3.1 Zulässigkeit des Antrags
In der Regel ist der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, spätestens jedoch innerhalb eines Jahres nach Ablauf der versäumten Frist schriftlich zu stellen. Die versäumte Handlung ist innerhalb dieser Frist nachzuholen.
Steht "das Hindernis" im Zusammenhang mit einem Fehler bei der Ausführung der Absicht eines Beteiligten, die Frist einzuhalten, tritt der Wegfall des Hindernisses an dem Tag ein, an dem die für die Patentanmeldung verantwortliche Person darauf aufmerksam gemacht wird, dass eine Frist nicht eingehalten wurde, oder den Irrtum hätte bemerken müssen, wenn sie alle gebotene Sorgfalt beachtet hätte. Der Wegfall des Hindernisses ist ein Tatbestand, der stets unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände ermittelt werden muss. Wenn eine Mitteilung nach Regel 112 (1) ordnungsgemäß zugestellt wurde, kann – sofern die Umstände nicht dagegen sprechen – davon ausgegangen werden, dass der Erhalt dieser Mitteilung den Wegfall bewirkt hat (siehe J 27/90).
Anders als bei der oben beschriebenen Frist für andere Fälle ist die Wiedereinsetzung in die Prioritätsfrist (Art. 87 (1)) bzw. in die Frist für die Einreichung eines Antrags auf Überprüfung durch die Große Beschwerdekammer (Art. 112a (4)) innerhalb von zwei Monaten nach Ablauf der betreffenden Frist zu beantragen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung gilt erst als gestellt, wenn die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet worden ist.
Die Prinzipien in Bezug auf einheitliche und unabhängige Verfahrenshandlungen wie in E‑VIII, 2 beschrieben gelten entsprechend für die Ermittlung der Zahl der Wiedereinsetzungsanträge und insbesondere für die Ermittlung der zu entrichtenden Gebühren. Wurde eine einheitliche Verfahrenshandlung versäumt, indem eine oder mehrere Teilhandlungen nicht durchgeführt wurden, ist nur eine Wiedereinsetzungsgebühr fällig. Wurden mehrere unabhängige Verfahrenshandlungen versäumt, die jeweils zur Folge haben, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt, so ist für jede versäumte Handlung eine Wiedereinsetzungsgebühr zu entrichten.
Diese Prinzipien gelten auch für Fälle, in denen die Wiedereinsetzung in die Frist(en) zur Beantragung der Weiterbehandlung zu beantragen ist (vgl. Regel 136 (3)). In solchen Fällen bestimmt sich die Zahl der Wiedereinsetzungsanträge und die entsprechende Zahl von Wiedereinsetzungsgebühren nach der Zahl der versäumten Fristen, die jeweils zur Folge haben, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt.
Beispiel 1:
Eine internationale Anmeldung umfasst mehr als 35 Seiten und wurde in einer Sprache veröffentlicht, die keine Amtssprache des EPA ist. Die für den Eintritt in die europäische Phase erforderlichen Handlungen nach Ablauf der 31-Monatsfrist gemäß Regel 159 (1) wurden versäumt. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Rechtsnatur bilden die nach Regel 159 (1) erforderlichen Einzelhandlungen keinen einheitlichen Verfahrensschritt, sondern sind rechtlich unabhängig und unterliegen unabhängigen Fristen. Die nachstehende Übersicht enthält eine schematische Darstellung der Weiterbehandlung und der Wiedereinsetzung (zu Informationen zu den Rechtsbehelfen, die bei Fristversäumnissen nach Regel 159 (1) zur Verfügung stehen, siehe die einzelnen Abschnitte unter E‑IX, 2).
Feld I der Übersicht enthält die Zahl der unabhängigen versäumten Fristen, Feld II gibt die Weiterbehandlungsgebühr für jede versäumte Frist an, und Feld III enthält die Wiedereinsetzungsgebühr für jede versäumte Frist.
Zur Gewährung der Weiterbehandlung in diesem Beispiel sind innerhalb der Zweimonatsfrist nach Regel 135 (1) die versäumten Handlungen (d. h. alle Handlungen, die innerhalb der 31-Monatsfrist vorzunehmen waren) nachzuholen und fünf Weiterbehandlungsgebühren zu entrichten (zwei davon bestehen aus je zwei Gebühren). Wird diese Frist versäumt, so kann der Anmelder die Wiedereinsetzung in diese Frist beantragen. Dieser Antrag setzt voraus, dass die versäumten Handlungen nachgeholt werden und die entsprechende Zahl von Gebühren für die Wiedereinsetzung innerhalb der Frist nach Regel 136 (1) entrichtet wird. Die versäumten Handlungen sind diejenigen, die innerhalb der 31-Monatsfrist vorzunehmen waren, sowie die Entrichtung der entsprechenden fünf Weiterbehandlungsgebühren. Die Zahlung von fünf Wiedereinsetzungsgebühren entspricht der Zahl von fünf unabhängigen Weiterbehandlungsgebühren.
Versäumte Handlungen |
Versäumte Fristen (Feld I) |
Zahl der Weiterbehandlungsgebühren (Feld II) |
Zahl der Wiedereinsetzungsgebühren (Feld III) |
---|---|---|---|
Einreichung der Übersetzung |
1 |
1 |
1 |
Entrichtung der Anmeldegebühr |
1 (gemeinsame Gebühr) |
1 (bestehend aus 50 % der Anmeldegebühr und 50 % der Zusatzgebühr) |
1 |
Entrichtung der Zusatzgebühr für eine Anmeldung mit mehr als 35 Seiten |
|||
Entrichtung der Benennungsgebühr |
1 |
1 |
1 |
Entrichtung der Recherchengebühr |
1 |
1 |
1 |
Stellung des Prüfungsantrags |
1 (gemeinsame Gebühr) |
1 (bestehend aus einer Pauschalgebühr und 50 % der Prüfungsgebühr) |
1 |
Entrichtung der Prüfungsgebühr |
|||
Resultierende Zahl der zu entrichtenden Gebühren |
5 versäumte Fristen |
5 Weiterbehandlungsgebühren; davon bestehen 2 aus je 2 Einzelgebühren |
5 Wiedereinsetzungsgebühren |
Beispiel 2
Der Anmelder hat die Frist für die Beantragung der Weiterbehandlung im Falle der Frist für die Beantwortung eines Bescheids der Prüfungsabteilung nach Art. 94 (3) sowie die Frist für die Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlagsgebühr versäumt. Da zwei unabhängig voneinander ablaufende Fristen versäumt wurden, die jeweils zur Folge haben, dass die Anmeldung als zurückgenommen gilt, so muss für jede einzelne versäumte Frist ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden (J 26/95). In solchen Fällen ist für jeden dieser Anträge eine Wiedereinsetzungsgebühr zu entrichten. Bei eigenständigen Fristen können – zumal wenn sie an unterschiedlichen Tagen ablaufen – sowohl die Versäumnisgründe als auch der Tag des Wegfalls des Hindernisses verschieden sein.
Beispiel 3
Nach einer Zurückweisungsentscheidung durch die Prüfungsabteilung hat der Anmelder sowohl die Frist für die Einreichung der Beschwerdeschrift als auch die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung versäumt, und zwar aus demselben Grund. Obwohl zwei Fristen versäumt wurden, muss nur eine Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet werden, weil beide Fristen durch dasselbe Ereignis – die Zustellung der Entscheidung – ausgelöst und aus demselben Grund versäumt wurden. In diesem Fall muss die Wiedereinsetzung in beide Fristen zusammen geprüft werden und die Prüfung würde zwangsläufig zum selben Ergebnis führen, sodass eine einzige Wiedereinsetzungsgebühr für ausreichend erachtet wird.
Wären die beiden Fristen aus verschiedenen Gründen versäumt worden, gäbe es keinen kausalen Zusammenhang und zwei Wiedereinsetzungsgebühren müssten entrichtet werden.