hilfe sonstiger aktenkundiger Informationen, wie sie z. B. in der angefochtenen Entscheidung zu finden sind, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entnommen werden kann, wer als Beschwerdeführer gelten soll" (T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe; s. auch T 1/97, a. a. O., Nr. 1.1 der Entscheidungsgründe und die dortige Bezugnahme auf weitere Entscheidungen).
27. Mit anderen Worten kann eine unrichtige Bezeichnung des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift nach Maßgabe von Regel 101 (2) EPÜ berichtigt werden, sofern der Beschwerdeführer identifizierbar war, d. h. die Bedingungen bezüglich des beschwerten Beteiligten in Artikel 107 und Regel 101 (1) EPÜ bei Ablauf der Zweimonatsfrist erfüllt waren, sodass die Berichtigung nur das zum Ausdruck bringt, was beim Einlegen der Beschwerde innerhalb dieser Frist beabsichtigt war.
28. Aus der Begründung von T 97/98 ergibt sich, dass die Kammer im Falle eines Mangels in Bezug auf die Identität des Beschwerdeführers die wirkliche Absicht des Beschwerdeführers auf der Grundlage der in der Beschwerdeschrift enthaltenen oder anderweitig aktenkundigen Informationen feststellen, d. h. ermitteln muss, wer aller Wahrscheinlichkeit nach als derjenige zu gelten hat, der die Beschwerde eingelegt hat, und somit den in der Beschwerdeschrift angegebenen Namen durch den einer anderen natürlichen oder juristischen Person ersetzen muss.
29. Die Große Beschwerdekammer kann sich dieser Rechtsprechung voll und ganz anschließen, wonach die unrichtige Angabe der Identität des Beschwerdeführers ein Mangel ist, der beseitigt werden kann, sofern diese "Berichtigung keine nachträgliche Meinungsänderung zur Person des Beschwerdeführers widerspiegelt, sondern vielmehr nur zum Ausdruck bringt, was beim Einlegen der Beschwerde beabsichtigt war" (s. T 97/98, a. a. O., Nr. 1.3 der Entscheidungsgründe). Laut der ständigen Rechtsprechung kann die Kammer auf den Mangel in der Mitteilung nach Regel 101 (2) EPÜ hinweisen, die sich auf Mängel bei Name oder Anschrift in der Beschwerdeschrift oder auch in der Beschwerdebegründung bezieht. Die Große Beschwerdekammer sieht keinen Grund, eine Berichtigung in Erwiderung auf eine Mitteilung nach Regel 101 (2) EPÜ nicht zuzulassen, in der auf Mängel bei Name oder Anschrift des Beschwerdeführers hingewiesen wird. Auf eine solche Mitteilung hin kann die ursprüngliche Angabe der Identität des Beschwerdeführers mit dem richtigen Namen in Übereinstimmung gebracht werden, beispielsweise durch einen Antrag auf Ersetzung eines falsch angegebenen Namens durch den richtigen Namen des wahren Beschwerdeführers. Natürlich muss der Nachweis der wirklichen Absicht, im Namen welcher natürlichen oder juristischen Person die Beschwerde eingelegt werden sollte, erbracht und von der betreffenden Kammer bewertet werden. Dies steht auch in Einklang mit der Entscheidung in G 2/04 (a. a. O., Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe). Daher sieht die Große Beschwerdekammer keinen Grund, von der Rechtsprechung abzuweichen, an die sich die Kammern halten.
30. Somit wird die oben umformulierte Frage 1 - nämlich ob es in dem Fall, dass eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, möglich ist, diesen Fehler nach Regel 101 (2) EPÜ auf einen Antrag hin zu korrigieren, den Namen durch den des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen - bejaht, sofern die Erfordernisse der Regel 101 (1) EPÜ erfüllt sind.
31. Frage 2
"Wenn die Frage bejaht wird, welche Art von Beweismittel kommt als Nachweis der wirklichen Absicht in Betracht?"
Bei der Vorlagefrage geht es darum, welche Art von Beweismittel als Nachweis der wirklichen Absicht erforderlich ist. Generell ist zu betonen, dass im Verfahren vor dem EPA der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Anwendung findet. Dies gilt auch für den vorliegenden Problemkreis. Die Große Beschwerdekammer hat in G 3/97 (ABl. EPA 1999, 245, Nr. 5 der Entscheidungsgründe) und G 4/97 (ABl. EPA 1999, 270, Nr. 5 der Entscheidungsgründe) darauf hingewiesen, dass es "in Widerspruch [mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung] stünde, feste Beweisregeln aufzustellen, nach denen bestimmten Beweismitteln eine bestimmte Überzeugungskraft beigemessen oder abgesprochen wird". Die Große Beschwerdekammer sieht keinen Grund, im vorliegenden Fall von diesem Grundsatz abzugehen und Leitlinien für dessen Anwendung zu geben.
32. Frage 3
"Wenn die erste Frage verneint wird, kann dann gleichwohl die Absicht des Beschwerdeführers eine Rolle spielen und die Anwendung der Regel 139 EPÜ rechtfertigen?"
Auch wenn die Frage 1 bejaht wurde, möchte die Große Beschwerdekammer die Frage 3 beantworten, ob Regel 139 Satz 1 EPÜ Anwendung finden kann, wenn der Name des Beschwerdeführers falsch angegeben war und die beantragte Berichtigung den "Wechsel" des Beschwerdeführers umfasst. Zu dieser Frage haben sich die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) und die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) umfassend geäußert und unterschiedliche Standpunkte vertreten.
33. Zunächst ist zu betonen, dass Regel 139 EPÜ die Berichtigung von Mängeln in den beim EPA eingereichten Unterlagen betrifft. Dies ist Kapitel VI des Siebenten Teils der Ausführungsordnung zum EPÜ zu entnehmen, das die Regeln 137 bis 140 EPÜ umfasst. Der Siebente Teil der Ausführungsordnung zum EPÜ ist dem Siebenten Teil des EPÜ (Artikel 113 bis 134a EPÜ) zuzuordnen, der mit "Gemeinsame Vorschriften" überschrieben ist.
34. Berichtigt werden können nach Regel 88 Satz 1 EPÜ "sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen". Diese Aufzählung und die Überschrift der Regel (Berichtigung von Mängeln in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen) machen deutlich, dass sich die Bestimmung auf Fälle bezieht, in denen eine fehlerhafte Ausdrucksweise in einer Erklärung vorliegt oder in denen eine Unrichtigkeit in einer Unterlage auf einen Fehler zurückzuführen ist.
35. Da diese Regel auf alle beim EPA eingereichten Unterlagen Anwendung findet, sieht die Große Beschwerdekammer keinen Grund, warum sie nicht auch auf Beschwerden Anwendung finden sollte.
36. Satz 1 der Regel 88 EPÜ 1973 bzw. der jetzigen Regel 139 EPÜ (gleichen Wortlauts) findet allgemein Anwendung (s. J 4/85, ABl. EPA 1986, 205 und die spätere Rechtsprechung). Dies ergibt sich eindeutig aus der Struktur des EPÜ, so wie sie der Gesetzgeber vorgesehen hat, wobei Regel 139 EPÜ im Teil mit den "Gemeinsamen Vorschriften" verblieben ist, wo sie bereits im EPÜ 1973 gewesen war.
37. Die Beschwerdekammern und insbesondere die Juristische Beschwerdekammer haben eine umfangreiche Rechtsprechung zu Berichtigungen gemäß Regel 88 Satz 1 EPÜ 1973 (R. 139 Satz 1 EPÜ) entwickelt und folgende Grundsätze aufgestellt:
a) Die Berichtigung muss der ursprünglichen Absicht entsprechen. Beispielsweise kann sich ein Anmelder, der eine bei der ursprünglichen Anmeldung nicht beabsichtigte Benennung hinzufügen möchte, nicht auf Regel 88 Satz 1 EPÜ 1973 berufen (J 8/80, ABl. EPA 1980, 293, insbesondere Nr. 7 der Entscheidungsgründe). Die Möglichkeit der Berichtigung darf nicht dazu benutzt werden, einem Beteiligten, der seine Meinung geändert oder seine Pläne weiter ausgestaltet hat, die Durchsetzung seiner neuen Vorstellungen zu ermöglichen (J 8/80, a. a. O., Nr. 6 der Entscheidungsgründe; J 6/91, ABl. EPA 1994, 349). Zu berücksichtigen ist die wirkliche und nicht die mutmaßliche Absicht des Beteiligten.
b) Ist die ursprüngliche Absicht nicht sofort erkennbar, so trägt der Antragsteller die Beweislast, an die hohe Anforderungen gestellt werden müssen (J 8/80, a. a. O., Nr. 6 der Entscheidungsgründe).
c) Der zu berichtigende Fehler kann eine unrichtige Angabe sein oder sich aus einer Auslassung ergeben.
d) Der Berichtigungsantrag muss unverzüglich gestellt werden.
Außerdem ist eine zulässige Berichtigung nach Regel 139 EPÜ rückwirkend (J 4/85, a. a. O., Nr. 13 der Entscheidungsgründe; dies wurde in mehreren späteren Entscheidungen bestätigt, z. B. J 2/92, ABl. EPA 1994, 375, Nr. 5.2.2 der Entscheidungsgründe; J 27/96 vom 16. Dezember 1998, Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe; J 6/02 vom 13. Mai 2004, Nr. 2 der Entscheidungsgründe; J 23/03 vom 13. Juli 2004, Nr. 2.2.1 der Entscheidungsgründe; J 19/03 vom 11. März 2005, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
38. Wenn also die Berichtigung des Fehlers zulässig ist, wird die Beschwerde für zulässig erachtet, und die Bedingung des Artikels 107 EPÜ gilt als innerhalb der Zweimonatsfrist gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ erfüllt.
39. Die Große Beschwerdekammer kann sich dem von der Beschwerdegegnerin (Einsprechenden) vorgebrachten Argument nicht anschließen, wonach unter Anwendung des allgemeinen Grundsatzes "lex specialis derogat legi generali" ausschließlich Regel 101 EPÜ anwendbar sei, weil diese in Bezug auf Regel 139 EPÜ, die als "lex generalis" zu betrachten sei, "lex specialis" sei. Von den obigen Ausführungen einmal abgesehen, kann die Große Beschwerdekammer dem Wortlaut der Regel 139 EPÜ keinen Hinweis darauf entnehmen, dass diese allgemein anwendbare Vorschrift auf Ausnahmebestimmungen verweisen würde. Die Verfasser des EPÜ haben im Wortlaut der Regel 139 EPÜ keinen einführenden oder abschließenden Vorbehalt verwendet, der definitionsgemäß auf eine spezifische Vorschrift verweist, die die allgemeine Vorschrift ausschließt. Dies ist beispielsweise in Regel 100 (1) EPÜ (der früheren R. 66 (1) EPÜ 1973) der Fall, wonach die Vorschriften für das Verfahren vor der Stelle, die die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung erlassen hat, im Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden sind, "soweit nichts anderes bestimmt ist". Diesbezüglich hat die Große Beschwerdekammer in G 6/95 (ABl. EPA 1996, 649) entschieden, dass die für das erstinstanzliche Verfahren geltenden Vorschriften der Regel 71a (1) EPÜ 1973 (der jetzigen R. 116 (1) EPÜ) im Rahmen von Beschwerdeverfahren nicht zur Anwendung kommen, da für das Verfahren vor den Beschwerdekammern andere Bestimmungen gelten, nämlich die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK). Andere Bestimmungen des EPÜ, beispielsweise die Regeln 5 Satz 2, 109 (1) Satz 1, 131 (2) Satz 2, 132 (2) Satz 1 und 137 (1) EPÜ, verweisen auf besondere Bestimmungen und lassen klar erkennen, dass der Gesetzgeber eine allgemeine Vorschrift um eine oder mehrere spezifische Vorschriften ergänzen wollte, die davon "abweichen". In Regel 139 EPÜ hat der Gesetzgeber eindeutig keine Formulierung aufgenommen, die darauf hindeutet, dass diese ein oder mehrere spezifische Vorschriften enthält, die von der allgemeinen Vorschrift abweichen. Die Große Beschwerdekammer gelangt daher zu der Auffassung, dass Regel 139 EPÜ - wie oben angegeben - allgemein anwendbar ist. Außerdem hat die Juristische Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung J 4/85 (a. a. O., Nr. 13 der Entscheidungsgründe) erklärt, dass eine andere Vorschrift (in diesem Fall R. 43 EPÜ 1973) die Vorschriften von Regel 88 EPÜ 1973 nur ergänzen kann.
40. Aus den obigen Gründen lautet die Antwort der Großen Beschwerdekammer auf die Frage 3, dass im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers das allgemeine Verfahren für die Berichtigung von Mängeln nach Regel 139 Satz 1 EPÜ greift. Die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Anwendung von Regel 88 Satz 1 EPÜ 1973 und/oder Regel 139 Satz 1 EPÜ liefert die notwendigen Anhaltspunkte für deren Anwendung im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers.
41. Frage 4
"Wenn die Fragen 1 und 3 verneint werden, gibt es noch andere Möglichkeiten als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (falls anwendbar)?"
In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 und 3 muss die Frage 4 nicht beantwortet werden.
Minderheitsmeinung zur Zulässigkeit der Vorlage
42. Aus der Sicht der Minderheit ist diese Vorlage unzulässig, weil aus der Vorlageentscheidung nicht die Notwendigkeit hervorgeht, dass zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder zur Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ergehen müsste.
43. Die Minderheit ist der Auffassung, dass die Rechtslage spätestens seit der Entscheidung T 97/98 (a. a. O.) klar ist. Die Analyse dieser Entscheidung und anderer, späterer Entscheidungen, in denen deren Grundsätze mitunter auch weiterentwickelt wurden, durch die vorlegende Kammer (s. Nrn. 5.3 bis 5.8 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung) ist eine hervorragende Beurteilung der einschlägigen Rechtsprechung und zeigt (s. insbesondere Nr. 5.8 der Entscheidungsgründe), wie die vorlegende Kammer auf der Grundlage der Rechtsprechung ohne die jetzige Vorlage zu einer Entscheidung hätte gelangen können. Die vorlegende Kammer erklärt in ihrer Entscheidung (s. Nrn. 5.9 bis 5.9.7 der Entscheidungsgründe), dass es in der Rechtsprechung auch einen anderen Trend gebe, und nennt in diesem Zusammenhang drei Fälle, nämlich G 2/04, T 128/10 und T 656/98 (alle a. a. O.). Nach Auffassung der Minderheit zeigen diese drei Fälle aber keinen anderen Trend auf, sondern betreffen ganz andere Fragen.
44. In G 2/04 ging es nicht um die Frage der Identität der Beschwerdeführerin per se, sondern darum, ob die Einsprechendenstellung entgegen der bisherigen Rechtsprechung frei übertragbar ist. Der Vorlage an die Große Beschwerdekammer (T 1091/02, ABl. EPA 2005, 14) lag seinerzeit der folgende Sachverhalt zugrunde:
"Im Verfahren, das zur Vorlage führte, waren zwei Einsprüche im Namen von Akzo Nobel N.V. und Vysis Inc. eingelegt worden. Nach Zurückweisung der Einsprüche wurde am 25. Oktober 2002 im Namen von bioMérieux B.V. Beschwerde eingelegt. Es wurde vorgebracht, dass bioMérieux B.V. mittlerweile Eigentümerin des Geschäftsbereichs Diagnostik von Akzo Nobel N.V. sei, auf den sich der Einspruch beziehe. Als Vorsichtsmaßnahme für den Fall, dass die Beschwerde im Namen von bioMérieux B.V. für unzulässig befunden würde, wurde beantragt, die Beschwerde als im Namen von Akzo Nobel N.V. eingereicht zu betrachten.
In einer beigefügten Erklärung wurde erläutert, dass der Geschäftsbereich Diagnostik der Akzo Nobel in ihrer Tochtergesellschaft Organon Teknika B.V. zusammengefasst gewesen sei. Infolge einer Umstrukturierung innerhalb von Akzo Nobel N.V. sei mit Wirkung vom 30. Juni 2001 eine Vereinbarung geschlossen worden, den Geschäftsbereich Diagnostik der Organon Teknika B.V. von Akzo Nobel N.V. auf bioMérieux S.A. zu übertragen. Den Einspruch habe Akzo Nobel N.V. im Interesse ihres europäischen Geschäftsbereichs Diagnostik eingelegt, der für sie von ihrem Unternehmensbereich Organon Teknika B.V. geführt worden sei. Die gesamten Aktien der Organon Teknika B.V. seien auf bioMérieux S.A. übertragen worden, die nunmehr 100%ige Eigentümerin der Organon Teknika B.V. sei, deren Namen jetzt bioMérieux B.V. laute" (s. G 2/04, Nr. II).
44.1 Die nun vorlegende Kammer verweist auf folgende Auffassungen der Großen Beschwerdekammer in Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe von G 2/04 und zieht daraus ihre Schlussfolgerungen:
"Die Große Beschwerdekammer stellte fest, dass die Einsprechende Akzo Nobel N.V., die in der mit der Einspruchsschrift eingereichten Erklärung eindeutig als Einsprechende genannt war, nicht als Beschwerdeführerin angegeben war, sondern bioMérieux (Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe). Dies entsprach auch der wirklichen Absicht des Verfassers der Erklärung. Die Große Beschwerdekammer erklärte weiter, dass nach der ständigen Rechtsprechung unter diesen Umständen weder ein Mangel vorlag, der nach Regel 64 a) in Verbindung mit Regel 65 (2) EPÜ 1973 beseitigt werden konnte, noch ein Mangel, der gemäß Regel 88 EPÜ 1973 berichtigt werden könnte (Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe).
Daraus kann die [vorlegende] Kammer somit nicht schließen, dass die Große Beschwerdekammer den allgemeinen Aussagen von T 97/98 bzw. T 715/01, in der diese Aussagen angewandt wurden, wirklich gefolgt ist. So zog die Große Beschwerdekammer folgenden Schluss: 'Angesichts des übergeordneten Interesses, dass ein Beteiligter identifizierbar sein muss, sieht die [Große Beschwerde-]Kammer keinen Grund, den Anwendungsbereich von Regel 65 (2) oder Regel 88 Satz 1 EPÜ [1973] auszudehnen' (Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe)" (s. Nrn. 5.9.1 und 5.9.2 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung).
44.2 Aus der Sicht der Minderheit ist diese Argumentation in zweierlei Hinsicht rechtlich nicht schlüssig. In Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe von G 2/04 befand die Große Beschwerdekammer tatsächlich Folgendes:
"Die mit der Einspruchsschrift eingereichte Erklärung zur Rechtspersönlichkeit der (ersten) Beschwerdeführerin ist ganz eindeutig und lässt keinen Spielraum für Interpretationen. Darin ist nicht die Einsprechende Akzo Nobel N.V. als Beschwerdeführerin genannt, sondern bioMérieux B.V., was auch der wirklichen Absicht des Verfassers der Erklärung entsprach. Nach der ständigen Rechtsprechung liegt in einem solchen Fall weder ein Mangel vor, der nach Regel 64 a) in Verbindung mit Regel 65 (2) EPÜ beseitigt werden kann (Einzelheiten s. T 97/98, ABl. EPA 2002, 183 - Spinnverfahren/MINNTECH, Nrn. 1.3 ff. der Entscheidungsgründe), noch ein Mangel, der gemäß Regel 88 Satz 1 EPÜ berichtigt werden könnte (T 964/98 vom 22. Januar 2002, nicht im ABl. EPA veröffentlicht - Purines/MERRELL, Nr. 1 der Entscheidungsgründe)."
Dies ist nichts anderes als eine Demonstration der Anwendung des Grundsatzes aus T 97/98: Da die Identität der Beschwerdeführerin "ganz eindeutig [war] und keinen Spielraum für Interpretationen" ließ, lag - anders als in T 97/98 - kein zu beseitigender Mangel und kein zu berichtigender Fehler vor. Wie in T 97/98 dargelegt, wurde die wirkliche Absicht berücksichtigt, und da diese Absicht in Bezug auf die genaue Identität nur eines möglichen Beteiligten als des beabsichtigten Beschwerdeführers klar war, konnte keine andere Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Die vorlegende Kammer stellte fest, dass sie "somit nicht schließen kann, dass die Große Beschwerdekammer den allgemeinen Aussagen von T 97/98 [...] wirklich gefolgt ist", aber dies ist der erste Fehlschluss. Die Große Beschwerdekammer hatte lediglich erklärt, dass der in T 97/98 gewählte Ansatz aufgrund der Sachlage in G 2/04 nicht angewandt werden konnte: Es ging nicht darum, ob sich die Kammer T 97/98 anschloss oder nicht (wobei aus der Aussage, dass T 97/98 keine Anwendung finde, immerhin die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass die Große Beschwerdekammer diese Entscheidung in anderen Fällen für anwendbar hielt, wenn ein Mangel vorliegt, dem abgeholfen werden könnte).
44.3 Dann verweist die vorlegende Kammer auf die letzte Passage in Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe von G 2/04, die wie folgt lautet:
"Angesichts des übergeordneten Interesses, dass ein Beteiligter identifizierbar sein muss, sieht die [Große Beschwerde-]Kammer keinen Grund, den Anwendungsbereich von Regel 65 (2) oder Regel 88 Satz 1 EPÜ auszudehnen. Somit kann bioMérieux B.V. nicht im Wege einer Berichtigung durch Akzo Nobel N.V. ersetzt werden, und der Zusammenhang zwischen diesen Bestimmungen (vgl. T 715/01 vom 24. September 2002 - Glycosides/COGNIS, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Nr. 9 der Entscheidungsgründe) muss im Hinblick auf die Entscheidung über diese Vorlage nicht erörtert werden."
Dazu äußert sich die vorlegende Kammer wie folgt:
"Nach Auffassung der Kammer kann dies nur eines bedeuten: Wenn kein Mangel im Sinne der Regeln 99 (1) a) und 101 (2) EPÜ vorliegt, besteht kein Grund, nach der wirklichen Absicht zu suchen, wobei die Große Beschwerdekammer die Frage nach dem Verhältnis zwischen den Regeln 101 (2) EPÜ (R. 65 (2) EPÜ 1973) und 139 EPÜ (R. 88 EPÜ 1973) offengelassen hat" (s. Nr. 5.9.3 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung).
In einem wörtlichen Sinne hat die vorlegende Kammer natürlich Recht: Wenn, wie die Große Beschwerdekammer in der Sache G 2/04 befand, die wirkliche Absicht der Beschwerdeführerin so eindeutig ist, dass kein Mangel vorliegen kann, dann kann es auch keinen Grund geben, nach der wirklichen Absicht zu suchen. Diese Auslegung der vorlegenden Kammer kann aber nicht in die Aussage der Großen Beschwerdekammer hineingelesen werden, und dies ist der zweite Fehlschluss. Die Große Beschwerdekammer hat lediglich erklärt, dass nach der Feststellung, dass die beabsichtigte Identität der Beschwerdeführerin ganz eindeutig angegeben wurde, kein Grund bestand, die Regel 65 (2) EPÜ 1973 breiter auszulegen als in der damals bestehenden Rechtsprechung. (Auch dies lässt, wenn überhaupt, nur den Schluss zu, dass die Große Beschwerdekammer die Auslegung in T 97/98 für richtig hielt.)
44.4 Aus der Sicht der Minderheit besteht somit keine Unstimmigkeit zwischen T 97/98 und G 2/04, sondern vielmehr Konsistenz. Daraus folgt, dass die späteren Aussagen in der Vorlageentscheidung (s. Nrn. 7.8 und 7.10 der Entscheidungsgründe, Hervorhebung hinzugefügt), "dass eine Zulassung der Berichtigung ausschließlich auf der Grundlage der wirklichen Absicht nicht dazu führen würde, den Anwendungsbereich der Regel 101 (2) EPÜ in einer laut G 2/04 unzulässigen Weise zu erweitern," und dass "die Große Beschwerdekammer in G 2/04 keinen Grund hatte, das Verhältnis zwischen den Regeln 65 (2) und 139 EPÜ 1973 - den jetzigen Regeln 99 (1) a) und 101 (2) EPÜ - für die Zwecke der damaligen Vorlage zu erörtern, [...] sie doch implizit ein[räumte], dass dies angebracht wäre", nach Auffassung der Minderheit verfehlt sind. Eine solche Unzulässigkeit oder ein solches implizites Einräumen kann die Minderheit nicht erkennen.
45. Ebenso wenig kann die Minderheit in den Entscheidungen T 656/98 und T 128/10 eine Grundlage für eine Unstimmigkeit mit T 97/98 und der einschlägigen Rechtsprechung erkennen. Somit fasst die vorlegende Kammer die beiden Fälle richtig zusammen, wenn sie ausführt:
"In der Entscheidung T 128/10 vom 10. Dezember 2010 wurde der Fehler - wie in T 656/98 - als Rechtsirrtum in Bezug auf den Beschwerdeberechtigten angesehen.
In beiden Fällen wurde die Beschwerde im Namen einer genannten Person eingelegt und sollte auch im Namen dieser Person eingelegt werden; anschließend stellte sich aber heraus, dass diese Person nicht beschwerdeberechtigt war (im Anschluss an einen Rechtsübergang war die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einreichung der Beschwerde noch nicht als Patentinhaberin registriert).
In den Fällen, in denen vorgebracht wurde, dass die wirkliche Absicht gewesen sei, die Beschwerde im Namen des Patentinhabers einzulegen, schlossen die Kammern, dass die Absicht in Bezug auf die Identität klar war und weder ein Mangel noch ein Fehler vorlag (T 656/98, Nr. 7.1 der Entscheidungsgründe und T 128/10, Nr. 5.4 der Entscheidungsgründe)" (s. Vorlageentscheidung, Nrn. 5.9.4 bis 5.9.6 der Entscheidungsgründe).
45.1 Beide Fälle betrafen die Übertragung der Inhaberschaft des Streitpatents vom Patentinhaber, der am erstinstanzlichen Verfahren beteiligt gewesen war, an einen neuen Inhaber. In beiden Fällen wurde der neue Inhaber in der Beschwerdeschrift ganz bewusst als Beschwerdeführer genannt, war aber bei Ablauf der Beschwerdefrist nicht als Patentinhaber eingetragen. Die Minderheit pflichtet der vorlegenden Kammer darin bei, dass sich diese Fälle von dem Fall unterscheiden, der dieser Vorlage zugrunde liegt:
"Der einzige Unterschied zwischen dem vorliegenden Fall und den Entscheidungen T 128/10 oder T 656/98 besteht darin, dass in den beiden letzten Fällen ein eindeutiger Rechtsirrtum vorlag: Die Patentinhaber hatten übersehen, dass die Registrierung eine notwendige Voraussetzung für die Anerkennung als Patentinhaber im Verfahren vor dem Amt und damit für die Beschwerdeberechtigung ist, während der Fehler im vorliegenden Fall darin besteht, dass eine Beschwerde im Namen einer nicht beschwerdeberechtigten Person eingelegt wurde, wobei keine Änderung eingetreten war, die zu einer möglichen Unsicherheit über die Beschwerdeberechtigung geführt haben könnte. Bestünden also nicht die oben unter Nummer 5.8 genannten Vorbehalte und die Frage nach der möglichen Rolle der Absicht, könnte der vorliegende Fall demjenigen in T 656/98 (Nrn. 7.1 bis 7.3 der Entscheidungsgründe) entsprechen, in dem die damals zuständige Kammer schloss, dass kein Mangel und somit kein Ermessensspielraum für eine Anwendung von Regel 65 (2) EPÜ 1973 vorlag" (s. Nr. 5.9.7 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung).
45.2 Die "unter Nummer 5.8 genannten Vorbehalte" sind de facto die klare und aus der Sicht der Minderheit auch überzeugende Zusammenfassung der vorlegenden Kammer, warum der in T 97/98 entwickelte Grundsatz im vorliegenden Fall angewandt werden kann und sollte:
"Deshalb stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die jetzige Kammer angesichts dieser möglichen breiten Auslegung die angeblich falsche Angabe in der Beschwerdeschrift als Mangel gemäß den Regeln 99 (1) a) und 101 (2) EPÜ betrachten sollte. Tatsächlich deuten die Parameter, die in den oben analysierten Entscheidungen zur Feststellung der wirklichen Absicht verwendet wurden, darauf hin, dass der vorliegende Fehler als eine solche mangelhafte Nennung des Beschwerdeführers gelten kann: Aus der Akte und der angefochtenen Entscheidung ist sofort erkennbar, dass Zenon Technology Partnership die einzige beschwerte Beteiligte ist, derselbe Vertreter seit dem Einspruchsverfahren für dieses Unternehmen tätig ist, kein Rechtsübergang stattgefunden hat, die Beschwerdegebühr im Namen von Zenon Technology Partnership entrichtet wurde und außerdem die Abweichung sofort von der Geschäftsstellenbeamtin festgestellt wurde - was alles für einen echten Fehler sprechen könnte."
45.3 Damit trifft die vorlegende Kammer selbst die - aus der Sicht der Minderheit völlig eindeutig aus der Rechtsprechung hervorgehende - Unterscheidung zwischen zwei Fällen: zum einen der ungewissen Identität eines Beschwerdeführers (die zu einem heilbaren Mangel führt), die durch die Anwendung von Regel 101 (2) EPÜ zu lösen ist, was in Anlehnung an T 97/98 die Berücksichtigung der wirklichen Absicht des Beschwerdeführers einschließen sollte, und zum anderen der Übertragung der Inhaberschaft an einem Patent, bei der der neue Patentinhaber ganz bewusst vor Abschluss der erforderlichen Formalitäten als Beschwerdeführer genannt wird (was zu einem nicht heilbaren Mangel führt). Wie die vorlegende Kammer sagt: Bestünden nicht diese Unterschiede, könnte der vorliegende Fall demjenigen in T 656/98 (Nrn. 7.1 bis 7.3 der Entscheidungsgründe) entsprechen. Damit gilt auch der Umkehrschluss: Da diese Unterschiede vorhanden sind, entspricht der vorliegende Fall eben nicht der Sachlage in T 656/98. So heißt es in Nummer 7.1 von T 656/98 ganz klar:
"Die Beschwerdeschrift genügte den Erfordernissen von Regel 64 a) EPÜ, wonach der Name und die Anschrift des Beschwerdeführers enthalten sein müssen. Dementsprechend bestand für die Kammer keine Veranlassung, die Beschwerdeführerin zur Beseitigung eines Mangels nach Regel 65 EPÜ aufzufordern: Es lag schlichtweg kein Mangel vor."
45.4 Die Tatsache, dass die Beschwerdekammern in einigen Entscheidungen die Beseitigung von Mängeln beim Namen des Beschwerdeführers gemäß Regel 101 (2) EPÜ zugelassen haben, während sie in anderen Entscheidungen in analogen Fällen Regel 139 Satz 1 EPÜ angewandt haben, ohne sich zum Verfahren nach Regel 101 (2) EPÜ zu äußern (s. Nr. 12 oben), führt auch nicht zu einer Unstimmigkeit oder zu einem Widerspruch in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern. Sie zeigt lediglich, dass nach der einheitlichen Rechtsprechung beide Verfahren verfügbar sind, solange die Beseitigung des Mangels nicht zu einer Änderung der wirklichen Identität des (ursprünglichen) Beschwerdeführers führt (was durch die Antworten auf die Vorlagefragen 1 und 3 in der vorliegenden Entscheidung auch bestätigt wird).
46. Nach Auffassung der Minderheit besteht somit keine Unstimmigkeit in der Rechtsprechung, und die Rechtslage ist klar.
46.1 Dies belegen auch die Ereignisse im Verfahren vor der vorlegenden Kammer. Die Beschwerdeschrift (s. Nr. II oben) enthielt im Titel den richtigen Namen (Zenon Technology Partnership) der Beteiligten, die die Patentinhaberin und die unterlegene Beteiligte im Einspruchsverfahren war, und im Textteil den Namen (Zenon Environmental Inc.) und die Anschrift der Beteiligten, die die ursprüngliche Anmelderin und die frühere Inhaberin des Streitpatents gewesen war, bevor während des Einspruchsverfahrens ein Rechtsübergang eingetragen worden war. Abgesehen von dieser offensichtlichen Unstimmigkeit war aus der Beschwerdeschrift klar ersichtlich, dass diese zumindest teilweise fehlerhaft war, weil sie irrtümlicherweise auf die Entscheidung "der Prüfungsabteilung vom 28. Dezember 2007 auf Zurückweisung der Patentanmeldung" verwies, während klar war und auch von niemandem infrage gestellt wurde, dass es sich bei der angefochtenen Entscheidung um die Entscheidung der Einspruchsabteilung desselben Datums auf Widerruf des Patents handelte.
46.2 Das Vorliegen eines Mangels war für die Geschäftsstellenbeamtin offensichtlich, die auf dem Standardschreiben vom 7. März 2008 einen Vermerk anbrachte, auf die beiden unterschiedlichen Namen hinwies und die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) aufforderte, die Sachlage "klarzustellen". Diese Klarstellung erfolgte sechs Tage später mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 13. März 2008, in dem diese erklärte, dass die Beschwerde im Namen der aktuellen Inhaberin (Zenon Technology Partnership) hätte eingelegt werden sollen, was vor dem Hintergrund der Beschwerdeschrift (s. Wortlaut unter Nr. II oben) ganz klar bedeutete, dass der Vertreter beim Einlegen der Beschwerde im Namen von Zenon Technology Partnership handelte. Mit diesem Schriftwechsel wurden also alle Mängel der Beschwerdeschrift beseitigt, die zu einem Verstoß gegen Regel 99 (1) a) EPÜ führten. Zwar war im Schreiben der Geschäftsstellenbeamtin keine Frist für die Beseitigung des Mangels angegeben; da eine solche Frist aber mindestens zwei Monate hätte betragen müssen (vgl. R. 132 (2) EPÜ), war die Klarstellung innerhalb von sechs Tagen eindeutig angemessen. Dies war somit ein einfaches Beispiel für die praktische Anwendung von Regel 101 (2) EPÜ, und vor dem Hintergrund der früheren Rechtsprechung hätte es der vorlegenden Kammer keine Schwierigkeiten bereiten dürfen, die wirkliche Beschwerdeführerin zu ermitteln. Unter Nummer 5.8 ihrer Vorlageentscheidung (s. Nr. 45.2 oben) erläutert die vorlegende Kammer ja ganz richtig, wie sie dies hätte tun können.
47. Es liegt auch nicht der Fall vor, dass "eine Kammer von der Auslegung oder Erläuterung des EPÜ durch eine oder mehrere Kammern in der früheren Rechtsprechung abweichen will" (s. Nr. 10 oben). In der Vorlageentscheidung wird kein Grund genannt, warum eines der beiden verfügbaren Verfahren (nach R. 101 (2) und R. 139 EPÜ) oder deren bloße Koexistenz rechtlich problematisch wäre. Wie aus den Fragen und der Begründung in der Vorlageentscheidung klar hervorgeht, war der Anlass der Vorlage auch eine angebliche (aber tatsächlich nicht vorhandene - s. Nrn. 43 bis 45.4 oben) Unstimmigkeit in der Rechtsprechung bezüglich des Verhältnisses zwischen Regel 102 (1) und (2) EPÜ. Angesichts dieser Sachlage kann die Minderheit nicht erkennen, dass die vorlegende Kammer bewusst von der Rechtsprechung abweichen wollte, denn sie hielt sie aus einem anderen Grund als der Unstimmigkeit für problematisch. Selbst wenn dies ihre Absicht war, hat die Kammer de facto keinen derartigen Grund genannt, sodass die Vorlage diesbezüglich nicht begründet wäre. Aus der Sicht der Minderheit ist damit (entgegen der Feststellung der Mehrheit - s. Nr. 12 oben) auch das Zulässigkeitserfordernis der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung" (Artikel 112 (1) EPÜ) nicht erfüllt.
48. Bezüglich des weiteren möglichen Grunds für die Vorlage durch eine Kammer gemäß Artikel 112 EPÜ, nämlich "wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt", schließt sich die Minderheit der Auffassung der Mehrheit an, dass dieser Grund vorliegt, wenn sich die Beantwortung einer Frage nach Ansicht der Kammer nicht unmittelbar und eindeutig aus dem EPÜ ableiten lässt (s. Nr. 12 oben). Allerdings kann sie nicht erkennen, dass dies bei der vorliegenden Rechtsfrage der Fall ist - und dies wurde auch nicht vorgebracht. Die Minderheit kann sich nicht der Auffassung anschließen, dass "eine Rechtsfrage auch von grundsätzlicher Bedeutung ist, wenn ihre Auswirkungen über den konkreten Einzelfall hinausgehen", und dass diese Bedeutung gegeben ist, "wenn die Rechtsfrage für eine große Zahl vergleichbarer Fälle relevant sein könnte" (s. Nr. 10 oben). Diese Auffassung unterstellt, dass "Bedeutung" im Sinne des Artikels 112 EPÜ nicht mehr als bloße Relevanz ist, wobei die Zahl der betroffenen Fälle weder ein geeignetes noch ein angemessenes Kriterium für die Zulässigkeit einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer ist. Abgesehen davon, dass sich nicht feststellen lässt, für wie viele Fälle eine Rechtsfrage relevant war, ist oder werden könnte, ist auch völlig unklar, wo die Grenze zwischen einer geringen und einer großen Zahl von Fällen zu ziehen ist und ob die Verortung dieser Grenze von der jeweiligen Rechtsfrage abhängig ist. Damit wurde die in Artikel 112 (1) EPÜ genannte Alternative, nämlich dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, nicht nachgewiesen, und die Vorlage kann auch nicht auf diesen Grund gestützt werden.
49. Aus diesen Gründen gelangt die Minderheit zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall keine der Fragen in der Vorlageentscheidung die spezifischen Erfordernisse des Artikels 112 (1) a) EPÜ erfüllt, und diese Erfordernisse können nicht durch das Vorliegen eines gewissen Maßes an Ungewissheit bezüglich der in einer Vorlageentscheidung angesprochenen Fragen ersetzt werden. Im Gegensatz zur Feststellung der Mehrheit (s. Nr. 14 oben) akzeptiert die Minderheit nicht, dass die vorlegende Kammer die Stellungnahme der Großen Beschwerdekammer zu den Vorlagefragen benötigt, um eine einheitliche Rechtsanwendung zu sichern, weil sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt und/oder um den ihr vorliegenden Fall beizulegen. Zur Vermeidung jeglichen Zweifels ist hinzuzufügen, dass die Minderheit die Vorlage aus diesen Gründen für unzulässig hält, den Antworten auf die Vorlagefragen aber zustimmt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
Frage 1
Die umformulierte Frage 1 - nämlich ob es in dem Fall, dass eine Beschwerdeschrift entsprechend der Regel 99 (1) a) EPÜ den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nach Maßgabe der Regel 41 (2) c) EPÜ enthält und behauptet wird, es sei aus Versehen die falsche Identität angegeben worden und die wirkliche Absicht sei es gewesen, die Beschwerde im Namen der juristischen Person einzulegen, die sie hätte einlegen sollen, möglich ist, diesen Fehler nach Regel 101 (2) EPÜ auf einen Antrag hin zu korrigieren, den Namen durch den des wahren Beschwerdeführers zu ersetzen - wird bejaht, sofern die Erfordernisse der Regel 101 (1) EPÜ erfüllt sind.
Frage 2
Im Verfahren vor dem EPA findet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung Anwendung. Dies gilt auch für den Problemkreis in dieser Vorlagesache.
Frage 3
Im Falle einer fehlerhaften Angabe des Namens des Beschwerdeführers greift nach den in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern aufgestellten Bedingungen das allgemeine Verfahren für die Berichtigung von Mängeln nach Regel 139 Satz 1 EPÜ.
Frage 4
In Anbetracht der Antworten auf die Fragen 1 und 3 muss die Frage 4 nicht beantwortet werden.