3. Requête en révision au titre de l'article 112bis CBE
Overview
- T 695/18
Catchword:
1. "Proceedings" to be re-opened under Article 112a(5) EPC following an allowable petition are limited to rectifying the defect found according to the review decision. The present proceedings as re-opened by the Enlarged Board in R 3/22 are thus not the appeal proceedings, but "ancillary proceedings" with the limited purpose to decide on the request for correction of the withdrawal of the appeal (see point 2 of the Reasons). 2. Rule 139 EPC is applicable only if proceedings before the EPO for some other purpose are pending when the request for correction is received by the EPO. The request for correction is inadmissible if received when no such proceedings are pending (see point 3 of the Reasons). 3. A patent application subject to the examining division's refusal, which is in turn subject to an appeal that has been withdrawn, is not "pending" within the meaning of Rule 36(1) EPC (see point 4 of the Reasons).
- R 6/22
Catchword:
In a situation such as the present case - where the board does not react in a recognisable and explicit manner to an intended objection under Rule 106 EPC - a diligent party should normally insist on a discernible response from the board. Failure to do so will leave the party with an indication that weighs against its case (Reasons 16).
- R 6/20
Catchword:
1. The Enlarged Board of Appeal affirms its previous decisions R 8/15 and R 10/18. 2. Catchword 1, second paragraph, of R 10/18 reading: "Article 113(1) EPC is infringed if the board does not address submissions that, in its view, are relevant for the decision in a manner adequate to show that the parties were heard on them, i.e. that the board substantively considered those submissions..." is complemented as follows: the requirement that "the Board substantively considered those submissions" should be given the meaning that "the Board considered the contents of those submissions", with this consideration comprising matters - pertaining to admittance of facts, evidence and requests, and/or - relating to substantive law, i.e. the merits of a case. (See Reasons, point 2). 3. Article 12(4) RPBA 2007 is in line with Articles 114(1) and 113(1) EPC. (See Reasons, point 3.2.2(a) in fine.)
- R 12/22
Résumé
Der Antrag auf Überprüfung in R 12/22 wurde darauf gestützt, dass die angefochtene Entscheidung in mehrfacher Hinsicht mit einem schwerwiegenden Verfahrensmangel behaftet sei, und – ebenfalls in mehrfacher Hinsicht – ein schwerwiegender Verstoß gegen Art. 113 EPÜ vorliege.
Die Große Beschwerdekammer (GBK) erörterte zunächst, dass ein Verstoß gegen die Begründungspflicht nach R. 102 g) EPÜ nicht von Art. 112a (2) d) EPÜ erfasst sei. Sie verwies auf die in R 10/18 und R 10/20 dargelegten Grundsätze zum Umfang der Begründungspflicht. Die von der Antragstellerin zitierte Aussage aus der Kommentarliteratur, das Korrelat zum Äußerungsrecht nach Art. 113 (1) EPÜ bilde die Pflicht, die Entscheidungen zu begründen, müsse im Einklang mit diesen Grundsätzen stehen. Eine Behandlung des Geäußerten in den Entscheidungsgründen sei nur unter den in R 10/18 und R 10/20 dargelegten Voraussetzungen vom Recht auf rechtliches Gehör gefordert. Hingegen beinhalte das Recht auf rechtliches Gehör neben dem Äußerungsrecht das Recht auf Berücksichtigung des Geäußerten. Wenn ein Schlagwort zur Charakterisierung dieser Beziehung als nützlich empfunden werden sollte, dann würde sich der Kammer zufolge der Begriff "Korrelat" hier eignen.
Zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln gemäß Art. 112a (2) d) EPÜ, stellte die GBK fest, dass die Antragstellerin sich weder auf das Übergehen eines Antrags auf mündliche Verhandlung (R. 104 a) EPÜ) noch eines sonstigen relevanten Antrags im Verfahren (R. 104 b) EPÜ) berufen hatte, weshalb der Überprüfungsantrag diesbezüglich für unbegründet befunden wurde.
Zu den geltend gemachten Verfahrensmängeln gemäß Art. 112a (2) c) EPÜ, befand die GBK unter anderem Folgendes:
G 1/21 habe klargestellt, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Form einer Videokonferenz grundsätzlich keinen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör bedeute. Die Auffassung der Antragstellerin, eine nur theoretische Möglichkeit verschlechterter Kommunikation und Austauschmöglichkeit stelle bereits einen Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ dar, stehe in diametralem Gegensatz zu G 1/21. In Bezug auf Art. 15a VOBK betonte die GBK, dass eine unzutreffende Ermessensausübung zugunsten der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Videokonferenz mangels Einfluss auf das Recht auf rechtliches Gehör keinen Verstoß gegen dieses Recht begründen könne, wenn ein konkreter praktischer Mangel weder behauptet noch ersichtlich sei.
In Bezug auf die beanstandete Zulassung des Vortrags einer Begleitperson stellte die GBK klar, dass es auf einen abstrakten Verstoß gegen die in G 4/95 aufgestellten Zulassungsvoraussetzungen bei der Prüfung eines Verstoßes gegen das Recht auf rechtliches Gehör nicht ankommen könne. Denn letzteres Recht beziehe sich auf die Möglichkeit, auf den Inhalt konkreter Äußerungen angemessen reagieren zu können, nicht auf das Recht, diesen Inhalt durch eine zum umfassenden Vortrag berechtigte und von einem zugelassenen Vertreter hierbei beaufsichtigte Begleitperson präsentiert zu bekommen.
In Bezug auf den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 113 EPÜ infolge der kurzfristigen Umbesetzung der zuständigen Beschwerdekammer stellte die GBK unter anderem fest, dass aus dem Recht auf rechtliches Gehör kein Recht eines Beteiligten auf einen Nachweis folge, dass ein Kammermitglied ausreichend vorbereitet ist, weder im Falle einer kurzfristigen Einwechslung noch generell. Denn die Ausübung eines solchen Rechts würde gegen die Unabhängigkeit des betroffenen Beschwerdekammermitglieds verstoßen.
Zu dem geltend gemachten Verstoß gegen Art. 113 EPÜ infolge einer "fehlerhaften und widersprüchlichen Beurteilung" des streitpatentgemäßen Gegenstands, stellte die GBK klar, dass dies nur dann beanstandet werden könnte, wenn die Widersprüche gleichbedeutend damit wären, dass die Kammer das Vorbingen in den Entscheidungsgründen nicht behandelt hätte und dieses objektiv betrachtet entscheidend für den Ausgang des Falles gewesen wäre. Dass die widersprüchliche Begründung gleichbedeutend mit einer Nicht-Begründung ist, müsse sich aufdrängen.
Der Antrag auf Überprüfung wurde folglich als offensichtlich unbegründet verworfen.
- T 1690/22
Résumé
In T 1690/22 wendete sich die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit ihrer ersten Rüge gemäß R. 106 EPÜ gegen die Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 bis 3 als schweren Verfahrensfehler in Gestalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie sei in ihren grundlegenden Rechten beschnitten worden, sich gegen die Einspruchsgründe zur Wehr zu setzen. Sie gab auch an, dass die Nichtzulassung der Hilfsanträge nicht durch das Übereinkommen oder die Verfahrensordnung gestützt sei.
Die Beschwerdekammer stellte zunächst klar, dass die Nichtzulassung als solche keinen wesentlichen Verfahrensfehler darstelle. Sie erklärte sodann, dass ein Verfahrensfehler im Sinne von Art. 112a (2) c) EPÜ in Gestalt einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 113 (1) EPÜ, wie von der Beschwerdegegnerin gerügt, nicht ersichtlich sei. Die Entscheidung über die Nichtzulassung sei auf das Übereinkommen und die geltende Verfahrensordnung gestützt und folge einer langjährigen als gefestigt zu erachtenden Rechtsprechung. Allein der Umstand, dass die Beschwerdegegnerin zu dieser Rechtsanwendung "ausdrücklich" eine gegenteilige Auffassung vertritt, könne jedenfalls keinen schwerwiegenden Verfahrensfehler, respektive keine Gehörsverletzung, begründen.
Zu dem strittigen Punkt der Substantiierung und der Zulassung der Hilfsanträge 1 bis 3 habe die Beschwerdegegnerin von den ihr jeweils gebotenen Möglichkeiten, sich zu äußern, ausgiebig Gebrauch gemacht. Die Kammer sei unter Berücksichtigung der von der Beschwerdegegnerin vorgebrachten Argumente zu der Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu Art. 12 (3) VOBK und zu der nachfolgenden Ermessensbeurteilung im Rahmen des Art. 12 (5) VOBK gelangt. Das rechtliche Gehör der Beschwerdegegnerin sei insoweit gewahrt worden. Ein schwerwiegender Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ im Sinne von Art. 112a (2) c) EPÜ war daher für die Kammer nicht ersichtlich.
Mit einer zweiten Rüge hatte die Beschwerdegegnerin vorgebracht, dass sie ihre erste Rüge zur Nichtzulassung der Hilfsanträge 1 bis 3 nicht schriftlich vorzulegen brauche und die Aufforderung der Kammer zur Vorlage einer schriftlichen Rüge daher einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Die Kammer stellte fest, dass die Beschwerdegegnerin nicht erklärt hatte, welcher der in Art. 112a (2) a) bis d) und R. 104 EPÜ abschließend normierten Gründe für einen Überprüfungsantrag geltend gemacht werden sollte. Der Kammer zufolge war es ebenso wenig ersichtlich, dass einer dieser Gründe hier einschlägig sein könnte.
Die Kammer erinnerte daran, dass es der Sinn und Zweck der Rügeobliegenheit nach R. 106 EPÜ ist, der Kammer die Möglichkeit zu geben, unmittelbar und angemessen zu reagieren. Daher muss eine Rüge nach R. 106 EPÜ eindeutig erkennen lassen, welche der in Art. 112a (2) a) bis d) und R. 104 EPÜ aufgeführten Mängel geltend gemacht werden sollen (ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, siehe z.B. R 4/08).
Gerade vor dem Hintergrund dieses Zwecks der Rügeobliegenheit war die Kammer der Auffassung, dass die schriftliche Einreichung einer Rüge einer Praxis entspreche, die es ermögliche, den Umfang dieser Rüge klar zu bestimmen. Es schriftlich oder nur mündlich zu tun, ändere nichts an der Substanz der erhobenen Rüge. Die schriftliche Vorlage des Gegenstands einer Rüge ermögliche es jedoch, für die Kammer und die Beteiligten nachvollziehbar festzuhalten, worüber die Kammer zu entscheiden hatte, und sicherzustellen, dass in einem möglichen Überprüfungsverfahren keine Unsicherheiten über die von der rügenden Beteiligten beabsichtigte Formulierung der Rüge bestehen.
Die Kammer ergänzte hierzu, dass zum wesentlichen Gang der mündlichen Verhandlung, der nach R. 124 (1) EPÜ in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen ist, der Umstand als solcher gehören könne, dass eine Rüge nach R. 106 EPÜ erhoben wurde, nicht aber die dazu von der jeweiligen Beteiligten vorgebrachten und für die Zulässigkeit der Rüge erforderlichen Gründe und Argumente. Vielmehr sei es Sache der Beteiligten, Erklärungen und Begründungen zu ihren Anträgen schriftlich einzureichen.
Es war für die Kammer vorliegend nicht erkennbar, worin in der Aufforderung zur schriftlichen Formulierung der Rüge ein möglicher Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ liegen sollte. Die erste und zweite Rüge der Beschwerdegegnerin wurden folglich zurückgewiesen.
- R 5/23
Résumé
Der Überprüfungsantrag in R 5/23 war gegen die Zwischenentscheidung T 2078/17 vom 7. Februar 2023 gerichtet, mit der die Beschwerdekammer (in der Besetzung nach Art. 24 (4) EPÜ) einen gegen ihre drei Mitglieder gerichteten Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig zurückgewiesen hatte.
Die Große Beschwerdekammer (GBK) befand, dass diese Entscheidung jedoch, auch wenn sie als schriftlich begründete Zwischenentscheidung in formeller Form ergangen war, nicht Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens nach Art. 112a EPÜ sein könne.
Sie verwies unter anderem darauf, dass die Rechtsfolge eines erfolgreichen Antrags auf Überprüfung gemäß Art. 112a (5) EPÜ die Aufhebung der Entscheidung und die "Wiederaufnahme des Verfahrens vor den Beschwerdekammern" ist. Ferner präzisiere R. 108 (3) EPÜ weiter, dass im Falle eines begründeten Überprüfungsantrags die GBK die "Wiedereröffnung des Verfahrens vor der nach R. 12b (4) EPÜ zuständigen Beschwerdekammer" anordnet. Eine "Wiederaufnahme des Verfahrens" oder "Wiedereröffnung des Verfahrens" setze voraus, dass es sich bei der zu überprüfenden Entscheidung um eine Entscheidung handele, die ein Verfahren abgeschlossen hat. Die GBK kam folglich zu dem Schluss, dass das Überprüfungsverfahren nach Art. 112a EPÜ gemäß der Ausgestaltung der maßgeblichen Vorschriften jedenfalls keine Entscheidungen betreffe, mit denen ein Verfahren vor einer Beschwerdekammer dem Betroffenen gegenüber nicht abgeschlossen wird.
Ferner stellte die GBK fest, dass den Travaux préparatoires zur EPÜ-Revision 2000, deren Ziel es war diesen neuen Rechtsbehelf einzuführen, auch nur zu entnehmen sei, dass die Überprüfung von verfahrensabschließenden Entscheidungen beabsichtigt gewesen sei.
In Bezug auf den von der Antragstellerin geltend gemachten Verstoß gegen Art. 113 (1) EPÜ erinnerte die GBK daran, dass ein solcher Verstoß nach der ständigen Rechtsprechung nur dann als schwerwiegend i.S.v. Art. 112a (2) c) EPÜ anzusehen ist, wenn ein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Verstoß und der das Beschwerdeverfahren abschließenden Entscheidung besteht (s. z. B. R 1/08). In vorliegendem Fall, wo noch keine verfahrensabschließende Entscheidung getroffen sei, könne kein solcher, notwendiger Kausalzusammenhang bestehen.
Ferner äußerte sich die GBK zu ihrer im vorliegenden Fall vorgebrachten Schlussfolgerung, dass das Überprüfungsverfahren gemäß der Ausgestaltung der maßgeblichen Vorschriften jedenfalls keine Entscheidung betrifft, mit der ein Verfahren vor einer Beschwerdekammer dem Betroffenen gegenüber nicht abgeschlossen wird. Dieser Schlussfolgerung stünde nicht entgegen, dass in der Rechtsprechung die Möglichkeit eingeräumt wurde, einen Überprüfungsantrag auf einen selbständigen Teil der Entscheidung zu beschränken und eine zu überprüfende Entscheidung gegebenenfalls nur teilweise aufzuheben (s. z. B. R 19/12). Auch die Rechtsprechung, die Überprüfungsanträge gegen Entscheidungen zulässt, auch wenn sie nicht in formeller Form getroffen wurden, die aber über die Beendigung des Beschwerdeverfahrens befinden (R 3/22), stünde dieser Schlussfolgerung nicht entgegen.
Die GBK fasste zusammen, dass die Zwischenentscheidung vom 7. Februar 2023 weder das Verfahren abschließe, mit welchem die Ersatzkammer befasst ist, d.h. das Verfahren zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag nach Art. 24 EPÜ, noch das Beschwerdeverfahren insgesamt oder gegenüber einem Beteiligten. Eine "Wiederaufnahme" bzw. "Wiedereröffnung des Verfahrens" i.S.v. Art. 112a (5) bzw. R. 108 (3) EPÜ sei daher nicht möglich. Es sei im vorliegenden Fall lediglich ein Einwand der Antragstellerin mittels einer Zwischenentscheidung in formeller Form ohne Auswirkung auf ihre Verfahrensbeteiligung im laufenden Verfahren vor der Beschwerdekammer zurückgewiesen worden. Die Zwischenentscheidung vom 7. Februar 2023 könne daher nicht Gegenstand eines Überprüfungsverfahrens gemäß Art. 112a (1) EPÜ sein. Der gegen sie gerichtete Überprüfungsantrag wurde folglich als offensichtlich unzulässig verworfen.
- Compilation 2023 “Abstracts of decisions”
- Rapport annuel: jurisprudence 2022
- Résumés des décisions dans la langue de procedure