2. Das EPA als Bestimmungsamt oder als ausgewähltes Amt
Das EPA darf als Bestimmungsamt die internationale Anmeldung nicht vor Ablauf der nach Art. 22 PCT einzuhaltenden Frist bearbeiten oder prüfen (Art. 23 (1) PCT). Auf ausdrücklichen Antrag des Anmelders kann das EPA jedoch die Bearbeitung oder Prüfung der internationalen Anmeldung jederzeit aufnehmen (Art. 23 (2) PCT). Hat das Internationale Büro (IB) dem EPA noch keine Kopie der internationalen Anmeldung, des ISR und des WO‑ISA übermittelt, so kann der Anmelder beim IB einen entsprechenden Antrag stellen, ist aber nicht dazu verpflichtet. Falls nötig, kümmert sich das EPA selbst darum.
Ein Antrag auf vorzeitige Bearbeitung nach Art. 23 (2) PCT oder Art. 40 (2) PCT kann beim EPA jederzeit vor Ablauf der 31-Monatsfrist gestellt werden (Art. 22 (3) PCT und Regel 159 (1)). Für den Antrag ist keine konkrete Formulierung vorgeschrieben, der Anmelder muss jedoch deutlich zum Ausdruck bringen, dass er die vorzeitige Bearbeitung seiner Anmeldung vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt wünscht. Anmelder, die das EPA-Formblatt 1200 verwenden, können durch Ankreuzen eines Kästchens in Feld 12.1 einen Antrag stellen (siehe die Mitteilung des EPA vom 7. Juli 2017, ABl. EPA 2017, A74).
Damit der Antrag wirksam ist, muss der Anmelder die Erfordernisse der Regel 159 (1) erfüllen, als liefe die 31-Monatsfrist an dem Tag ab, an dem er die vorzeitige Bearbeitung beantragt, d. h. Entrichtung der Anmeldegebühr (einschließlich einer etwaigen Zusatzgebühr nach Art. 2 (1) Nr. 1a GebO, wenn die Anmeldung mehr als 35 Seiten umfasst), Einreichung der Übersetzung (sofern eine Übersetzung nach Art. 153 (4) erforderlich ist), Angabe der Anmeldungsunterlagen und Entrichtung der Recherchengebühr (wenn nach Art. 153 (7) ein ergänzender europäischer Recherchenbericht erstellt werden muss). Welche weiteren in Regel 159 (1) genannten Erfordernisse zu erfüllen sind, hängt davon ab, an welchem Tag die vorzeitige Bearbeitung beantragt wird, denn die (Grund-)Fristen für die Entrichtung der Benennungsgebühr (Regel 39 (1)) und der Jahresgebühr (Regel 51 (1)) sowie für die Stellung des Prüfungsantrags und die Entrichtung der Prüfungsgebühr (Regel 70 (1)) sind am Tag der Antragstellung möglicherweise noch nicht abgelaufen. Läuft eine dieser Fristen an diesem Tag noch (bzw. ist im Fall der Jahresgebühr der Fälligkeitstag nach Regel 51 (1) erst nach diesem Tag), so ist der Antrag wirksam, ohne dass die entsprechenden Erfordernisse erfüllt sind (Art. 153 (2), Art. 11 (3) PCT).
Will der Anmelder erreichen, dass nicht nur die Bearbeitung der Anmeldung vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt, sondern auch die Prüfung der Anmeldung aufgenommen wird, so muss er einen wirksamen Prüfungsantrag gestellt haben (einschließlich Entrichtung der Prüfungsgebühr), auch wenn die Frist gemäß Regel 70 (1) am Tag des wirksamen Eintritts in die europäische Phase noch nicht abgelaufen ist, denn mit der Prüfung wird erst begonnen, wenn ein Prüfungsantrag wirksam gestellt wurde (siehe E‑IX, 2.5.2). Wird der Prüfungsantrag gestellt, bevor das EPA dem Anmelder gegebenenfalls den ergänzenden europäischen Recherchenbericht übermittelt hat, beginnt die Prüfung erst bei Eingang einer Absichtserklärung des Anmelders über die Aufrechterhaltung der Anmeldung und gegebenenfalls einer Erwiderung auf den erweiterten europäischen Recherchenbericht (siehe E‑IX, 2.5.3).
Bei zwischen 1. Juli 2020 und 31. Oktober 2022 eingereichten internationalen Anmeldungen ist die Berichtigung fälschlicherweise eingereichter Bestandteile oder Teile nach Regel 20.5bis d) PCT durch das Anmeldeamt aufgrund der Mitteilung des EPA über die Unvereinbarkeit (Regel 20.8 PCT) im Verfahren vor dem EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltem Amt nicht wirksam. Will ein Anmelder das verkürzte Verfahren nutzen (indem er beantragt, dass die richtigen Anmeldungsunterlagen unberücksichtigt bleiben, oder erklärt, dass er die Anmeldung mit den richtigen Anmeldungsunterlagen und mit dem Anmeldedatum, das dem Tag des Eingangs dieser Anmeldungsunterlagen entspricht, weiterverfolgen möchte (siehe C‑III, 1.3)), so muss er dies dem EPA zum Zeitpunkt der wirksamen Einreichung des Antrags auf vorzeitige Bearbeitung oder spätestens vor Ergehen der Mitteilung nach den Regeln 20.8 c) PCT und Regeln 82ter.1 c) PCT und Regeln 82ter.1 d) PCT mitteilen.
Das automatische Abbuchungsverfahren kann zur Zahlung der bei Stellung des Antrags fälligen Gebühren verwendet werden (siehe VLK, Anhang A.1 und Anhang A.2, Zusatzpublikation 3, ABl. EPA 2022). Allerdings kann die automatische Abbuchung nur durchgeführt werden, wenn das EPA feststellen kann, ob eine Seitengebühr als Teil der Anmeldegebühr zu entrichten ist (siehe A‑III, 13.2). Dies ist nur möglich, wenn das EPA Zugang zu den in Art. 20 PCT genannten Dokumenten hat, d. h. wenn
– die internationale Anmeldung bei Eingang des Antrags auf vorzeitige Bearbeitung bereits veröffentlicht ist,
– das EPA das Anmeldeamt ist oder
– das EPA als (S)ISA oder IPEA tätig ist.
Wenn dem EPA an dem Tag, an dem der Antrag auf vorzeitige Bearbeitung gestellt wird, keines der oben genannten Dokumente vorliegt, sollten die Anmelder ein anderes Zahlungsmittel verwenden. Ansonsten werden die Gebühren an dem Tag abgebucht, an dem die in Art. 20 PCT genannten Dokumente vom Internationalen Büro übermittelt werden (Regel 47.4 PCT), und der Antrag auf vorzeitige Bearbeitung wird erst an diesem Tag wirksam.
Ist nach Regel 159 (1) h) eine Ausstellungsbescheinigung einzureichen, so macht die Nichterfüllung dieses Erfordernisses den Antrag auf vorzeitige Bearbeitung zwar nicht unwirksam, hat aber Auswirkungen auf den Stand der Technik, den das EPA in der europäischen Phase berücksichtigt.
Ist am Tag der Stellung des Antrags auf vorzeitige Bearbeitung ein notwendiges Erfordernis nicht erfüllt, so wird der Antrag auf vorzeitige Bearbeitung erst an dem Tag wirksam, an dem alle an diesem Tag notwendigen Erfordernisse erfüllt sind.
Sind am Tag der Stellung des Antrags auf vorzeitige Bearbeitung die notwendigen Erfordernisse für den Eintritt in die europäische Phase erfüllt, ist der Antrag wirksam, und die Euro-PCT-Anmeldung wird ab diesem Tag so bearbeitet wie eine Euro-PCT-Anmeldung, die in die europäische Phase eingetreten ist, indem sie die notwendigen Erfordernisse der Regel 159 (1) innerhalb der 31-Monatsfrist erfüllt hat und ohne dass ein Antrag auf vorzeitige Bearbeitung gestellt wurde. An diesem Tag endet also die internationale Phase in Bezug auf das EPA als Bestimmungsamt/ausgewähltes Amt (J 18/09, Nr. 13 der Entscheidungsgründe). Da mit der Stellung eines wirksamen Antrags auf vorzeitige Bearbeitung das Bearbeitungsverbot aufgehoben ist, ist zudem eine Inanspruchnahme der 31-Monatsfrist nach Regel 159 (1) von diesem Tag an ausgeschlossen. Nähere Einzelheiten enthält die Mitteilung des EPA vom 21. Februar 2013, ABl. EPA 2013, 156.