3. Materielle Zulässigkeit von Änderungen nach Art. 123 (3)
Bei jeder Änderung der Patentansprüche und den damit verknüpften Änderungen in der Beschreibung und den Zeichnungen im Rahmen des Einspruchsverfahrens, beispielsweise bei einer Änderung der technischen Merkmale der Erfindung, ist daher zu prüfen, ob diese Änderungen nicht unter Umständen dazu führen, dass der Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht (Art. 123 (2)) bzw. der Schutzbereich erweitert wird (Art. 123 (3)).
Sind die Anmeldungsunterlagen im Hinblick auf Art. 84 vor der Erteilung an geänderte Ansprüche angepasst worden und wurde dabei ein Teil des ursprünglich offenbarten Gegenstands gestrichen, um Übereinstimmungsmängel in der Patentschrift zu vermeiden, so kann der aus diesem Grund gestrichene Gegenstand in der Regel weder erneut in die Patentschrift noch in die Ansprüche in der erteilten Fassung aufgenommen werden, ohne dass ein Verstoß gegen Art. 123 (3) vorliegt. Dies gilt analog für einen Gegenstand, der bei einer solchen Anpassung nur aus Gründen der Verständlichkeit und mit dem Hinweis darauf in der Patentschrift beibehalten wurde, dass er sich nicht auf die beanspruchte Erfindung bezieht.
Die Erfordernisse gemäß Art. 123 (2) und Art. 123 (3) müssen getrennt betrachtet werden:
a)Die Prüfung, ob die Erfordernisse von Art. 123 (2) erfüllt sind, erfolgt wie im Prüfungsverfahren.
b)Ausgangsbasis für die Prüfung, ob die Erfordernisse von Art. 123 (3) erfüllt sind, sind dagegen die Ansprüche in der erteilten Fassung oder in der im Einspruchs- oder in einem früheren Beschränkungsverfahren geänderten Fassung, wobei erforderlichenfalls die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen sind (Art. 69 und Protokoll über die Auslegung des Art. 69).
Eine Zusammensetzung, die gemäß einem Anspruch einen Bestandteil in einer mittels eines Zahlenbereichs definierten Menge enthält, ist durch die implizite Bedingung gekennzeichnet, dass dieser Bestandteil nicht in einer außerhalb dieses Bereichs liegenden Menge vorhanden sein darf. Eine Änderung, durch die die Breite des Bestandteils eingeschränkt wird, indem beispielsweise eine den Bestandteil definierende generische Klasse oder Liste chemischer Verbindungen enger eingegrenzt wird, hat zur Folge, dass der Schutzbereich der impliziten Bedingung eingeschränkt wird. Ist definiert, dass eine Zusammensetzung bestimmte, im Anspruch angegebene Bestandteile umfasst, so kann sie ‒ soweit nichts anderes festgelegt ist ‒ auch weitere Bestandteile umfassen. Bei einem auf eine solchermaßen offen definierte Zusammensetzung gerichteten Anspruch kann die Einschränkung der Breite eines darin enthaltenen Bestandteils somit eine Erweiterung seines Schutzbereichs bewirken, was dazu führt, dass ein so geänderter Anspruch im Einspruchs-/Beschwerdeverfahren unter Umständen den Schutzbereich des erteilten Patents erweitert (Art. 123 (3)) (siehe T 2017/07 und T 287/11). Durch Einschränkung der Breite des Bestandteils sind bestimmte Materialien nicht mehr explizit durch den Anspruch begrenzt und können daher in Mengen vorliegen, die aus dem erteilten Anspruch ausgeschlossen waren.