Kapitel V – Mitteilungen bezüglich formaler Mängel; Änderung einer Anmeldung; Berichtigung von Mängeln
Sprachliche Fehler, Schreibfehler und Unrichtigkeiten in den beim Europäischen Patentamt eingereichten Unterlagen können auf Antrag nach Regel 139 Satz 1 berichtigt werden. Solche Berichtigungen können jederzeit beantragt werden, sofern ein Verfahren vor dem EPA anhängig ist (siehe J 42/92). Handelt es sich jedoch um die Berichtigung von Unrichtigkeiten, auf die sich Dritte verlassen durften und durch deren Berichtigung die Rechtssicherheit beeinträchtigt würde, so muss der Berichtigungsantrag unverzüglich, zumindest aber so rechtzeitig gestellt werden, dass er bei der Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung berücksichtigt werden kann. Die Berichtigung von Prioritätsansprüchen ist zum Schutz der Interessen Dritter durch besondere Vorschriften geregelt, die dem Anmelder die Berichtigung der Prioritätsansprüche ermöglichen und dafür eine bestimmte Frist festlegen (siehe Regel 52 (3) und A‑III, 6.5.2). So wird sichergestellt, dass bei Veröffentlichung der Anmeldung berichtigte Prioritätsinformationen verfügbar sind. Nach diesem Zeitpunkt, insbesondere nach der Veröffentlichung der Anmeldung, kann der Anmelder den Prioritätsanspruch nur noch unter ganz bestimmten Umständen berichtigen, wenn aus der veröffentlichten Anmeldung unmittelbar ersichtlich ist, dass ein Fehler vorliegt. Siehe dazu J 2/92, J 3/91 und J 6/91 sowie J 11/92 und J 7/94. Diese Entscheidungen betreffen Fälle, in denen nach dem EPÜ 1973 der Antragsteller die Prioritätsdaten berichtigen konnte, obwohl es für die Veröffentlichung eines entsprechenden Hinweises zusammen mit der Anmeldung bereits zu spät war. Nach dem EPÜ 2000 sind Anträge auf Berichtigung der Prioritätsansprüche nach Ablauf der Frist nach Regel 52 (3) entsprechend zu beurteilen. Wegen der Berichtigung der Angabe des Tags der früheren Anmeldung siehe auch A‑III, 6.6.
Regel 139 Satz 1
Nach Ablauf der Zweimonatsfrist für die Berichtigung falscher (Teile der) Anmeldungsunterlagen nach Regel 56a (1) oder Regel 56a (3) (siehe A‑II, 6) unterliegt die Berichtigung von Fehlern in Anmeldungsunterlagen Regel 139 Satz 2. Für die Zulässigkeit von Berichtigungen nach Regel 139 gelten strenge Voraussetzungen.
Ist der Fehler in der Beschreibung, in den Patentansprüchen oder in den Zeichnungen enthalten, so muss die Berichtigung derart offensichtlich sein, dass sofort erkennbar ist, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Eine solche Berichtigung darf nur im Rahmen dessen erfolgen, was der Fachmann der Gesamtheit dieser Unterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung unter Heranziehung des allgemeinen Fachwissens – objektiv und bezogen auf den Anmeldetag – unmittelbar und eindeutig entnehmen kann (siehe G 3/89 und G 11/91; siehe auch H‑VI, 2.2.1). Ob die Berichtigung zulässig ist, wird anhand der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen einschließlich etwaiger nach Regel 56 nachgereichter fehlender Teile der Beschreibung oder fehlender Zeichnungen oder nach Regel 56a berichtigter Anmeldungsunterlagen oder Teile geprüft. Ob sich durch die Nachreichung der Anmeldetag geändert hat, ist dabei unerheblich (siehe A‑II, 5 ff. und A‑II, 6 ff.). Patentansprüche, die nach dem Anmeldetag auf eine Mitteilung nach Regel 58 hin eingereicht werden (siehe A‑III, 15), können bei der Überprüfung, ob der Berichtigungsantrag zulässig ist, allerdings nicht berücksichtigt werden.
Nach Regel 139 ist es nicht zulässig, die vollständigen Unterlagen einer Anmeldung, also Beschreibung, Patentansprüche und Zeichnungen, durch andere Unterlagen zu ersetzen, die der Anmelder mit seinem Erteilungsantrag hatte einreichen wollen (siehe G 2/95).
Über den Berichtigungsantrag entscheidet die Prüfungsabteilung. Liegt ein solcher Antrag vor Abschluss der technischen Vorbereitungen für die Veröffentlichung vor, so ist ein Hinweis darauf in die Titelseite der Veröffentlichung aufzunehmen.
Bei der elektronischen Einreichung von europäischen Patentanmeldungen können die technischen Unterlagen der Anmeldung (Beschreibung, Ansprüche, Zusammenfassung und Zeichnungen) in dem Datenformat, in dem sie erstellt worden sind, beigefügt werden, sofern dieses Format im Beschluss des Präsidenten des EPA vom 3. Mai 2023, ABl. EPA 2023, A48 14. Mai 2021, ABl. EPA 2021, A42 genannt ist. Gemäß diesem Beschluss können die technischen Unterlagen auch in einem anderen Format beigefügt werden, wenn der Anmelder das EPA mit der Anmeldung darüber in Kenntnis setzt, wo das EPA die entsprechende Software in zumutbarer Weise erwerben kann. Liegen am Anmeldetag die Unterlagen der europäischen Patentanmeldung sowohl im Format der EPA-Software für die Online-Einreichung als auch in einem anderen, nach Maßgabe des genannten Beschlusses zugelassenen Format vor, kann Letzteres auch herangezogen werden, um zu bestimmen, ob ein Antrag auf Berichtigung der Beschreibung, der Patentansprüche oder der Zeichnungen zulässig ist.
Regel 139 Satz 2